Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.natürlich die Boyna. Nach gut baskischer Art ist ein großes Zimmer im Bernard hatte zwar die Fünfzig schon überschritte", aber er war voll sangui¬ Das große Paradezimmer im Parterre ward festlich mit Lichtern erhellt, 22*
natürlich die Boyna. Nach gut baskischer Art ist ein großes Zimmer im Bernard hatte zwar die Fünfzig schon überschritte«, aber er war voll sangui¬ Das große Paradezimmer im Parterre ward festlich mit Lichtern erhellt, 22*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281330"/> <p xml:id="ID_546" prev="#ID_545"> natürlich die Boyna. Nach gut baskischer Art ist ein großes Zimmer im<lb/> Parterre mit mächtigem, stets gefeuertem Kamin der Visitensalon des Hauses,<lb/> Jeder Ankommende nimmt sich ohne weiteres einen Strohstuhl und setzt sich<lb/> mit den Füßen nach der Flamme; Madame Cazaux, eine fast achtzigjährige Frau<lb/> voll liebenswürdiger Herzensgüte, machte die Unterhaltung. Ein regelmäßiges<lb/> Mitglied dieses Kreises war unser Führer und Factotum, der alte Bernard,<lb/> eine echt derbe, brave Natur, der, wenigstens solange wir seine Herren waren,<lb/> uns auf den Händen trug.</p><lb/> <p xml:id="ID_547"> Bernard hatte zwar die Fünfzig schon überschritte«, aber er war voll sangui¬<lb/> nischer Beweglichkeit und liebte den Wein und Gesang. Er sprach spanisch,<lb/> kannte alle baskischen Volksmelodien, saß, wenn es galt, 16 Stunden zu Pferd<lb/> und man behauptete von ihm in Luz, daß er alles wisse. Er war nämlich<lb/> der einzige Mensch, der etwas weiter als drei Meilen im Umkreis, womit bei<lb/> den anderen Luzer Bewohnern die Kenntniß ti,v Welt total aufhörte, orientirt<lb/> war, ja er halte einen Fremden sogar einmal über die Berge und bis nach<lb/> Saragossa begleitet. Mir machte er einmal Miliheiiungeu über die preußische<lb/> Landwehr, die ihm ein Fremder gegeben, und unter der er sich eine Horde<lb/> Kosacken zu denken schien. Uebrigens verwechselte er, wenn er eine Flasche<lb/> Wein getrunken hatte alles und wenn wir ihn dann seine Berechnung machen<lb/> und wiederholen ließen, so differirten die Resultate immer bedeutend, ost zu<lb/> seinem offenbaren Nachtheil. Bernard hatte aus purem Enthusiasmus für uns<lb/> einen Boltodichter, den ich auch in seiner ärmlichen Fran^iskanerclause besuchte<lb/> oder vielmehr besuchen mußte, da er mich auf dem Markt aufgriff und mit<lb/> Gewalt hineinschleppte, aufgereizt, uns in einer Ode zu feiern, der wir jedoch<lb/> durch unsre plötzliche Abreise entgingen, aber er halte noch eine andere Festlichkeit<lb/> eingeleitet, nämlich ein feierliches Ständchen, das uns die jungen Männer<lb/> aus den Honoratioren von Luz den Abend vorher brachten; sie sangen baskische<lb/> und spanische Lieder und waren recht gut eingeübt. Wir kamen zum ersten<lb/> Mal auf unsrer Tour in Verlegenheit, wie wir uns benehmen sollten. Bernard<lb/> half; er sagte, wir könnten uns nicht besser revangiren, als wenn wir einen<lb/> kleine» Ball zu Wege brächten, denn da alle Welt hier sehr tanzlustig sei, die<lb/> Geistlichkeit jedoch das Tanzen selbst in Privathäusern aufs strengste untersagt<lb/> habe, so könnten nur Fremde einen solchen Erceß wagen. Wir stimmten sofort<lb/> zu und auch Mama Cazaur war vollkommen einverstanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_548" next="#ID_549"> Das große Paradezimmer im Parterre ward festlich mit Lichtern erhellt,<lb/> die Möbel geräumt, die Laden geschlossen, ein Ecktisch und das Kaminsims mit<lb/> Flaschen und Gläsern besetzt. Bald erschien das Corps de musique, 3 Männer<lb/> in baskischer Tracht, mit Zimbel, Clarinette und Geige; es brachte eine Bank<lb/> angetragen, auf die es sich in eine andre Ecke postirte. Nun trat Bernard mit<lb/> den Damen höchst feierlich und offenbar schon in bedeutender Weinlaune ein,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 22*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
natürlich die Boyna. Nach gut baskischer Art ist ein großes Zimmer im
Parterre mit mächtigem, stets gefeuertem Kamin der Visitensalon des Hauses,
Jeder Ankommende nimmt sich ohne weiteres einen Strohstuhl und setzt sich
mit den Füßen nach der Flamme; Madame Cazaux, eine fast achtzigjährige Frau
voll liebenswürdiger Herzensgüte, machte die Unterhaltung. Ein regelmäßiges
Mitglied dieses Kreises war unser Führer und Factotum, der alte Bernard,
eine echt derbe, brave Natur, der, wenigstens solange wir seine Herren waren,
uns auf den Händen trug.
