Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.teressen und Bedürfnissen dieser Mächte einrichten muß, und diese gcinz selbst¬ Vor einigen Tagen brachte die Times einige Betrachtungen über die mili¬ teressen und Bedürfnissen dieser Mächte einrichten muß, und diese gcinz selbst¬ Vor einigen Tagen brachte die Times einige Betrachtungen über die mili¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97175"/> <p xml:id="ID_1393" prev="#ID_1392"> teressen und Bedürfnissen dieser Mächte einrichten muß, und diese gcinz selbst¬<lb/> verständliche Forderung findet man naiverweise höchst perfid. Sie begeht das<lb/> große Unrecht, brennende Tagesfragen ohne Illusion zu besprechen, und verdirbt<lb/> es daher mit allen Enthusiasten, die in der politischen Debatte immer am lau¬<lb/> testen gehört werden. Sie hat allerdings einmal von einer Theilung der Türkei<lb/> gesprochen, und spricht heute für ihre Integrität Rußland gegenüber, aber man<lb/> kann ihr deshalb nicht den Vorwurf der Inconsequenz mache». Als während<lb/> der ersten Anfänge der orientalischen Frage 'Lord Rüssel im Parlament einmal<lb/> ungefähr äußerte, er sehe mit Bangen der Zeit entgegen, wo die europäische<lb/> Staatskunst steh mit den aus dem Zerfallen des türkischen Reiches entstehenden<lb/> Fragen werde beschäftigen müssen, rügte die Times allerdings diese eines<lb/> Staatsmannes unwürdige Aeußerung, und zeigte, daß eben weil die gegenwär¬<lb/> tige Schwäche der Türkei die Hauptursache der den Friede» und das politische<lb/> Gleichgewicht Europas drohenden Gefahr sei, man bei Zeiten darauf denken<lb/> müßte, wie man ein Solideres Staatsgebäude an ihre Stelle setze» könnte. Wenn<lb/> sie dann für eine nicht sehr entlegene Zukunft die Möglichkeit der Begründung<lb/> eines unabhängigen illyrische» Föderativstaaats dedncirt, der freilich ohne den<lb/> Sturz der Suprematie der 1 Million Türken über 12 Millionen Nichttürken in<lb/> Europa uicht zu deuten ist, so muß es ihr doch unbenommen bleiben, heute, wo<lb/> die Gefahr für Europa nicht in der Fortdauer der Herrschaft der Türke», son¬<lb/> dern in der unmäßige» Ausdehnung der Macht Rußlands liegt, zuvörderst gegen<lb/> letzteres aufzutreten, dessen Ansprüche außerdem alle Grundsätze des Völkerrechts<lb/> auf den Kopf stellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1394" next="#ID_1395"> Vor einigen Tagen brachte die Times einige Betrachtungen über die mili¬<lb/> tärische Lage Rußlands, im Fall das schwarze Meer von einer feindlichen Flotte<lb/> beherrscht würde, und kommt zu dem Schluß, daß diese Thatsache doch entschei¬<lb/> dender auf den Ausgang des Krieges wirken würde, als man russtscherseits zu¬<lb/> geben will. Allerdings ist der Ausfuhrhandel des südlichen Rußlands hauptsäch¬<lb/> lich in ausländischen Händen, aber unter seiner Stockung würden weniger die den<lb/> Austausch vermittelnden Handelshäuser, als die Producenten leiden, d. h. die<lb/> ganze ländliche Bevölkerung in dem ungeheuern Bassin ,des Dniester, Bug und<lb/> Dnieper, die ganz von dem Getreideabsatz im Auslande abhängt. Odessa wäre<lb/> eine leichte Beute des Feindes, Sebastvpol könnte wenigstens blockirt werden, das<lb/> Arsenal Nikolajeff, die Werfte zu Cherson, deren Befestigungen im Vertraue» auf<lb/> die Sperre der Dardanellen sehr vernachlässigt sind, wären jedem Augriffe aus¬<lb/> gesetzt. Die Krim ist fast vertheidigungslos, und die zum Entsatz geschickten<lb/> Truppen müssen erst weite Steppen durcheilen; die Städte am asowsche» Meere<lb/> sind blos durch die schwierige und enge Einfahrt geschützt. Die ganze Ostküste<lb/> des schwarzen Meeres ist nur durch eine Reihe kleiner Forts gedeckt, u»d wird<lb/> im Rücken beständig von den Tscherkessen bedroht. So kann ein Flotte von Dampfern,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
