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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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feindlichen Armee erkannte, und unter ihnen ganz deutlich Napoleon Bonaparte
selbst. Er ging den übrigen ig --S0 Schritte voraus, nur von einem Mar¬
schall begleitet (nach unseren Vermuthungen war es Engen Beauharnais), mit
dem er sich fast eine Stunde lang unterhielt und dabei auf- und abging, denn er
war vom Pferde gestiegen. Ich befand mich bei einer vorgeschobenen Batterie
vor der Fronte unserer Stellung und konnte ihn ganz deutlich sehen. Er trug
einen einfachen Uniformrock mit einem Stern und einen einfachen Hut, verschie¬
den von denen seiner Marschälle und Generale, die mit Federn eingefaßt waren;
sein Aussehen und sein Wesen glich den von ihm erschienenen Porträts so voll¬
kommen, daß ein Irrthum nicht möglich war. Er schien mit seinem Begleiter
sich über einen gleichgültigen Gegenstand zu unterhalten und blickte sehr selten
nach unserer Stellung, die er jedoch vou seinem Standpunkte aus vollkommen
übersehen konnte." Später dem Hauptquartier Blüchers beigegeben, machte Löwe
an dessen Seite den ganzen Feldzug bis zur Eroberung von Paris mit und
wohnte der Schlacht von Möckern und Leipzig, von Brienne, La Nvthiöre,
Champaubert, Mery, Craonne, Laon, Före Champenoise und Paris bei. "Wäh¬
rend dieser Feldzüge", sagt er in einer seiner Depeschen, "hatte ich meinen vollen
Theil militärischer Verantwortlichkeit zu tragen, ungerechnet, daß ich allen gewöhn¬
lichen Kriegsgefahren ausgesetzt war; ich war beständig in der Umgebung des
Marschalls Blücher, war einmal dabei, als er verwundet wurde, ein anderes Mal
als ein Ordonanzkosack neben ihm siel, und zweimal, wo er mit genauer Noth
der Gefangenschaft entging und sich mit seinem ganzen Gefolge durch eine feind¬
liche Abtheilung durchschlagen mußte, an demselben Tage, wo er Napoleon sast
auf dieselbe Weise gefangen genommen hätte. " Wie sehr Loach militärische
Tüchtigkeit und sein ehrenwerther Charakter vou Männern wie Blücher und
Gneisenau anerkannt wurde, beweisen die Briefe, die in Forsyths Buch abgedruckt
sind und auf die wir den Leser verweisen müssen, da ihre Länge uns nicht er¬
laubt, sie hier mitzutheilen. Beim Wiederausbruch des Krieges war Löwe an¬
fangs zum Generalstabschef Wellingtons ernannt, erhielt aber später als General¬
major ein selbstständiges Commando im südlichen Frankreich, mit dem er gemein¬
schaftlich mit Admiral Exmouth Toulon einnahm. Von hier aus wurde er nach
London berufen, um die Statthalterschaft von Se. Helena und die Obhut über
die Person Napoleon Bonapartes zu übernehmen. Dies war der Mann, den
Napoleon einen Hauptmann corsischer marodirender Deserteure, einen sicilianischen
Henker, einen Mann, der nie mit Ehrenmännern zu thun gehabt, nannte. Daß
Napoleon nicht ans Unwissenheit so sprach, wissen wir aus Las Cafes Munde,
welcher in seiner Beschwerdeschrift über den Statthalter schreibt: "Wir sagten
uns (bei der Nachricht von Sir Hudson Lowes Ernennung): Eine Person erhält
den Befehl auf dieser Insel, die einen hohen Rang in der Armee hat; sie ver¬
dankt ihre Stellung persönlichen Verdiensten; sie ist in diplomatischen Sendungen


feindlichen Armee erkannte, und unter ihnen ganz deutlich Napoleon Bonaparte
selbst. Er ging den übrigen ig —S0 Schritte voraus, nur von einem Mar¬
schall begleitet (nach unseren Vermuthungen war es Engen Beauharnais), mit
dem er sich fast eine Stunde lang unterhielt und dabei auf- und abging, denn er
war vom Pferde gestiegen. Ich befand mich bei einer vorgeschobenen Batterie
vor der Fronte unserer Stellung und konnte ihn ganz deutlich sehen. Er trug
einen einfachen Uniformrock mit einem Stern und einen einfachen Hut, verschie¬
den von denen seiner Marschälle und Generale, die mit Federn eingefaßt waren;
sein Aussehen und sein Wesen glich den von ihm erschienenen Porträts so voll¬
kommen, daß ein Irrthum nicht möglich war. Er schien mit seinem Begleiter
sich über einen gleichgültigen Gegenstand zu unterhalten und blickte sehr selten
nach unserer Stellung, die er jedoch vou seinem Standpunkte aus vollkommen
übersehen konnte." Später dem Hauptquartier Blüchers beigegeben, machte Löwe
an dessen Seite den ganzen Feldzug bis zur Eroberung von Paris mit und
wohnte der Schlacht von Möckern und Leipzig, von Brienne, La Nvthiöre,
Champaubert, Mery, Craonne, Laon, Före Champenoise und Paris bei. „Wäh¬
rend dieser Feldzüge", sagt er in einer seiner Depeschen, „hatte ich meinen vollen
Theil militärischer Verantwortlichkeit zu tragen, ungerechnet, daß ich allen gewöhn¬
lichen Kriegsgefahren ausgesetzt war; ich war beständig in der Umgebung des
Marschalls Blücher, war einmal dabei, als er verwundet wurde, ein anderes Mal
als ein Ordonanzkosack neben ihm siel, und zweimal, wo er mit genauer Noth
der Gefangenschaft entging und sich mit seinem ganzen Gefolge durch eine feind¬
liche Abtheilung durchschlagen mußte, an demselben Tage, wo er Napoleon sast
auf dieselbe Weise gefangen genommen hätte. " Wie sehr Loach militärische
Tüchtigkeit und sein ehrenwerther Charakter vou Männern wie Blücher und
Gneisenau anerkannt wurde, beweisen die Briefe, die in Forsyths Buch abgedruckt
sind und auf die wir den Leser verweisen müssen, da ihre Länge uns nicht er¬
laubt, sie hier mitzutheilen. Beim Wiederausbruch des Krieges war Löwe an¬
fangs zum Generalstabschef Wellingtons ernannt, erhielt aber später als General¬
major ein selbstständiges Commando im südlichen Frankreich, mit dem er gemein¬
schaftlich mit Admiral Exmouth Toulon einnahm. Von hier aus wurde er nach
London berufen, um die Statthalterschaft von Se. Helena und die Obhut über
die Person Napoleon Bonapartes zu übernehmen. Dies war der Mann, den
Napoleon einen Hauptmann corsischer marodirender Deserteure, einen sicilianischen
Henker, einen Mann, der nie mit Ehrenmännern zu thun gehabt, nannte. Daß
Napoleon nicht ans Unwissenheit so sprach, wissen wir aus Las Cafes Munde,
welcher in seiner Beschwerdeschrift über den Statthalter schreibt: „Wir sagten
uns (bei der Nachricht von Sir Hudson Lowes Ernennung): Eine Person erhält
den Befehl auf dieser Insel, die einen hohen Rang in der Armee hat; sie ver¬
dankt ihre Stellung persönlichen Verdiensten; sie ist in diplomatischen Sendungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/431>, abgerufen am 06.02.2025.