Bernard hatte zwar die Fünfzig schon überschritte«, aber er war voll sangui¬
nischer Beweglichkeit und liebte den Wein und Gesang. Er sprach spanisch,
kannte alle baskischen Volksmelodien, saß, wenn es galt, 16 Stunden zu Pferd
und man behauptete von ihm in Luz, daß er alles wisse. Er war nämlich
der einzige Mensch, der etwas weiter als drei Meilen im Umkreis, womit bei
den anderen Luzer Bewohnern die Kenntniß ti,v Welt total aufhörte, orientirt
war, ja er halte einen Fremden sogar einmal über die Berge und bis nach
Saragossa begleitet. Mir machte er einmal Miliheiiungeu über die preußische
Landwehr, die ihm ein Fremder gegeben, und unter der er sich eine Horde
Kosacken zu denken schien. Uebrigens verwechselte er, wenn er eine Flasche
Wein getrunken hatte alles und wenn wir ihn dann seine Berechnung machen
und wiederholen ließen, so differirten die Resultate immer bedeutend, ost zu
seinem offenbaren Nachtheil. Bernard hatte aus purem Enthusiasmus für uns
einen Boltodichter, den ich auch in seiner ärmlichen Fran^iskanerclause besuchte
oder vielmehr besuchen mußte, da er mich auf dem Markt aufgriff und mit
Gewalt hineinschleppte, aufgereizt, uns in einer Ode zu feiern, der wir jedoch
durch unsre plötzliche Abreise entgingen, aber er halte noch eine andere Festlichkeit
eingeleitet, nämlich ein feierliches Ständchen, das uns die jungen Männer
aus den Honoratioren von Luz den Abend vorher brachten; sie sangen baskische
und spanische Lieder und waren recht gut eingeübt. Wir kamen zum ersten
Mal auf unsrer Tour in Verlegenheit, wie wir uns benehmen sollten. Bernard
half; er sagte, wir könnten uns nicht besser revangiren, als wenn wir einen
kleine» Ball zu Wege brächten, denn da alle Welt hier sehr tanzlustig sei, die
Geistlichkeit jedoch das Tanzen selbst in Privathäusern aufs strengste untersagt
habe, so könnten nur Fremde einen solchen Erceß wagen. Wir stimmten sofort
zu und auch Mama Cazaur war vollkommen einverstanden.
Das große Paradezimmer im Parterre ward festlich mit Lichtern erhellt,
die Möbel geräumt, die Laden geschlossen, ein Ecktisch und das Kaminsims mit
Flaschen und Gläsern besetzt. Bald erschien das Corps de musique, 3 Männer
in baskischer Tracht, mit Zimbel, Clarinette und Geige; es brachte eine Bank
angetragen, auf die es sich in eine andre Ecke postirte. Nun trat Bernard mit
den Damen höchst feierlich und offenbar schon in bedeutender Weinlaune ein,
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