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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Gebäude und Räume doch alle in der Nähe der Serailspitze und sind hinter¬
wärts von dem Aussichtsfeld zu suchen, was wir nunmehr zunächst zu über¬
schauen haben. Unser Blick schweift jetzt den häuserbedeckten Gestadefaden
entlang, der bis zu den sieben Thürmen oder t>er am Marmorameer gelegenen
Ecke des großen Dreiecks hinläuft. Darüber hinaus senkt sich das Terrain in
zwei einander parallellaufende Thalgründe ab, von denen der schmalere am
Fuß der Mauer mehre tausend Schritte weit landeinwärts sich erstreckt, der
andre, von ungleich größrer Ausdehnung und Breite, weit über Daub Pascha
hinausreicht. Die sieben Thürme sind das alte Cyklvpion. Sie bezeichnen
die Stelle auf der jede die Fronte der großen Mauer zum Gegenstand der
Vertheidigung machende Defensive innerhalb Stambuls ihren linkswärtigen
Stützpunkt zu suchen hat.

Gleichwie auf dieser Meeresseite von Stambul die antike Stadt Byzanz
ihr Herz hatte, wohnen noch heute hier die Kernmassen der rumeliotischen Be¬
völkerung. Mit andern Worten: das dem Hafen zugewendete Konstanti¬
nopel ist überwiegend türkisch, dagegen das der Propontis sich zuneigende
griechisch.

Der Rest der Fenster ist dem freien Meere zugewendet. Einige schauen
in die unbegrenzte Seeferne, andre weisen den Blick auf das kleinasiatische
Ufer und auf die Prinzeninseln hin. Ueberall hat man die weite Wogenfläche
zunächst im Mittelgrunde vor sich, und unmittelbar zu Füßen die eben um¬
schriebene griechische Hälfte des konstantinopolitanischen Dreiecks.

Wenn irgendwo, so hat man auf der Galerie dieses Thurmes die
Empfindung, sich inmitten der großen Metropole, inmitten des Reiches
zu befinden. Es war ein guter Gedanke, am Fuß dieses Centrums und Hoch-
punktcs die Fäden der militärischen Gewalt sich einigen zu lassen, welche das
Ganze zusammenhält. Beim Niedersteigen schilderte mir einer der Feuerwächter
das Schauspiel, welches von oben her gesehen der letzte große Brand dar¬
geboten. Die Luft war klar, momentan windlos; wie eine Säule, bestimmt
den Himmel zu tragen, stieg der Qualm senkrecht auf und breitete sich über
die Spitze des Thurmes hinaus, scheinbar wie von einem oberen Druck des
Dunstkreises niedergehalten, als ein weiter, dunkler Baldachin über ein Meer
sprühender Flammen. Ich bedauerte, in dem fraglichen Augenblick nicht auf
der Galerie des Thurmes zugegen gewesen zu sein und beneidete im Stillen
die hoch postirten türkischen Soldaten um den Genuß des nächsten grandiosen
Schauspiels.




^renzbote", III. I 8"z.

Gebäude und Räume doch alle in der Nähe der Serailspitze und sind hinter¬
wärts von dem Aussichtsfeld zu suchen, was wir nunmehr zunächst zu über¬
schauen haben. Unser Blick schweift jetzt den häuserbedeckten Gestadefaden
entlang, der bis zu den sieben Thürmen oder t>er am Marmorameer gelegenen
Ecke des großen Dreiecks hinläuft. Darüber hinaus senkt sich das Terrain in
zwei einander parallellaufende Thalgründe ab, von denen der schmalere am
Fuß der Mauer mehre tausend Schritte weit landeinwärts sich erstreckt, der
andre, von ungleich größrer Ausdehnung und Breite, weit über Daub Pascha
hinausreicht. Die sieben Thürme sind das alte Cyklvpion. Sie bezeichnen
die Stelle auf der jede die Fronte der großen Mauer zum Gegenstand der
Vertheidigung machende Defensive innerhalb Stambuls ihren linkswärtigen
Stützpunkt zu suchen hat.

Gleichwie auf dieser Meeresseite von Stambul die antike Stadt Byzanz
ihr Herz hatte, wohnen noch heute hier die Kernmassen der rumeliotischen Be¬
völkerung. Mit andern Worten: das dem Hafen zugewendete Konstanti¬
nopel ist überwiegend türkisch, dagegen das der Propontis sich zuneigende
griechisch.

