Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.den Hieben der russischen Knute. Zwei Soldaten begegnen sich, auf der Pickel¬ Die "fliegende Post" frischt die Erinnerungen auf an des Ministers Bluhme den Hieben der russischen Knute. Zwei Soldaten begegnen sich, auf der Pickel¬ Die „fliegende Post" frischt die Erinnerungen auf an des Ministers Bluhme <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0054" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96759"/> <p xml:id="ID_119" prev="#ID_118"> den Hieben der russischen Knute. Zwei Soldaten begegnen sich, auf der Pickel¬<lb/> haube des einen steht: „Dänemarks Grundgesetz," auf der des andern: „Die<lb/> Preußische Konstitution." „Wie heißt du Kamerad?" fragt der Däne. „Man-<lb/> teuffel", „und Du?" Oerstedt! Das ist ja komisch! man sollte daraus schwören,<lb/> wir waren Geschwister! Vielleicht sind wir es anch."</p><lb/> <p xml:id="ID_120" next="#ID_121"> Die „fliegende Post" frischt die Erinnerungen auf an des Ministers Bluhme<lb/> Verhandlungen über die Erbfolge und verweilt mit Behagen bei seinen Worten:<lb/> welche dritte bittere Pille Deutschland zu sich nehmen müsse in der Zusage einer<lb/> freien Verfassung für alle Theile der dänischen Monarchie. Hu! sagt der Corsar,<lb/> das muß ein schreckliches Gesicht sein, was das Ausland bei dieser Gelegenheit<lb/> aufsetzt, und im Holzschnitt sieht man einen Russen, der vor grinsendem Hohn¬<lb/> lachen mit aufgerissenem Munde von einem Ohr zum andern fast erstickt. — Das<lb/> dänische Königsgesetz steht da als ein fester, unerschütterlicher Thurm, genannt<lb/> „das Königshaus"; die neue Erbfolgcordnnng, als eine gebrechliche morsche<lb/> Hütte beschrieben: „Oerstedts Hans." „Das projectirte Gesammtstaats-Pla¬<lb/> netensystem, erfunden von dem bekannten blinden Astronom Oerstedt," gibt<lb/> Holstein den Centralplatz als strahlende Sonne, umkreist vou Schleswig und<lb/> Lauenburg halb erhellt, und vou dem ganz verdunkelten Dänemark. — „Zwei<lb/> Hvlsteiner mit einigen dänischen Beisitzern regieren die Monarchie," sagt das<lb/> „Vaterland", Organ der Eiderdänen. Dasselbe Blatt äußert aus einem, natür¬<lb/> lich erdichteten Briefe von Holstein: „Es ist schwierig, die Stimmen des Volks<lb/> zu hören, insofern sie hier zu Lande für den Ausdruck der öffentlichen Meinung<lb/> gelten soll, nicht als wäre hier in diesem Augenblicke gar keine öffentliche Mei¬<lb/> nung — eine solche ist sogar in dem geknnteten Rußland vorhanden — aber sie<lb/> äußert sich nicht. Das Werkzeug der öffentlichen Meinung in civilisirten Ländern,<lb/> die Presse, ist freilich in einiger Beziehung noch frei in Holstein, aber kein Blatt<lb/> wagt es, gradeaus seine ehrliche Meinung zu sagen, aus Furcht vor ähnlichen<lb/> Zwangsmaßregeln, wie in dem benachbarten Schleswig an der Tagesordnung<lb/> sind; ja die meisten Blätter heucheln eine Meinung, die weder sie noch ihre<lb/> Leser theilen. Die barbarische deutsche Erfindung, Entziehung der Concession,<lb/> welche in Schleswig so hübsch nachgeahmt wird, macht unsre Tagespresse zur<lb/> Lügnerin. Sie repräsentirt nicht die öffentliche Meinung. Wer solche kennen<lb/> lernen will, kann sie übrigens auch ohne die Presse vernehmen in den verschiedenen<lb/> Volksklassen. Während die Tagespresse kokettirt mit dem Gesammtstaate und<lb/> sich ab und zu gesammtstaatliche Correspondenzen von Kopenhagen senden läßt,<lb/> will kein Mensch in Holstein den Gesammtstaat, mit Ausnahme einer Handvoll<lb/> Beamter. Alle Parteien, — wenn man in dieser Erschlaffungsperiode überhaupt<lb/> von Parteien sprechen kann, — sind in diesem Punkte einverstanden; ja selbst<lb/> die doctnnären Schleswig-Holsteiner, die von ihrer Lehre heimliche Pflege im<lb/> Gesammtstaate erwarten, würden bei ehrlicher Abstimmung gegen den Gesammt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
den Hieben der russischen Knute. Zwei Soldaten begegnen sich, auf der Pickel¬
haube des einen steht: „Dänemarks Grundgesetz," auf der des andern: „Die
Preußische Konstitution." „Wie heißt du Kamerad?" fragt der Däne. „Man-
teuffel", „und Du?" Oerstedt! Das ist ja komisch! man sollte daraus schwören,
wir waren Geschwister! Vielleicht sind wir es anch."
