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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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hergesehenes Ereigniß ihn plötzlich beriefe, den Thron seiner Väter einzu¬
nehmen.

Kaum geboren wurde der Großfürst Konstantin zum Großadmiral aller
russischen Flotten ernannt. Er verfehlte nicht, seine Würde sich zu Herzen zu
nehmen, denn noch ein Kind, so erzählen die russischen Hofhistoriker, pflegte
er am Bord eines Schiffes zu schlafen und darauf den Herrn zu spielen. Ließ
er dock eines Tages seinen ältern Bruder, der ohne seine Erlaubniß an Bord
gekommen war, arretiren. Später widmete er sich mit dem ihm eigenthüm¬
lichen Eifer der nautischen Kunst, er begleitete die Flotte auf ihren Ercur-
sionen im baltischen Meer und finnischen Meerbusen und besuchte 1856 Algier
und Toulon. Man erinnert sich wol noch des ausgezeichneten Empfangs,
den ihm bei dieser Gelegenheit die Söhne Louis Philipps bereiteten, und des
Ordensaustausches, der dieser Begrüßung folgte.

Bis zum Jahre 1832 widmete sich der Großfürst Konstantin seinem Be¬
rufe nur als Amateur. Zu dieser Zeit erhielt er bei der Marineverwaltung
eine active Beschäftigung, indem er bei dem Fürsten Menschikosf, Titular-
minister, als Ajoint (was soviel als Generalsecretär oder UnterstaatSsecretär
ist) placirt wurde. Man glaubt vielleicht, daß der kaiserliche Prinz in seinem
neuen Wirkungskreise namhafte Reformen vornahm; wenn dies nicht der Fall
gewesen, so ist weder Mangel an gutem Willen, noch Selbstvertrauen daran
Schuld. Jedenfalls fehlt es ihm jetzt nicht an Gelegenheit, sein Talent und
seinen Muth zu erproben, und hoffentlich wird der russische Großadmiral binnen
kurzem Sir Charles gegenüber darthun, daß er seines Titels würdig ist.

Der Admiral Lütke ist ein aufgeklärter und ernster Mann, dessen größter
Anspruch auf die Achtung der Russen darin besteht, daß er der Erzieher und
Lehrer Konstantins ist. Er war des Prinzen steter Begleiter, leitete seine
Studien, bildete seinen Geist. Mehr als einmal geriet!) er mit diesem unge¬
stümen, zügellosen Charakter in ernste Differenzen, allein dem Zar muß nach¬
gesagt werden, daß er in allen solchen Differenzen stets in energischer Weise
die Partei des Generals ergriff. Hier ein interessanter Beleg dafür. -- Eines
Tages, als der Großfürst in der Umgebung Kronstadts mit einem Schiffe
kreuzte, wurde er durch das Betragen eines Leichtmatrosen so eingenommen,
daß er denselben allen Gegenvorstellungen zum Trotz zum Unteroffizier er¬
nannte. Als General Lütke die Sache erfuhr, tadelte er den Großfürsten
scharf, ihm sagend, daß er seine Befugnisse überschritten. Der Prinz fühlte
sich durch diesen Tadel so verletzt, daß er seinem Erzieher drohte, ihn beim
Kaiser, seinem Vater, zu verklagen. Der General kam dem Prinzen zuvot.
Nicolaus ließ sofort seine" Sohn rufen und indem er den Tadel des Admi¬
rals wiederholte, fügte er bei, daß er denselben um so mehr verdiene, weil der
beförderte Matrose seiner Theilnahme gänzlich unwürdig sei. Konstantin hörte


hergesehenes Ereigniß ihn plötzlich beriefe, den Thron seiner Väter einzu¬
nehmen.

Kaum geboren wurde der Großfürst Konstantin zum Großadmiral aller
russischen Flotten ernannt. Er verfehlte nicht, seine Würde sich zu Herzen zu
nehmen, denn noch ein Kind, so erzählen die russischen Hofhistoriker, pflegte
er am Bord eines Schiffes zu schlafen und darauf den Herrn zu spielen. Ließ
er dock eines Tages seinen ältern Bruder, der ohne seine Erlaubniß an Bord
gekommen war, arretiren. Später widmete er sich mit dem ihm eigenthüm¬
lichen Eifer der nautischen Kunst, er begleitete die Flotte auf ihren Ercur-
sionen im baltischen Meer und finnischen Meerbusen und besuchte 1856 Algier
und Toulon. Man erinnert sich wol noch des ausgezeichneten Empfangs,
den ihm bei dieser Gelegenheit die Söhne Louis Philipps bereiteten, und des
Ordensaustausches, der dieser Begrüßung folgte.

Bis zum Jahre 1832 widmete sich der Großfürst Konstantin seinem Be¬
rufe nur als Amateur. Zu dieser Zeit erhielt er bei der Marineverwaltung
eine active Beschäftigung, indem er bei dem Fürsten Menschikosf, Titular-
minister, als Ajoint (was soviel als Generalsecretär oder UnterstaatSsecretär
ist) placirt wurde. Man glaubt vielleicht, daß der kaiserliche Prinz in seinem
neuen Wirkungskreise namhafte Reformen vornahm; wenn dies nicht der Fall
gewesen, so ist weder Mangel an gutem Willen, noch Selbstvertrauen daran
Schuld. Jedenfalls fehlt es ihm jetzt nicht an Gelegenheit, sein Talent und
seinen Muth zu erproben, und hoffentlich wird der russische Großadmiral binnen
kurzem Sir Charles gegenüber darthun, daß er seines Titels würdig ist.

