Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.und Hausmärchen nach. Es ist dergleichen schon früher -vorgekommen. Nebenbei sei Andersens sämmtliche Werke. Originalausgabe des Verfassers. Leipzig, und Hausmärchen nach. Es ist dergleichen schon früher -vorgekommen. Nebenbei sei Andersens sämmtliche Werke. Originalausgabe des Verfassers. Leipzig, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97192"/> <p xml:id="ID_1437" prev="#ID_1436"> und Hausmärchen nach. Es ist dergleichen schon früher -vorgekommen. Nebenbei sei<lb/> noch bemerkt, daß jede neue Lieferung einen größeren Reichthum an ausgezogenen Schrift¬<lb/> stellern und größere Virtuosität in der Behandlung der einzelnen Wörter zeigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1438"> Andersens sämmtliche Werke. Originalausgabe des Verfassers. Leipzig,<lb/> Lorck. 7. und 8. Band. — Wir haben das Erscheinen des ö. und 6. Bandes vor<lb/> einigen Wochen angezeigt. Mit dem 7. und 8. Band ist um die Gesammtausgabe<lb/> geschlossen. Der siebente Band enthält die dramatischen Versuche: eine spanische<lb/> Tragödie „Rafaella" und ein romantisches Drama: „Der Mulatte", beide in fünf<lb/> Acten und als vollständige Theaterstücke ausgeführt. Die Energie, womit der wahre<lb/> Dramatiker die Ereignisse zusammendrängt, um sie zu einer großen Katastrophe zu<lb/> führen, und die sich nothwendigerweise auch in der Kraft der Charakteristik gel-<lb/> tend machen muß, besitzt Andersen nicht in hohem Grade. Er ist stets geneigt, die<lb/> Härte seiner Charaktere durch sentimentale Motive abzuschwächen und die dramatische<lb/> Spannung lyrisch zu verflüchtigen. Nebenbei hat er den Fehler, in den sast alle däni¬<lb/> schen Dramatiker fallen, daß er leicht aus dem Stil fällt und sich in Genremalerei<lb/> verliert. Man merkt es immer heraus, daß man eigentlich eine» Novellisten vor sich<lb/> hat. Aber der freie poetische Sinn und die humane Bildung macht sich auch hier gel¬<lb/> tend, man wird wenigstens nie durch Rohheiten verletzt, obgleich der Inhalt des zweiten<lb/> Stückes, die traurigen Zustände der Negersclaverei, vielfältig dazu Veranlassung gäbe.<lb/> — Die drei andern Stücke: „Agnete", „die Glücksblume" und „Ahasverus", machen<lb/> keinen Anspruch auf dramatischen Zusammenhang. Es sind phantastische, märchenhafte<lb/> Schattenspiele, sehr zart und sinnig ausgeführt, nur ohne rechte Gestalt, eine Erweite¬<lb/> rung, aber auch eine Auflösung der alten Romanze. Das schwächste nnter den dreien<lb/> ist wol die Behandlung des ewigen Juden, weil Andersen hier ganz aus seiner Sphäre<lb/> 'heraustritt und auf deutsche Art über das Universum und die überirdische Welt zu<lb/> Philosophiren unternimmt. Den Schluß des Bandes machen die lyrischen Gedichte, alle<lb/> voll tieser Gemüthlichkeit und warmer Phantasie, einzelne darunter auch in der Form<lb/> vollendet. Zum Theil sind sie schon durch unsere Komponisten bei uns so geläufig ge¬<lb/> worden, daß man sie mit zur deutschen Literatur rechnen könnte. — Im letzten Bande<lb/> finden wir die „Neiseschatten", sehr artige Schilderungen aus Deutschland, ser"'r die<lb/> „Reisebeschreibung durch Schweden" und die Selbstbiographie des Dichters, der er den<lb/> bezeichnenden Titel, „das Märchen meines Lebens" gegeben hat. Wenn in der letzteren<lb/> auch hin und wieder das Wohlgefallen an feiner poetischen Thätigkeit und an der<lb/> Freude und Achtung, die ihm die Menschen deswegen bezeugen, zuweilen über die Gren¬<lb/> zen des reinen Geschmacks hinausgeht, so spricht sich doch in dem Ganzen eine so<lb/> harmlose Natur und ein so liebenswürdiges Gemüth aus, daß man dem Dichter sein<lb/> Interesse nicht versagen kann, umsoweniger, da ein solches Wohlgefallen von der Poesie<lb/> des Details, der Andersen angehört, durchaus nicht zu trennen ist, da es ihr erst die<lb/> Berechtigung gibt. — So.liegt nun diese gefällige und höchst wohlfeile Ausgabe (die<lb/> sämmtlichen 8 Bände kosten ö^/, Thlr., da doch jeder Band eine ganz außerordentliche<lb/> Masse Stoff enthält) geschlossen vor uns. Sie wird dem Dichter in Deutschland neue<lb/> Freunde erwerben, und ein wenn anch bescheidenes, doch sehr heilsames Moment unserer<lb/> Literatur bilden, weil der Dichter durchaus daraus ausgeht, den Menschen Freude an<lb/> der Welt einzuflößen, während unsere modernste Literatur fast überall das Gegentheil<lb/> bezweckt.,—</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
und Hausmärchen nach. Es ist dergleichen schon früher -vorgekommen. Nebenbei sei
noch bemerkt, daß jede neue Lieferung einen größeren Reichthum an ausgezogenen Schrift¬
stellern und größere Virtuosität in der Behandlung der einzelnen Wörter zeigt.
