Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht weniger als 36 Personen) mit daß die Insel sehr wenig Hilfsquellen darbietet,
und alle Lebensmittel, die zum Theil erst vom Cap kommen müssen, ausnehmend
theuer sind. Der Statthalter sah sich daher genöthigt, über seine Jnstructionen
Hinanszugehen, und ans eigene Verantwortlichkeit die Summe auf 12,000 Pfd.
zu erhöhen. Was mau in Longwovd mehr brauchte, sollte Napoleon selbst aus
den bedeutenden , Capitalien, die er eingestandnermaßen bei mehren großen
Bankierhäusern in London und Amsterdam niedergelegt, durch offene Tratten decken.
Napoleon faud diese" Vorschlag annehmbar, aber nur unter der Bedingung, daß
man ihm erlaubte, seiue Briefe versiegelt und ohne sie erst dem Statthalter vor¬
zulegen, nach Europa zu schicken. Es war offenbar, daß er sich ans diese Weise
nur einen Weg zu eröffnen versuchte, sich mit seinen Anhängern in Enropa in
Verbindung zu setzen, und ihre Bewegungen zu seinen Gunsten zu leiten, und es
wäre thöricht gewesen, eine so gefährliche Erlaubniß zu ertheilen. Nun entschloß sich
Napoleon sein Silberzeug zu verkaufen, um durch diesen auffälligen Schritt ganz
Europa zum Mitleid zu reizen, und durch den dadurch erregten Skandal die
Regierung einzuschüchtern und zu zwingen, auf seinen Vorschlag einzugehen. An
wirkliche Noth war nicht zu denken, wie schon daraus hervorgeht, daß später,
wo nur noch 28 Personen zu versorgen waren, vierteljährlich über 900 Flaschen
feiner und 2500--2600 gewöhnlicher Tischwein (Cap, Teneriffa u. s. w.), serner
82 Pfd. Fleisch und 6 Stück Hühner (oder ein Dutzend größeres Geflügel, wie
Truthühner, Gänse, Enten alle 14 Tage) nach Longwood geliefert wurden. Na¬
poleon lebte für seine Person äußerst mäßig, Bertrand und Montholon hielten
aber jeder besonders Haus, und von ihrer Lebensweise gibt folgender Brief
O'Mearas an Mr. Finlaison, den er in seiner "Stimme aus Se. Helena"'frei¬
lich nicht mittheilt, einen Begriff. "Sie kennen wahrscheinlich nicht die Lebens¬
weise der Franzosen und ihre Kochwcise; eigentlich haben sie zwei Diners täg¬
lich, eins um -II oder 12 Uhr, wo Braten und Kochfleisch mit allen ihren
verschiedenen Hachis, Ragouts, Fricassvs ze. mit Weinen und Liqueurs servirt
werden, und ein zweites um '8 Uhr Abends, welches sich von dem ersten nur
durch die größere Anzahl Gerichte unterscheidet. Außer diesen beiden Mahlzeiten
essen sie alle (außer Bonaparte selbst, der nur zweimal des Tages, aber gewiß
sehr reichlich ißt) eine Art englisches Frühstück im Bett zwischen 8--9 Uhr, und
ein Nachfrühstück mit Wein um 4 oder S Uhr Nachmittags. Die gewöhnliche
Anstedt, daß die Engländer viel mehr Fleisch äßen, als die Franzosen, ist ganz
unrichtig; ich bin überzeugt, daß sie mit ihren beiden Diners und ihrem Nach¬
frühstück drei oder viermal soviel Fleisch verzehren, als eine englische Familie
von derselben Anzahl Personen. Diese beiden Diners, von denen das erste-je¬
dem besonders in seinem Zimmer servirt wird, verursachen einen großen Verbrauch
von Fleisch und Wein, während ihre Art, die Speisen zu bereiten, sehr viel
Oel oder Butter erfordert -- welche beide hier auf der Insel ausnehmend theuer


nicht weniger als 36 Personen) mit daß die Insel sehr wenig Hilfsquellen darbietet,
und alle Lebensmittel, die zum Theil erst vom Cap kommen müssen, ausnehmend
theuer sind. Der Statthalter sah sich daher genöthigt, über seine Jnstructionen
Hinanszugehen, und ans eigene Verantwortlichkeit die Summe auf 12,000 Pfd.
zu erhöhen. Was mau in Longwovd mehr brauchte, sollte Napoleon selbst aus
den bedeutenden , Capitalien, die er eingestandnermaßen bei mehren großen
Bankierhäusern in London und Amsterdam niedergelegt, durch offene Tratten decken.