teressen und Bedürfnissen dieser Mächte einrichten muß, und diese gcinz selbst¬
verständliche Forderung findet man naiverweise höchst perfid. Sie begeht das
große Unrecht, brennende Tagesfragen ohne Illusion zu besprechen, und verdirbt
es daher mit allen Enthusiasten, die in der politischen Debatte immer am lau¬
testen gehört werden. Sie hat allerdings einmal von einer Theilung der Türkei
gesprochen, und spricht heute für ihre Integrität Rußland gegenüber, aber man
kann ihr deshalb nicht den Vorwurf der Inconsequenz mache». Als während
der ersten Anfänge der orientalischen Frage 'Lord Rüssel im Parlament einmal
ungefähr äußerte, er sehe mit Bangen der Zeit entgegen, wo die europäische
Staatskunst steh mit den aus dem Zerfallen des türkischen Reiches entstehenden
Fragen werde beschäftigen müssen, rügte die Times allerdings diese eines
Staatsmannes unwürdige Aeußerung, und zeigte, daß eben weil die gegenwär¬
tige Schwäche der Türkei die Hauptursache der den Friede» und das politische
Gleichgewicht Europas drohenden Gefahr sei, man bei Zeiten darauf denken
müßte, wie man ein Solideres Staatsgebäude an ihre Stelle setze» könnte. Wenn
sie dann für eine nicht sehr entlegene Zukunft die Möglichkeit der Begründung
eines unabhängigen illyrische» Föderativstaaats dedncirt, der freilich ohne den
Sturz der Suprematie der 1 Million Türken über 12 Millionen Nichttürken in
Europa uicht zu deuten ist, so muß es ihr doch unbenommen bleiben, heute, wo
die Gefahr für Europa nicht in der Fortdauer der Herrschaft der Türke», son¬
dern in der unmäßige» Ausdehnung der Macht Rußlands liegt, zuvörderst gegen
letzteres aufzutreten, dessen Ansprüche außerdem alle Grundsätze des Völkerrechts
auf den Kopf stellen.
Vor einigen Tagen brachte die Times einige Betrachtungen über die mili¬
tärische Lage Rußlands, im Fall das schwarze Meer von einer feindlichen Flotte
beherrscht würde, und kommt zu dem Schluß, daß diese Thatsache doch entschei¬
dender auf den Ausgang des Krieges wirken würde, als man russtscherseits zu¬
geben will. Allerdings ist der Ausfuhrhandel des südlichen Rußlands hauptsäch¬
lich in ausländischen Händen, aber unter seiner Stockung würden weniger die den
Austausch vermittelnden Handelshäuser, als die Producenten leiden, d. h. die
ganze ländliche Bevölkerung in dem ungeheuern Bassin ,des Dniester, Bug und
Dnieper, die ganz von dem Getreideabsatz im Auslande abhängt. Odessa wäre
eine leichte Beute des Feindes, Sebastvpol könnte wenigstens blockirt werden, das
Arsenal Nikolajeff, die Werfte zu Cherson, deren Befestigungen im Vertraue» auf
die Sperre der Dardanellen sehr vernachlässigt sind, wären jedem Augriffe aus¬
gesetzt. Die Krim ist fast vertheidigungslos, und die zum Entsatz geschickten
Truppen müssen erst weite Steppen durcheilen; die Städte am asowsche» Meere
sind blos durch die schwierige und enge Einfahrt geschützt. Die ganze Ostküste
des schwarzen Meeres ist nur durch eine Reihe kleiner Forts gedeckt, u»d wird
im Rücken beständig von den Tscherkessen bedroht. So kann ein Flotte von Dampfern,
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