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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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die väterliche Strafpredigt anfangs ruhig an, aber plötzlich verließ ihn seine
Geduld und er rief: "Wie, ich bin Großadmiral des Reichs und es soll mir
Nicht einmal das Recht zustehen, einen Matrosen zum Unteroffizier zu machen?
Wenn dem so ist, bitte ich Ew, Majestät um meine Dimission." -- "Ich
nehme dieselbe an," erwiderte gelassen der Kaiser, "und ich enthebe Sie eines
Postens, den Sie übrigens bis jetzt nur nominell einnahmen und erkläre zu¬
gleich, daß ich Ihnen denselben erst wieder anvertrauen werde, wenn Sie die
wesentlichste Eigenschaft eines Ehefs erlangt haben, nämlich die, Ihre Unter¬
gebenen beurtheilen und sie nach Verdienst belohnen zu können."

Dieses pikante Impromptu bildete lange Zeit in Se. Petersburg den
Gegenstand der Unterhaltung, man rühmte die Unparteilichkeit deS Kaisers
und versagte der Festigkeit und dem frühreifen Ehrgeiz des Fürsten seine An¬
erkennung nicht.

Wir kommen nun zum Admiral Ricord, einem aus Katharinens Zeiten
stammenden Mann, der italienischer Abstammung, in Nußland- geboren wurde
und dessen Name ursprünglich Nicordi war. Seit seiner Kindheit sich dem
Seedienst widmend, war Ricord anfänglich auf einem Kauffahrteifahrer Mid-
shipman und verließ diesen Posten, um mit Offiziersrang in die Kriegsmarine
einzutreten. Nach einer kurzen Dienstzeit gestattete ihm die Kaiserin Katha-
rine, als Freiwilliger auf der englischen Marine Dienste zu nehmen. In
dieser Stellung verfehlte er nicht, sich auszuzeichnen, und erwarb aus vielen
und langen Reisen jene Erfahrung und Tüchtigkeit, welche ihm bei seiner Rück¬
kehr nach Nußland schnell und sicher einer glänzenden Zukunft entgegenführte.
Admiral Ricord war es, der bei Navarin die russische Flotte commandirte.
Einige Jahre später ging er nach Kamtschatka, wo er sechs Jahre die Stelle
eines Gouverneurs einnahm. Jetzt ist Admiral Nicocd eines der ausgezeich¬
netsten Mitglieder der russischen Admiralität.




Aeqyptische Studien.

Beiträge zur Erforschung der geometrischen Grundformen
in den alten Tempeln Aegyptens und d e ren Bezi ebur g zur alten
Naturkenntniß. Unter diesem Titel erschien vor wenig Monaten eine
Schrift, die um ihres interessanten Inhaltes willen nicht allein die Theilnahme
sachverständiger Gelehrten bereits erregt hat, sondern wegen ihrer klaren, an¬
spruchslosen Darstellung auch das Interesse aller derer in Anspruch nehmen
wird, welche als Freunde des Alterthums sich vergebens nach einem Schlüssel
sehnten, der ihnen daS Räthsel der Entstehung jener uralten Baudenkmäler


die väterliche Strafpredigt anfangs ruhig an, aber plötzlich verließ ihn seine
Geduld und er rief: „Wie, ich bin Großadmiral des Reichs und es soll mir
Nicht einmal das Recht zustehen, einen Matrosen zum Unteroffizier zu machen?
Wenn dem so ist, bitte ich Ew, Majestät um meine Dimission." — „Ich
nehme dieselbe an," erwiderte gelassen der Kaiser, „und ich enthebe Sie eines
Postens, den Sie übrigens bis jetzt nur nominell einnahmen und erkläre zu¬
gleich, daß ich Ihnen denselben erst wieder anvertrauen werde, wenn Sie die
wesentlichste Eigenschaft eines Ehefs erlangt haben, nämlich die, Ihre Unter¬
gebenen beurtheilen und sie nach Verdienst belohnen zu können."

Dieses pikante Impromptu bildete lange Zeit in Se. Petersburg den
Gegenstand der Unterhaltung, man rühmte die Unparteilichkeit deS Kaisers
und versagte der Festigkeit und dem frühreifen Ehrgeiz des Fürsten seine An¬
erkennung nicht.

