Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Max hatte aber doch recht -- Diane langweilt sich, dieser Brief scheint ihr ex¬
travagant -- sie hat noch kein Atelier gesehen und sie lockt eine Jugendfreundin
uiid in die Falle. Die beiden Frauen treten ein und die Gräfin de Lys be¬
schwichtigt mit Mühe die Gewissenscrupel ihrer Freundin -- diese will an diesem
gefährlichen Orte nicht länger weilen und Diane beschließt, Max ein Briefchen
zu hinterlassen, in welchem sie ihn bittet, ihr das wichtige Geheimniß, das er ihr
zu sagen hat, bei ihr zu eröffnen. Es war der Gräfin nicht eingefallen, dies
gleich' zu thun, obgleich dies doch am natürlichsten gewesen wäre. Diane sucht
Papier -- sie sucht es im Schranke des Malers und findet daselbst Liebesbriefe, die
sie ohne sich viel zu geniren liest -- sie sieht auf dem Schreibtische einen angefangenen
Brief des Malers an seine Mutter. Sie liest ihn auch. Sie öffnet noch einen
Kasten und findet darin Fraueukleider, die Kleider von Mlle. Aurora, Modell und
Maitresse des Herrn Paul Aubry; sie beschaut diese, wie sie alles mustert mit
der "Gewissenhaftigkeit französischer Pvlizeiagenten". Die' grande Dame,
die Frau von Erziehung, lohnt auf diese Weise die Gastfreundschaft deS
Malers. Endlich kommt Max, die Freundin verbirgt sich und Diane erfährt
das Geheimniß. Max ist verliebt in sie. Er wird ausgelacht und geht wie er
gekommen. Nun wollen die beiden Damen sich auch entfernen.- Die Gräfin
hat ihre Handschuhe verlegt. Sie findet Handschuhe vou Mlle. Aurora und will
diese anziehen; sie sind zu klein! Die Maitresse von Paul Aubry soll eine klei¬
nere Hand haben, als die Gräfin de Lys! -- DaS kann die Eitelkeit Dianens
nicht ertragen; sie zieht einen Ring vom Finger, der allein den Handschuh ver¬
hindert, groß genug zu sein. Er paßt endlich. Die Damen gehen und in der
Eile wird der Ring vergessen. Paul Aubry und sein Freund, der Bildhauer,
Taupin, kommen Nach Hause und der Vorhang fällt. Der Bildhauer Taupin
ist die'komische Episode des Stücks; er hat das Unglück gehabt, sein Modell
zu heirathen und flieht diesen Hausdamon so oft er kann. Er erzählt uns seine
Geschichte, läßt die neugierige Salonwelt einen Blick in das geheime Treiben
der künstlerischen Boheme thun und hat seine Aufgabe gelöst. Sonst hat er mit
dem Stücke Nichts gemein. Die Geschichte seiner Ehe und seiner Trennung vou
Madame Taupin ist allerdings drollig nud amüsant und der Franzose verzeiht
um diesen Preis mehr als eine dramatische Sünde.