Napoleon faud diese» Vorschlag annehmbar, aber nur unter der Bedingung, daß
man ihm erlaubte, seiue Briefe versiegelt und ohne sie erst dem Statthalter vor¬
zulegen, nach Europa zu schicken. Es war offenbar, daß er sich ans diese Weise
nur einen Weg zu eröffnen versuchte, sich mit seinen Anhängern in Enropa in
Verbindung zu setzen, und ihre Bewegungen zu seinen Gunsten zu leiten, und es
wäre thöricht gewesen, eine so gefährliche Erlaubniß zu ertheilen. Nun entschloß sich
Napoleon sein Silberzeug zu verkaufen, um durch diesen auffälligen Schritt ganz
Europa zum Mitleid zu reizen, und durch den dadurch erregten Skandal die
Regierung einzuschüchtern und zu zwingen, auf seinen Vorschlag einzugehen. An
wirkliche Noth war nicht zu denken, wie schon daraus hervorgeht, daß später,
wo nur noch 28 Personen zu versorgen waren, vierteljährlich über 900 Flaschen
feiner und 2500—2600 gewöhnlicher Tischwein (Cap, Teneriffa u. s. w.), serner
82 Pfd. Fleisch und 6 Stück Hühner (oder ein Dutzend größeres Geflügel, wie
Truthühner, Gänse, Enten alle 14 Tage) nach Longwood geliefert wurden. Na¬
poleon lebte für seine Person äußerst mäßig, Bertrand und Montholon hielten
aber jeder besonders Haus, und von ihrer Lebensweise gibt folgender Brief
O'Mearas an Mr. Finlaison, den er in seiner „Stimme aus Se. Helena"'frei¬
lich nicht mittheilt, einen Begriff. „Sie kennen wahrscheinlich nicht die Lebens¬
weise der Franzosen und ihre Kochwcise; eigentlich haben sie zwei Diners täg¬
lich, eins um -II oder 12 Uhr, wo Braten und Kochfleisch mit allen ihren
verschiedenen Hachis, Ragouts, Fricassvs ze. mit Weinen und Liqueurs servirt
werden, und ein zweites um '8 Uhr Abends, welches sich von dem ersten nur
durch die größere Anzahl Gerichte unterscheidet. Außer diesen beiden Mahlzeiten
essen sie alle (außer Bonaparte selbst, der nur zweimal des Tages, aber gewiß
sehr reichlich ißt) eine Art englisches Frühstück im Bett zwischen 8—9 Uhr, und
ein Nachfrühstück mit Wein um 4 oder S Uhr Nachmittags. Die gewöhnliche
Anstedt, daß die Engländer viel mehr Fleisch äßen, als die Franzosen, ist ganz
unrichtig; ich bin überzeugt, daß sie mit ihren beiden Diners und ihrem Nach¬
frühstück drei oder viermal soviel Fleisch verzehren, als eine englische Familie
von derselben Anzahl Personen. Diese beiden Diners, von denen das erste-je¬
dem besonders in seinem Zimmer servirt wird, verursachen einen großen Verbrauch
von Fleisch und Wein, während ihre Art, die Speisen zu bereiten, sehr viel
Oel oder Butter erfordert — welche beide hier auf der Insel ausnehmend theuer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97134"/>
          <p xml:id="ID_1286" prev="#ID_1285" next="#ID_1287"> nicht weniger als 36 Personen) mit daß die Insel sehr wenig Hilfsquellen darbietet,<lb/>
und alle Lebensmittel, die zum Theil erst vom Cap kommen müssen, ausnehmend<lb/>
theuer sind. Der Statthalter sah sich daher genöthigt, über seine Jnstructionen<lb/>
Hinanszugehen, und ans eigene Verantwortlichkeit die Summe auf 12,000 Pfd.<lb/>
zu erhöhen. Was mau in Longwovd mehr brauchte, sollte Napoleon selbst aus<lb/>
den bedeutenden , Capitalien, die er eingestandnermaßen bei mehren großen<lb/>
Bankierhäusern in London und Amsterdam niedergelegt, durch offene Tratten decken.<lb/>