Wir kommen nun zum Admiral Ricord, einem aus Katharinens Zeiten
stammenden Mann, der italienischer Abstammung, in Nußland- geboren wurde
und dessen Name ursprünglich Nicordi war. Seit seiner Kindheit sich dem
Seedienst widmend, war Ricord anfänglich auf einem Kauffahrteifahrer Mid-
shipman und verließ diesen Posten, um mit Offiziersrang in die Kriegsmarine
einzutreten. Nach einer kurzen Dienstzeit gestattete ihm die Kaiserin Katha-
rine, als Freiwilliger auf der englischen Marine Dienste zu nehmen. In
dieser Stellung verfehlte er nicht, sich auszuzeichnen, und erwarb aus vielen
und langen Reisen jene Erfahrung und Tüchtigkeit, welche ihm bei seiner Rück¬
kehr nach Nußland schnell und sicher einer glänzenden Zukunft entgegenführte.
Admiral Ricord war es, der bei Navarin die russische Flotte commandirte.
Einige Jahre später ging er nach Kamtschatka, wo er sechs Jahre die Stelle
eines Gouverneurs einnahm. Jetzt ist Admiral Nicocd eines der ausgezeich¬
netsten Mitglieder der russischen Admiralität.




Aeqyptische Studien.

Beiträge zur Erforschung der geometrischen Grundformen
in den alten Tempeln Aegyptens und d e ren Bezi ebur g zur alten
Naturkenntniß. Unter diesem Titel erschien vor wenig Monaten eine
Schrift, die um ihres interessanten Inhaltes willen nicht allein die Theilnahme
sachverständiger Gelehrten bereits erregt hat, sondern wegen ihrer klaren, an¬
spruchslosen Darstellung auch das Interesse aller derer in Anspruch nehmen
wird, welche als Freunde des Alterthums sich vergebens nach einem Schlüssel
sehnten, der ihnen daS Räthsel der Entstehung jener uralten Baudenkmäler


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[0152] die väterliche Strafpredigt anfangs ruhig an, aber plötzlich verließ ihn seine Geduld und er rief: „Wie, ich bin Großadmiral des Reichs und es soll mir Nicht einmal das Recht zustehen, einen Matrosen zum Unteroffizier zu machen? Wenn dem so ist, bitte ich Ew, Majestät um meine Dimission." — „Ich nehme dieselbe an," erwiderte gelassen der Kaiser, „und ich enthebe Sie eines Postens, den Sie übrigens bis jetzt nur nominell einnahmen und erkläre zu¬ gleich, daß ich Ihnen denselben erst wieder anvertrauen werde, wenn Sie die wesentlichste Eigenschaft eines Ehefs erlangt haben, nämlich die, Ihre Unter¬ gebenen beurtheilen und sie nach Verdienst belohnen zu können." Dieses pikante Impromptu bildete lange Zeit in Se. Petersburg den Gegenstand der Unterhaltung, man rühmte die Unparteilichkeit deS Kaisers und versagte der Festigkeit und dem frühreifen Ehrgeiz des Fürsten seine An¬ erkennung nicht. Wir kommen nun zum Admiral Ricord, einem aus Katharinens Zeiten stammenden Mann, der italienischer Abstammung, in Nußland- geboren wurde und dessen Name ursprünglich Nicordi war. Seit seiner Kindheit sich dem Seedienst widmend, war Ricord anfänglich auf einem Kauffahrteifahrer Mid- shipman und verließ diesen Posten, um mit Offiziersrang in die Kriegsmarine einzutreten. Nach einer kurzen Dienstzeit gestattete ihm die Kaiserin Katha- rine, als Freiwilliger auf der englischen Marine Dienste zu nehmen. In dieser Stellung verfehlte er nicht, sich auszuzeichnen, und erwarb aus vielen und langen Reisen jene Erfahrung und Tüchtigkeit, welche ihm bei seiner Rück¬ kehr nach Nußland schnell und sicher einer glänzenden Zukunft entgegenführte. Admiral Ricord war es, der bei Navarin die russische Flotte commandirte. Einige Jahre später ging er nach Kamtschatka, wo er sechs Jahre die Stelle eines Gouverneurs einnahm. Jetzt ist Admiral Nicocd eines der ausgezeich¬ netsten Mitglieder der russischen Admiralität. Aeqyptische Studien. Beiträge zur Erforschung der geometrischen Grundformen in den alten Tempeln Aegyptens und d e ren Bezi ebur g zur alten Naturkenntniß. Unter diesem Titel erschien vor wenig Monaten eine Schrift, die um ihres interessanten Inhaltes willen nicht allein die Theilnahme sachverständiger Gelehrten bereits erregt hat, sondern wegen ihrer klaren, an¬ spruchslosen Darstellung auch das Interesse aller derer in Anspruch nehmen wird, welche als Freunde des Alterthums sich vergebens nach einem Schlüssel sehnten, der ihnen daS Räthsel der Entstehung jener uralten Baudenkmäler

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/152>, abgerufen am 27.07.2024.