Im zweiten Akt geht der Graf aufs Land; er nimmt mit kalter, imperti¬
nenter Höflichkeit Abschied von seiner Frau. Der Herzog von Olivas, ein ganz
junger Mann, benutzt diese sehr verständliche Ehestaudsscene, um seinen oft ge¬
schehenen Antrag zu erneuern. Die Gräfin zeigt ihm ihr Verzeichnis), er ist der
hnndertachtunddreißigste ans der Liste. Diane sucht ihn zu trösten und sich zu
entschuldigen, sie erzählt ihm von der Liebe Maxens. Auch dieser liebte sie un-
endlich ----sie hat ihn vor acht Tagen um einen kleinen Liebesdienst ge¬
beten und bis zur Stunde uoch keine Antwort bekommen. Der Herzog bittet,


Max hatte aber doch recht — Diane langweilt sich, dieser Brief scheint ihr ex¬
travagant — sie hat noch kein Atelier gesehen und sie lockt eine Jugendfreundin
uiid in die Falle. Die beiden Frauen treten ein und die Gräfin de Lys be¬
schwichtigt mit Mühe die Gewissenscrupel ihrer Freundin — diese will an diesem
gefährlichen Orte nicht länger weilen und Diane beschließt, Max ein Briefchen
zu hinterlassen, in welchem sie ihn bittet, ihr das wichtige Geheimniß, das er ihr
zu sagen hat, bei ihr zu eröffnen. Es war der Gräfin nicht eingefallen, dies
gleich' zu thun, obgleich dies doch am natürlichsten gewesen wäre. Diane sucht
Papier — sie sucht es im Schranke des Malers und findet daselbst Liebesbriefe, die
sie ohne sich viel zu geniren liest — sie sieht auf dem Schreibtische einen angefangenen
Brief des Malers an seine Mutter. Sie liest ihn auch. Sie öffnet noch einen
Kasten und findet darin Fraueukleider, die Kleider von Mlle. Aurora, Modell und
Maitresse des Herrn Paul Aubry; sie beschaut diese, wie sie alles mustert mit
der „Gewissenhaftigkeit französischer Pvlizeiagenten". Die' grande Dame,
die Frau von Erziehung, lohnt auf diese Weise die Gastfreundschaft deS
Malers. Endlich kommt Max, die Freundin verbirgt sich und Diane erfährt
das Geheimniß. Max ist verliebt in sie. Er wird ausgelacht und geht wie er
gekommen. Nun wollen die beiden Damen sich auch entfernen.- Die Gräfin
hat ihre Handschuhe verlegt. Sie findet Handschuhe vou Mlle. Aurora und will
diese anziehen; sie sind zu klein! Die Maitresse von Paul Aubry soll eine klei¬
nere Hand haben, als die Gräfin de Lys! — DaS kann die Eitelkeit Dianens
nicht ertragen; sie zieht einen Ring vom Finger, der allein den Handschuh ver¬
hindert, groß genug zu sein. Er paßt endlich. Die Damen gehen und in der
Eile wird der Ring vergessen. Paul Aubry und sein Freund, der Bildhauer,
Taupin, kommen Nach Hause und der Vorhang fällt. Der Bildhauer Taupin
ist die'komische Episode des Stücks; er hat das Unglück gehabt, sein Modell
zu heirathen und flieht diesen Hausdamon so oft er kann. Er erzählt uns seine
Geschichte, läßt die neugierige Salonwelt einen Blick in das geheime Treiben
der künstlerischen Boheme thun und hat seine Aufgabe gelöst. Sonst hat er mit
dem Stücke Nichts gemein. Die Geschichte seiner Ehe und seiner Trennung vou
Madame Taupin ist allerdings drollig nud amüsant und der Franzose verzeiht
um diesen Preis mehr als eine dramatische Sünde.

