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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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zwanzig verschiedene Abbildungen von Dir umher, da dann verglichen und zuletzt
das Scbbersche für das beste angesprochen wird." In der That macht das
Porträt den entschiedenen Eindruck einer individuellen Wahrheit und Treue vor
dem typischen, mitunter carricaturartigen der meisten. Bilder Göthes. Allein es
stellt den Greis dar, und zwar nach einer kaum überstandenen Krankheit, von der
ein Zug des Leidens und der Mattigkeit zurückgeblieben ist. So lieb uns daher
auch dieses Bild ist, so wünschte man ihn doch nicht allein so dargestellt zu sehen,
und es wäre mit Dank anzuerkennen, wenn von Göthe noch ein Bild ans der
Zeit seiner vollen Manneskraft geliefert würde -- sofern sich ein geeignetes
Originalbild aufbringen läßt. Das große Gemälde in ganzer Figur, welches
Tischbein in Rom ausführte, von dem Göthe erzählt, und das jetzt im Besitz
des Hrn. v. Rothschild in Frankfurt sich befindet, ist sehr schön und interessant,
und man darf dasselbe nicht nach der durch Stahlstich und Lithographie ver¬
breiteten kleinen Copie beurtheile", allein Costüm nud Umgebung, auf welche die
Wirkung des Gemäldes berechnet ist, bieten eine große Schwierigkeit dar, da>
doch die Vereinigung in eine Sammlung eine gewisse Uebereinstimmung in der
Behandlung der Porträts verlangt.

Eine gewisse Reduction ist allerdings mit dem Porträt Winke'lmauns vor¬
genommen, welches nach dem Gemälde von Marou, dem Schwager Mengs,
gestochen ist, schöner als je vorher. Der befremdliche Eindruck, welche" der Pelz
und besonders das um den Kopf gewundene Tuch hervorbringen, wird dem Ge¬
mälde gegenüber sehr gemildert. Es ist ein Kniestück in Lebensgröße; Winkel¬
mann ist dargestellt wie er, umgeben von Kunstwerken, an seiner Kunstgeschichte
schreibt; durch die gcnreartige Auffassung wird auch seine Haustracht, die uns
auch sonst überliefert ist, der Schlaspelz und das seidene Kopftuch motivirt, und das
weibische Ansehen, welches der bloße Kopf erhalten hat und das zu Mittelmanns
Charakter sowenig paßt, macht sich dort nicht geltend. Uebrigens stimmt ein
von Mengs gemaltes Porträt Winkelmanns, welches von Senff gestochen ist, mit
dem Marvnschen, das in der Weimarschen Bibliothek sich befindet, bis auf einen
gewissen Grad überein, während ein vou Angelika Kaufmann 1764 gemaltes,
dessen Mittelmann selbst lobend erwähnt, und das sich jetzt in der Städelschen
Sammlung in Frankfurt befindet, ganz und gar davon abweicht.

Am wenigsten genügend scheint das Origiualporträt Jean Pauls gewesen
zu sein, dessen Bild ohne Schuld des Kupferstechers etwas Leeres und Flaches
hat; sollte dies Schicksal ein Bild der Sammlung treffen, kann mau immer noch
zufrieden sein, daß eS dieses wär. Auch das Porträt Schellin gs ist nicht ganz
gelungen. Es ist nach einem Oelgemälde Stielers gestochen, welcher meistens,
wie man es gewöhnlich nennt, idealisirt, d. h. den individuellen Charakter ver¬
wischt und zu einer sentimentalen Weichlichkeit abglättet, was grade zu den der¬
ben Gestchtsformen und dem determinirten Ausdruck Schellings gar nicht paßt.


Grenzboten., IV. -I8S3. 68

zwanzig verschiedene Abbildungen von Dir umher, da dann verglichen und zuletzt
das Scbbersche für das beste angesprochen wird." In der That macht das
Porträt den entschiedenen Eindruck einer individuellen Wahrheit und Treue vor
dem typischen, mitunter carricaturartigen der meisten. Bilder Göthes. Allein es
stellt den Greis dar, und zwar nach einer kaum überstandenen Krankheit, von der
ein Zug des Leidens und der Mattigkeit zurückgeblieben ist. So lieb uns daher
auch dieses Bild ist, so wünschte man ihn doch nicht allein so dargestellt zu sehen,
und es wäre mit Dank anzuerkennen, wenn von Göthe noch ein Bild ans der
Zeit seiner vollen Manneskraft geliefert würde — sofern sich ein geeignetes
Originalbild aufbringen läßt. Das große Gemälde in ganzer Figur, welches
Tischbein in Rom ausführte, von dem Göthe erzählt, und das jetzt im Besitz
des Hrn. v. Rothschild in Frankfurt sich befindet, ist sehr schön und interessant,
und man darf dasselbe nicht nach der durch Stahlstich und Lithographie ver¬
breiteten kleinen Copie beurtheile», allein Costüm nud Umgebung, auf welche die
Wirkung des Gemäldes berechnet ist, bieten eine große Schwierigkeit dar, da>
doch die Vereinigung in eine Sammlung eine gewisse Uebereinstimmung in der
Behandlung der Porträts verlangt.

Eine gewisse Reduction ist allerdings mit dem Porträt Winke'lmauns vor¬
genommen, welches nach dem Gemälde von Marou, dem Schwager Mengs,
gestochen ist, schöner als je vorher. Der befremdliche Eindruck, welche» der Pelz
und besonders das um den Kopf gewundene Tuch hervorbringen, wird dem Ge¬
mälde gegenüber sehr gemildert. Es ist ein Kniestück in Lebensgröße; Winkel¬
mann ist dargestellt wie er, umgeben von Kunstwerken, an seiner Kunstgeschichte
schreibt; durch die gcnreartige Auffassung wird auch seine Haustracht, die uns
auch sonst überliefert ist, der Schlaspelz und das seidene Kopftuch motivirt, und das
weibische Ansehen, welches der bloße Kopf erhalten hat und das zu Mittelmanns
Charakter sowenig paßt, macht sich dort nicht geltend. Uebrigens stimmt ein
von Mengs gemaltes Porträt Winkelmanns, welches von Senff gestochen ist, mit
dem Marvnschen, das in der Weimarschen Bibliothek sich befindet, bis auf einen
gewissen Grad überein, während ein vou Angelika Kaufmann 1764 gemaltes,
dessen Mittelmann selbst lobend erwähnt, und das sich jetzt in der Städelschen
Sammlung in Frankfurt befindet, ganz und gar davon abweicht.

Am wenigsten genügend scheint das Origiualporträt Jean Pauls gewesen
zu sein, dessen Bild ohne Schuld des Kupferstechers etwas Leeres und Flaches
hat; sollte dies Schicksal ein Bild der Sammlung treffen, kann mau immer noch
zufrieden sein, daß eS dieses wär. Auch das Porträt Schellin gs ist nicht ganz
gelungen. Es ist nach einem Oelgemälde Stielers gestochen, welcher meistens,
wie man es gewöhnlich nennt, idealisirt, d. h. den individuellen Charakter ver¬
wischt und zu einer sentimentalen Weichlichkeit abglättet, was grade zu den der¬
ben Gestchtsformen und dem determinirten Ausdruck Schellings gar nicht paßt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/465>, abgerufen am 06.02.2025.