Andersens sämmtliche Werke. Originalausgabe des Verfassers. Leipzig,
Lorck. 7. und 8. Band. — Wir haben das Erscheinen des ö. und 6. Bandes vor
einigen Wochen angezeigt. Mit dem 7. und 8. Band ist um die Gesammtausgabe
geschlossen. Der siebente Band enthält die dramatischen Versuche: eine spanische
Tragödie „Rafaella" und ein romantisches Drama: „Der Mulatte", beide in fünf
Acten und als vollständige Theaterstücke ausgeführt. Die Energie, womit der wahre
Dramatiker die Ereignisse zusammendrängt, um sie zu einer großen Katastrophe zu
führen, und die sich nothwendigerweise auch in der Kraft der Charakteristik gel-
tend machen muß, besitzt Andersen nicht in hohem Grade. Er ist stets geneigt, die
Härte seiner Charaktere durch sentimentale Motive abzuschwächen und die dramatische
Spannung lyrisch zu verflüchtigen. Nebenbei hat er den Fehler, in den sast alle däni¬
schen Dramatiker fallen, daß er leicht aus dem Stil fällt und sich in Genremalerei
verliert. Man merkt es immer heraus, daß man eigentlich eine» Novellisten vor sich
hat. Aber der freie poetische Sinn und die humane Bildung macht sich auch hier gel¬
tend, man wird wenigstens nie durch Rohheiten verletzt, obgleich der Inhalt des zweiten
Stückes, die traurigen Zustände der Negersclaverei, vielfältig dazu Veranlassung gäbe.
— Die drei andern Stücke: „Agnete", „die Glücksblume" und „Ahasverus", machen
keinen Anspruch auf dramatischen Zusammenhang. Es sind phantastische, märchenhafte
Schattenspiele, sehr zart und sinnig ausgeführt, nur ohne rechte Gestalt, eine Erweite¬
rung, aber auch eine Auflösung der alten Romanze. Das schwächste nnter den dreien
ist wol die Behandlung des ewigen Juden, weil Andersen hier ganz aus seiner Sphäre
'heraustritt und auf deutsche Art über das Universum und die überirdische Welt zu
Philosophiren unternimmt. Den Schluß des Bandes machen die lyrischen Gedichte, alle
voll tieser Gemüthlichkeit und warmer Phantasie, einzelne darunter auch in der Form
vollendet. Zum Theil sind sie schon durch unsere Komponisten bei uns so geläufig ge¬
worden, daß man sie mit zur deutschen Literatur rechnen könnte. — Im letzten Bande
finden wir die „Neiseschatten", sehr artige Schilderungen aus Deutschland, ser"'r die
„Reisebeschreibung durch Schweden" und die Selbstbiographie des Dichters, der er den
bezeichnenden Titel, „das Märchen meines Lebens" gegeben hat. Wenn in der letzteren
auch hin und wieder das Wohlgefallen an feiner poetischen Thätigkeit und an der
Freude und Achtung, die ihm die Menschen deswegen bezeugen, zuweilen über die Gren¬
zen des reinen Geschmacks hinausgeht, so spricht sich doch in dem Ganzen eine so
harmlose Natur und ein so liebenswürdiges Gemüth aus, daß man dem Dichter sein
Interesse nicht versagen kann, umsoweniger, da ein solches Wohlgefallen von der Poesie
des Details, der Andersen angehört, durchaus nicht zu trennen ist, da es ihr erst die
Berechtigung gibt. — So.liegt nun diese gefällige und höchst wohlfeile Ausgabe (die
sämmtlichen 8 Bände kosten ö^/, Thlr., da doch jeder Band eine ganz außerordentliche
Masse Stoff enthält) geschlossen vor uns. Sie wird dem Dichter in Deutschland neue
Freunde erwerben, und ein wenn anch bescheidenes, doch sehr heilsames Moment unserer
Literatur bilden, weil der Dichter durchaus daraus ausgeht, den Menschen Freude an
der Welt einzuflößen, während unsere modernste Literatur fast überall das Gegentheil
bezweckt.,—
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