Im zweiten Akt geht der Graf aufs Land; er nimmt mit kalter, imperti¬
nenter Höflichkeit Abschied von seiner Frau. Der Herzog von Olivas, ein ganz
junger Mann, benutzt diese sehr verständliche Ehestaudsscene, um seinen oft ge¬
schehenen Antrag zu erneuern. Die Gräfin zeigt ihm ihr Verzeichnis), er ist der
hnndertachtunddreißigste ans der Liste. Diane sucht ihn zu trösten und sich zu
entschuldigen, sie erzählt ihm von der Liebe Maxens. Auch dieser liebte sie un-
endlich —--sie hat ihn vor acht Tagen um einen kleinen Liebesdienst ge¬
beten und bis zur Stunde uoch keine Antwort bekommen. Der Herzog bittet,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0502" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97207"/>
          <p xml:id="ID_1471" prev="#ID_1470"> Max hatte aber doch recht &#x2014; Diane langweilt sich, dieser Brief scheint ihr ex¬<lb/>
travagant &#x2014; sie hat noch kein Atelier gesehen und sie lockt eine Jugendfreundin<lb/>
uiid in die Falle. Die beiden Frauen treten ein und die Gräfin de Lys be¬<lb/>
schwichtigt mit Mühe die Gewissenscrupel ihrer Freundin &#x2014; diese will an diesem<lb/>
gefährlichen Orte nicht länger weilen und Diane beschließt, Max ein Briefchen<lb/>
zu hinterlassen, in welchem sie ihn bittet, ihr das wichtige Geheimniß, das er ihr<lb/>
zu sagen hat, bei ihr zu eröffnen. Es war der Gräfin nicht eingefallen, dies<lb/>
gleich' zu thun, obgleich dies doch am natürlichsten gewesen wäre. Diane sucht<lb/>
Papier &#x2014; sie sucht es im Schranke des Malers und findet daselbst Liebesbriefe, die<lb/>
sie ohne sich viel zu geniren liest &#x2014; sie sieht auf dem Schreibtische einen angefangenen<lb/>
Brief des Malers an seine Mutter. Sie liest ihn auch. Sie öffnet noch einen<lb/>
Kasten und findet darin Fraueukleider, die Kleider von Mlle. Aurora, Modell und<lb/>
Maitresse des Herrn Paul Aubry; sie beschaut diese, wie sie alles mustert mit<lb/>
der &#x201E;Gewissenhaftigkeit französischer Pvlizeiagenten". Die' grande Dame,<lb/>
die Frau von Erziehung, lohnt auf diese Weise die Gastfreundschaft deS<lb/>
Malers. Endlich kommt Max, die Freundin verbirgt sich und Diane erfährt<lb/>
das Geheimniß. Max ist verliebt in sie. Er wird ausgelacht und geht wie er<lb/>
gekommen. Nun wollen die beiden Damen sich auch entfernen.- Die Gräfin<lb/>
hat ihre Handschuhe verlegt. Sie findet Handschuhe vou Mlle. Aurora und will<lb/>
diese anziehen; sie sind zu klein! Die Maitresse von Paul Aubry soll eine klei¬<lb/>
nere Hand haben, als die Gräfin de Lys! &#x2014; DaS kann die Eitelkeit Dianens<lb/>
nicht ertragen; sie zieht einen Ring vom Finger, der allein den Handschuh ver¬<lb/>
hindert, groß genug zu sein. Er paßt endlich. Die Damen gehen und in der<lb/>
Eile wird der Ring vergessen. Paul Aubry und sein Freund, der Bildhauer,<lb/>
Taupin, kommen Nach Hause und der Vorhang fällt. Der Bildhauer Taupin<lb/>
ist die'komische Episode des Stücks; er hat das Unglück gehabt, sein Modell<lb/>
zu heirathen und flieht diesen Hausdamon so oft er kann. Er erzählt uns seine<lb/>
Geschichte, läßt die neugierige Salonwelt einen Blick in das geheime Treiben<lb/>
der künstlerischen Boheme thun und hat seine Aufgabe gelöst. Sonst hat er mit<lb/>
dem Stücke Nichts gemein. Die Geschichte seiner Ehe und seiner Trennung vou<lb/>
Madame Taupin ist allerdings drollig nud amüsant und der Franzose verzeiht<lb/>
um diesen Preis mehr als eine dramatische Sünde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1472" next="#ID_1473"> Im zweiten Akt geht der Graf aufs Land; er nimmt mit kalter, imperti¬<lb/>
nenter Höflichkeit Abschied von seiner Frau. Der Herzog von Olivas, ein ganz<lb/>
junger Mann, benutzt diese sehr verständliche Ehestaudsscene, um seinen oft ge¬<lb/>