Die „fliegende Post" frischt die Erinnerungen auf an des Ministers Bluhme
Verhandlungen über die Erbfolge und verweilt mit Behagen bei seinen Worten:
welche dritte bittere Pille Deutschland zu sich nehmen müsse in der Zusage einer
freien Verfassung für alle Theile der dänischen Monarchie. Hu! sagt der Corsar,
das muß ein schreckliches Gesicht sein, was das Ausland bei dieser Gelegenheit
aufsetzt, und im Holzschnitt sieht man einen Russen, der vor grinsendem Hohn¬
lachen mit aufgerissenem Munde von einem Ohr zum andern fast erstickt. — Das
dänische Königsgesetz steht da als ein fester, unerschütterlicher Thurm, genannt
„das Königshaus"; die neue Erbfolgcordnnng, als eine gebrechliche morsche
Hütte beschrieben: „Oerstedts Hans." „Das projectirte Gesammtstaats-Pla¬
netensystem, erfunden von dem bekannten blinden Astronom Oerstedt," gibt
Holstein den Centralplatz als strahlende Sonne, umkreist vou Schleswig und
Lauenburg halb erhellt, und vou dem ganz verdunkelten Dänemark. — „Zwei
Hvlsteiner mit einigen dänischen Beisitzern regieren die Monarchie," sagt das
„Vaterland", Organ der Eiderdänen. Dasselbe Blatt äußert aus einem, natür¬
lich erdichteten Briefe von Holstein: „Es ist schwierig, die Stimmen des Volks
zu hören, insofern sie hier zu Lande für den Ausdruck der öffentlichen Meinung
gelten soll, nicht als wäre hier in diesem Augenblicke gar keine öffentliche Mei¬
nung — eine solche ist sogar in dem geknnteten Rußland vorhanden — aber sie
äußert sich nicht. Das Werkzeug der öffentlichen Meinung in civilisirten Ländern,
die Presse, ist freilich in einiger Beziehung noch frei in Holstein, aber kein Blatt
wagt es, gradeaus seine ehrliche Meinung zu sagen, aus Furcht vor ähnlichen
Zwangsmaßregeln, wie in dem benachbarten Schleswig an der Tagesordnung
sind; ja die meisten Blätter heucheln eine Meinung, die weder sie noch ihre
Leser theilen. Die barbarische deutsche Erfindung, Entziehung der Concession,
welche in Schleswig so hübsch nachgeahmt wird, macht unsre Tagespresse zur
Lügnerin. Sie repräsentirt nicht die öffentliche Meinung. Wer solche kennen
lernen will, kann sie übrigens auch ohne die Presse vernehmen in den verschiedenen
Volksklassen. Während die Tagespresse kokettirt mit dem Gesammtstaate und
sich ab und zu gesammtstaatliche Correspondenzen von Kopenhagen senden läßt,
will kein Mensch in Holstein den Gesammtstaat, mit Ausnahme einer Handvoll
Beamter. Alle Parteien, — wenn man in dieser Erschlaffungsperiode überhaupt
von Parteien sprechen kann, — sind in diesem Punkte einverstanden; ja selbst
die doctnnären Schleswig-Holsteiner, die von ihrer Lehre heimliche Pflege im
Gesammtstaate erwarten, würden bei ehrlicher Abstimmung gegen den Gesammt-
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