Der Admiral Lütke ist ein aufgeklärter und ernster Mann, dessen größter
Anspruch auf die Achtung der Russen darin besteht, daß er der Erzieher und
Lehrer Konstantins ist. Er war des Prinzen steter Begleiter, leitete seine
Studien, bildete seinen Geist. Mehr als einmal geriet!) er mit diesem unge¬
stümen, zügellosen Charakter in ernste Differenzen, allein dem Zar muß nach¬
gesagt werden, daß er in allen solchen Differenzen stets in energischer Weise
die Partei des Generals ergriff. Hier ein interessanter Beleg dafür. — Eines
Tages, als der Großfürst in der Umgebung Kronstadts mit einem Schiffe
kreuzte, wurde er durch das Betragen eines Leichtmatrosen so eingenommen,
daß er denselben allen Gegenvorstellungen zum Trotz zum Unteroffizier er¬
nannte. Als General Lütke die Sache erfuhr, tadelte er den Großfürsten
scharf, ihm sagend, daß er seine Befugnisse überschritten. Der Prinz fühlte
sich durch diesen Tadel so verletzt, daß er seinem Erzieher drohte, ihn beim
Kaiser, seinem Vater, zu verklagen. Der General kam dem Prinzen zuvot.
Nicolaus ließ sofort seine» Sohn rufen und indem er den Tadel des Admi¬
rals wiederholte, fügte er bei, daß er denselben um so mehr verdiene, weil der
beförderte Matrose seiner Theilnahme gänzlich unwürdig sei. Konstantin hörte


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[0151] hergesehenes Ereigniß ihn plötzlich beriefe, den Thron seiner Väter einzu¬ nehmen. Kaum geboren wurde der Großfürst Konstantin zum Großadmiral aller russischen Flotten ernannt. Er verfehlte nicht, seine Würde sich zu Herzen zu nehmen, denn noch ein Kind, so erzählen die russischen Hofhistoriker, pflegte er am Bord eines Schiffes zu schlafen und darauf den Herrn zu spielen. Ließ er dock eines Tages seinen ältern Bruder, der ohne seine Erlaubniß an Bord gekommen war, arretiren. Später widmete er sich mit dem ihm eigenthüm¬ lichen Eifer der nautischen Kunst, er begleitete die Flotte auf ihren Ercur- sionen im baltischen Meer und finnischen Meerbusen und besuchte 1856 Algier und Toulon. Man erinnert sich wol noch des ausgezeichneten Empfangs, den ihm bei dieser Gelegenheit die Söhne Louis Philipps bereiteten, und des Ordensaustausches, der dieser Begrüßung folgte. Bis zum Jahre 1832 widmete sich der Großfürst Konstantin seinem Be¬ rufe nur als Amateur. Zu dieser Zeit erhielt er bei der Marineverwaltung eine active Beschäftigung, indem er bei dem Fürsten Menschikosf, Titular- minister, als Ajoint (was soviel als Generalsecretär oder UnterstaatSsecretär ist) placirt wurde. Man glaubt vielleicht, daß der kaiserliche Prinz in seinem neuen Wirkungskreise namhafte Reformen vornahm; wenn dies nicht der Fall gewesen, so ist weder Mangel an gutem Willen, noch Selbstvertrauen daran Schuld. Jedenfalls fehlt es ihm jetzt nicht an Gelegenheit, sein Talent und seinen Muth zu erproben, und hoffentlich wird der russische Großadmiral binnen kurzem Sir Charles gegenüber darthun, daß er seines Titels würdig ist. Der Admiral Lütke ist ein aufgeklärter und ernster Mann, dessen größter Anspruch auf die Achtung der Russen darin besteht, daß er der Erzieher und Lehrer Konstantins ist. Er war des Prinzen steter Begleiter, leitete seine Studien, bildete seinen Geist. Mehr als einmal geriet!) er mit diesem unge¬ stümen, zügellosen Charakter in ernste Differenzen, allein dem Zar muß nach¬ gesagt werden, daß er in allen solchen Differenzen stets in energischer Weise die Partei des Generals ergriff. Hier ein interessanter Beleg dafür. — Eines Tages, als der Großfürst in der Umgebung Kronstadts mit einem Schiffe kreuzte, wurde er durch das Betragen eines Leichtmatrosen so eingenommen, daß er denselben allen Gegenvorstellungen zum Trotz zum Unteroffizier er¬ nannte. Als General Lütke die Sache erfuhr, tadelte er den Großfürsten scharf, ihm sagend, daß er seine Befugnisse überschritten. Der Prinz fühlte sich durch diesen Tadel so verletzt, daß er seinem Erzieher drohte, ihn beim Kaiser, seinem Vater, zu verklagen. Der General kam dem Prinzen zuvot. Nicolaus ließ sofort seine» Sohn rufen und indem er den Tadel des Admi¬ rals wiederholte, fügte er bei, daß er denselben um so mehr verdiene, weil der beförderte Matrose seiner Theilnahme gänzlich unwürdig sei. Konstantin hörte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/151>, abgerufen am 01.09.2024.