schehenen Antrag zu erneuern. Die Gräfin zeigt ihm ihr Verzeichnis), er ist der<lb/>
hnndertachtunddreißigste ans der Liste. Diane sucht ihn zu trösten und sich zu<lb/>
entschuldigen, sie erzählt ihm von der Liebe Maxens. Auch dieser liebte sie un-<lb/>
endlich &#x2014;--sie hat ihn vor acht Tagen um einen kleinen Liebesdienst ge¬<lb/>
beten und bis zur Stunde uoch keine Antwort bekommen.  Der Herzog bittet,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0502] Max hatte aber doch recht — Diane langweilt sich, dieser Brief scheint ihr ex¬ travagant — sie hat noch kein Atelier gesehen und sie lockt eine Jugendfreundin uiid in die Falle. Die beiden Frauen treten ein und die Gräfin de Lys be¬ schwichtigt mit Mühe die Gewissenscrupel ihrer Freundin — diese will an diesem gefährlichen Orte nicht länger weilen und Diane beschließt, Max ein Briefchen zu hinterlassen, in welchem sie ihn bittet, ihr das wichtige Geheimniß, das er ihr zu sagen hat, bei ihr zu eröffnen. Es war der Gräfin nicht eingefallen, dies gleich' zu thun, obgleich dies doch am natürlichsten gewesen wäre. Diane sucht Papier — sie sucht es im Schranke des Malers und findet daselbst Liebesbriefe, die sie ohne sich viel zu geniren liest — sie sieht auf dem Schreibtische einen angefangenen Brief des Malers an seine Mutter. Sie liest ihn auch. Sie öffnet noch einen Kasten und findet darin Fraueukleider, die Kleider von Mlle. Aurora, Modell und Maitresse des Herrn Paul Aubry; sie beschaut diese, wie sie alles mustert mit der „Gewissenhaftigkeit französischer Pvlizeiagenten". Die' grande Dame, die Frau von Erziehung, lohnt auf diese Weise die Gastfreundschaft deS Malers. Endlich kommt Max, die Freundin verbirgt sich und Diane erfährt das Geheimniß. Max ist verliebt in sie. Er wird ausgelacht und geht wie er gekommen. Nun wollen die beiden Damen sich auch entfernen.- Die Gräfin hat ihre Handschuhe verlegt. Sie findet Handschuhe vou Mlle. Aurora und will diese anziehen; sie sind zu klein! Die Maitresse von Paul Aubry soll eine klei¬ nere Hand haben, als die Gräfin de Lys! — DaS kann die Eitelkeit Dianens nicht ertragen; sie zieht einen Ring vom Finger, der allein den Handschuh ver¬ hindert, groß genug zu sein. Er paßt endlich. Die Damen gehen und in der Eile wird der Ring vergessen. Paul Aubry und sein Freund, der Bildhauer, Taupin, kommen Nach Hause und der Vorhang fällt. Der Bildhauer Taupin ist die'komische Episode des Stücks; er hat das Unglück gehabt, sein Modell zu heirathen und flieht diesen Hausdamon so oft er kann. Er erzählt uns seine Geschichte, läßt die neugierige Salonwelt einen Blick in das geheime Treiben der künstlerischen Boheme thun und hat seine Aufgabe gelöst. Sonst hat er mit dem Stücke Nichts gemein. Die Geschichte seiner Ehe und seiner Trennung vou Madame Taupin ist allerdings drollig nud amüsant und der Franzose verzeiht um diesen Preis mehr als eine dramatische Sünde. Im zweiten Akt geht der Graf aufs Land; er nimmt mit kalter, imperti¬ nenter Höflichkeit Abschied von seiner Frau. Der Herzog von Olivas, ein ganz junger Mann, benutzt diese sehr verständliche Ehestaudsscene, um seinen oft ge¬ schehenen Antrag zu erneuern. Die Gräfin zeigt ihm ihr Verzeichnis), er ist der hnndertachtunddreißigste ans der Liste. Diane sucht ihn zu trösten und sich zu entschuldigen, sie erzählt ihm von der Liebe Maxens. Auch dieser liebte sie un- endlich —--sie hat ihn vor acht Tagen um einen kleinen Liebesdienst ge¬ beten und bis zur Stunde uoch keine Antwort bekommen. Der Herzog bittet,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/502
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/502>, abgerufen am 06.02.2025.