Der Rest der Fenster ist dem freien Meere zugewendet. Einige schauen
in die unbegrenzte Seeferne, andre weisen den Blick auf das kleinasiatische
Ufer und auf die Prinzeninseln hin. Ueberall hat man die weite Wogenfläche
zunächst im Mittelgrunde vor sich, und unmittelbar zu Füßen die eben um¬
schriebene griechische Hälfte des konstantinopolitanischen Dreiecks.

Wenn irgendwo, so hat man auf der Galerie dieses Thurmes die
Empfindung, sich inmitten der großen Metropole, inmitten des Reiches
zu befinden. Es war ein guter Gedanke, am Fuß dieses Centrums und Hoch-
punktcs die Fäden der militärischen Gewalt sich einigen zu lassen, welche das
Ganze zusammenhält. Beim Niedersteigen schilderte mir einer der Feuerwächter
das Schauspiel, welches von oben her gesehen der letzte große Brand dar¬
geboten. Die Luft war klar, momentan windlos; wie eine Säule, bestimmt
den Himmel zu tragen, stieg der Qualm senkrecht auf und breitete sich über
die Spitze des Thurmes hinaus, scheinbar wie von einem oberen Druck des
Dunstkreises niedergehalten, als ein weiter, dunkler Baldachin über ein Meer
sprühender Flammen. Ich bedauerte, in dem fraglichen Augenblick nicht auf
der Galerie des Thurmes zugegen gewesen zu sein und beneidete im Stillen
die hoch postirten türkischen Soldaten um den Genuß des nächsten grandiosen
Schauspiels.




^renzbote», III. I 8»z.
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[0121] Gebäude und Räume doch alle in der Nähe der Serailspitze und sind hinter¬ wärts von dem Aussichtsfeld zu suchen, was wir nunmehr zunächst zu über¬ schauen haben. Unser Blick schweift jetzt den häuserbedeckten Gestadefaden entlang, der bis zu den sieben Thürmen oder t>er am Marmorameer gelegenen Ecke des großen Dreiecks hinläuft. Darüber hinaus senkt sich das Terrain in zwei einander parallellaufende Thalgründe ab, von denen der schmalere am Fuß der Mauer mehre tausend Schritte weit landeinwärts sich erstreckt, der andre, von ungleich größrer Ausdehnung und Breite, weit über Daub Pascha hinausreicht. Die sieben Thürme sind das alte Cyklvpion. Sie bezeichnen die Stelle auf der jede die Fronte der großen Mauer zum Gegenstand der Vertheidigung machende Defensive innerhalb Stambuls ihren linkswärtigen Stützpunkt zu suchen hat. Gleichwie auf dieser Meeresseite von Stambul die antike Stadt Byzanz ihr Herz hatte, wohnen noch heute hier die Kernmassen der rumeliotischen Be¬ völkerung. Mit andern Worten: das dem Hafen zugewendete Konstanti¬ nopel ist überwiegend türkisch, dagegen das der Propontis sich zuneigende griechisch. Der Rest der Fenster ist dem freien Meere zugewendet. Einige schauen in die unbegrenzte Seeferne, andre weisen den Blick auf das kleinasiatische Ufer und auf die Prinzeninseln hin. Ueberall hat man die weite Wogenfläche zunächst im Mittelgrunde vor sich, und unmittelbar zu Füßen die eben um¬ schriebene griechische Hälfte des konstantinopolitanischen Dreiecks. Wenn irgendwo, so hat man auf der Galerie dieses Thurmes die Empfindung, sich inmitten der großen Metropole, inmitten des Reiches zu befinden. Es war ein guter Gedanke, am Fuß dieses Centrums und Hoch- punktcs die Fäden der militärischen Gewalt sich einigen zu lassen, welche das Ganze zusammenhält. Beim Niedersteigen schilderte mir einer der Feuerwächter das Schauspiel, welches von oben her gesehen der letzte große Brand dar¬ geboten. Die Luft war klar, momentan windlos; wie eine Säule, bestimmt den Himmel zu tragen, stieg der Qualm senkrecht auf und breitete sich über die Spitze des Thurmes hinaus, scheinbar wie von einem oberen Druck des Dunstkreises niedergehalten, als ein weiter, dunkler Baldachin über ein Meer sprühender Flammen. Ich bedauerte, in dem fraglichen Augenblick nicht auf der Galerie des Thurmes zugegen gewesen zu sein und beneidete im Stillen die hoch postirten türkischen Soldaten um den Genuß des nächsten grandiosen Schauspiels. ^renzbote», III. I 8»z.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/121>, abgerufen am 01.09.2024.