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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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deutscher Minister unter steter Controle von sieben dänischen; drei derselben für
die Finanzen, die Armee und die Marine verwalten willkürlich in den Herzog-
thümer". An dem festen Willen, das dänische Grundgesetz unverbrüchlich zu
halten, soll nicht gezweifelt werden dürfen: gleichwol wird schon jetzt dessen Auf¬
hebung i" den., wesentlichsten Punkten vorbereitet. Die englische Presse, spectator
und Globe, rufen es in die Welt hinaus: "das dänische neue Grundgesetz ver¬
nichte die verfassungsmäßigen Rechte des Landes! Die Dänen treffe die gerechte
Nemesis für ihre mit Hilfe Rußlands durchgeführte Politik gegen Schleswig-
Holstein; Dänemark trete ein in die Reihe der absoluten Staaten; Nußland
arbeite vor sür seine Succession!" Den Provinzialständcn soll in der Art eine
Entwickelung gegeben werden, daß jedes Herzogthum eine ständische Vertretung
mit beschließender Befugniß erhält. Gesetzentwürfe in dieser Beziehung haben
die Provinzialstände zu begutachten. Das Herzogthum Holstein soll nach den zu
Recht bestehenden Gesetzen regiert werden. -- Wie letzteres ausgeführt worden,
wer wußte es nicht? Noch in diesen Tagen haben wiederholt durchaus willkür¬
liche Amtsentsetzungen ehrenwerther holsteinischer Beamten stattgefunden und seitdem
jene Verheißung am 28. Januar 1852 gegeben, ist die gesammte Steuerver-
fassung des Landes eigenbelicbig verändert worden. Freilich sind die Provinzial¬
stände für Schleswig, wie für Holstein, zum ö. October d. I. einberufen worden,
um ihr Gutachten abzugeben über das mittlerweile Geschehene. Allein dem
Halbwegsknndigcu ist es einleuchtend, daß ein Gutachten berathender Provinzial¬
stände ganze Steuersysteme, die bereits in voller Ausführung sich befinden, nicht
wird wieder beseitigen können. -- Wie laut auch "das Vaterland" seine Stimme
erhebt: "der alte Trotz der Schleswig-holsteinischen Rebellen erwache schon wieder
und Concessionen von haarsträubender Tragweite würden ihnen gemacht werden",
so bleiben doch die Provinzialstände eine leere Form. Die deutsche Partei hat
zwar auch in Schleswig in den Ständen, aller Einwirkungen der Regierung
ungeachtet, die noch während des Wahlacts Mißliebige zurückgedrängt hat, das
Uebergewicht, indessen es fehlen tüchtige, politische Kräfte. Die dänische Presse
folgert ans dem gleichzeitigen Zusammentreten die Besorgnis), daß der holsteinische
Einfluß sich geltend machen werde in der schleswigschen Versammlung, und das
Ministerium uur den Triumph erleben, die dänische Rcichstagsversammlung unter¬
drückt zu sehen. Bemerkenswert!) ist ein in dieser Veranlassung in die Times ein¬
gerückter offiziöser dänischer Artikel: "Mag die Politik des dänischen Cabinets
richtig oder unrichtig sein, von Rußland ist solche gewiß nicht eingegeben. Der
russische Gesandte in Kopenhagen hat im Gegentheil jede Gelegenheit benutzt,
um seine Mißbilligung des ministeriellen Plans zu erkennen zu geben, weil der¬
selbe geeignet sei, die constitutionelle Regierungsform zu verewigen und solche über
die ganze Monarchie auszudehnen. -- In Rußlands Augen ist der jetzige dänische
Reichstag mit allen seinen Mängeln, welche die Keime zu seinem Untergang ent-


deutscher Minister unter steter Controle von sieben dänischen; drei derselben für
die Finanzen, die Armee und die Marine verwalten willkürlich in den Herzog-
thümer». An dem festen Willen, das dänische Grundgesetz unverbrüchlich zu
halten, soll nicht gezweifelt werden dürfen: gleichwol wird schon jetzt dessen Auf¬
hebung i» den., wesentlichsten Punkten vorbereitet. Die englische Presse, spectator
und Globe, rufen es in die Welt hinaus: „das dänische neue Grundgesetz ver¬
nichte die verfassungsmäßigen Rechte des Landes! Die Dänen treffe die gerechte
Nemesis für ihre mit Hilfe Rußlands durchgeführte Politik gegen Schleswig-
Holstein; Dänemark trete ein in die Reihe der absoluten Staaten; Nußland
arbeite vor sür seine Succession!" Den Provinzialständcn soll in der Art eine
Entwickelung gegeben werden, daß jedes Herzogthum eine ständische Vertretung
mit beschließender Befugniß erhält. Gesetzentwürfe in dieser Beziehung haben
die Provinzialstände zu begutachten. Das Herzogthum Holstein soll nach den zu
Recht bestehenden Gesetzen regiert werden. — Wie letzteres ausgeführt worden,
wer wußte es nicht? Noch in diesen Tagen haben wiederholt durchaus willkür¬
liche Amtsentsetzungen ehrenwerther holsteinischer Beamten stattgefunden und seitdem
jene Verheißung am 28. Januar 1852 gegeben, ist die gesammte Steuerver-
fassung des Landes eigenbelicbig verändert worden. Freilich sind die Provinzial¬
stände für Schleswig, wie für Holstein, zum ö. October d. I. einberufen worden,
um ihr Gutachten abzugeben über das mittlerweile Geschehene. Allein dem
Halbwegsknndigcu ist es einleuchtend, daß ein Gutachten berathender Provinzial¬
stände ganze Steuersysteme, die bereits in voller Ausführung sich befinden, nicht
wird wieder beseitigen können. — Wie laut auch „das Vaterland" seine Stimme
erhebt: „der alte Trotz der Schleswig-holsteinischen Rebellen erwache schon wieder
und Concessionen von haarsträubender Tragweite würden ihnen gemacht werden",
so bleiben doch die Provinzialstände eine leere Form. Die deutsche Partei hat
zwar auch in Schleswig in den Ständen, aller Einwirkungen der Regierung
ungeachtet, die noch während des Wahlacts Mißliebige zurückgedrängt hat, das
Uebergewicht, indessen es fehlen tüchtige, politische Kräfte. Die dänische Presse
folgert ans dem gleichzeitigen Zusammentreten die Besorgnis), daß der holsteinische
Einfluß sich geltend machen werde in der schleswigschen Versammlung, und das
Ministerium uur den Triumph erleben, die dänische Rcichstagsversammlung unter¬
drückt zu sehen. Bemerkenswert!) ist ein in dieser Veranlassung in die Times ein¬
gerückter offiziöser dänischer Artikel: „Mag die Politik des dänischen Cabinets
richtig oder unrichtig sein, von Rußland ist solche gewiß nicht eingegeben. Der
russische Gesandte in Kopenhagen hat im Gegentheil jede Gelegenheit benutzt,
um seine Mißbilligung des ministeriellen Plans zu erkennen zu geben, weil der¬
selbe geeignet sei, die constitutionelle Regierungsform zu verewigen und solche über
die ganze Monarchie auszudehnen. — In Rußlands Augen ist der jetzige dänische
Reichstag mit allen seinen Mängeln, welche die Keime zu seinem Untergang ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/62>, abgerufen am 06.02.2025.