Napoleon faud diese» Vorschlag annehmbar, aber nur unter der Bedingung, daß<lb/>
man ihm erlaubte, seiue Briefe versiegelt und ohne sie erst dem Statthalter vor¬<lb/>
zulegen, nach Europa zu schicken. Es war offenbar, daß er sich ans diese Weise<lb/>
nur einen Weg zu eröffnen versuchte, sich mit seinen Anhängern in Enropa in<lb/>
Verbindung zu setzen, und ihre Bewegungen zu seinen Gunsten zu leiten, und es<lb/>
wäre thöricht gewesen, eine so gefährliche Erlaubniß zu ertheilen. Nun entschloß sich<lb/>
Napoleon sein Silberzeug zu verkaufen, um durch diesen auffälligen Schritt ganz<lb/>
Europa zum Mitleid zu reizen, und durch den dadurch erregten Skandal die<lb/>
Regierung einzuschüchtern und zu zwingen, auf seinen Vorschlag einzugehen. An<lb/>
wirkliche Noth war nicht zu denken, wie schon daraus hervorgeht, daß später,<lb/>
wo nur noch 28 Personen zu versorgen waren, vierteljährlich über 900 Flaschen<lb/>
feiner und 2500&#x2014;2600 gewöhnlicher Tischwein (Cap, Teneriffa u. s. w.), serner<lb/>
82 Pfd. Fleisch und 6 Stück Hühner (oder ein Dutzend größeres Geflügel, wie<lb/>
Truthühner, Gänse, Enten alle 14 Tage) nach Longwood geliefert wurden. Na¬<lb/>
poleon lebte für seine Person äußerst mäßig, Bertrand und Montholon hielten<lb/>
aber jeder besonders Haus, und von ihrer Lebensweise gibt folgender Brief<lb/>
O'Mearas an Mr. Finlaison, den er in seiner &#x201E;Stimme aus Se. Helena"'frei¬<lb/>
lich nicht mittheilt, einen Begriff. &#x201E;Sie kennen wahrscheinlich nicht die Lebens¬<lb/>
weise der Franzosen und ihre Kochwcise; eigentlich haben sie zwei Diners täg¬<lb/>
lich, eins um -II oder 12 Uhr, wo Braten und Kochfleisch mit allen ihren<lb/>
verschiedenen Hachis, Ragouts, Fricassvs ze. mit Weinen und Liqueurs servirt<lb/>
werden, und ein zweites um '8 Uhr Abends, welches sich von dem ersten nur<lb/>
durch die größere Anzahl Gerichte unterscheidet. Außer diesen beiden Mahlzeiten<lb/>
essen sie alle (außer Bonaparte selbst, der nur zweimal des Tages, aber gewiß<lb/>
sehr reichlich ißt) eine Art englisches Frühstück im Bett zwischen 8&#x2014;9 Uhr, und<lb/>
ein Nachfrühstück mit Wein um 4 oder S Uhr Nachmittags. Die gewöhnliche<lb/>
Anstedt, daß die Engländer viel mehr Fleisch äßen, als die Franzosen, ist ganz<lb/>
unrichtig; ich bin überzeugt, daß sie mit ihren beiden Diners und ihrem Nach¬<lb/>
frühstück drei oder viermal soviel Fleisch verzehren, als eine englische Familie<lb/>
von derselben Anzahl Personen. Diese beiden Diners, von denen das erste-je¬<lb/>
dem besonders in seinem Zimmer servirt wird, verursachen einen großen Verbrauch<lb/>
von Fleisch und Wein, während ihre Art, die Speisen zu bereiten, sehr viel<lb/>
Oel oder Butter erfordert &#x2014; welche beide hier auf der Insel ausnehmend theuer</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0429] nicht weniger als 36 Personen) mit daß die Insel sehr wenig Hilfsquellen darbietet, und alle Lebensmittel, die zum Theil erst vom Cap kommen müssen, ausnehmend theuer sind. Der Statthalter sah sich daher genöthigt, über seine Jnstructionen Hinanszugehen, und ans eigene Verantwortlichkeit die Summe auf 12,000 Pfd. zu erhöhen. Was mau in Longwovd mehr brauchte, sollte Napoleon selbst aus den bedeutenden , Capitalien, die er eingestandnermaßen bei mehren großen Bankierhäusern in London und Amsterdam niedergelegt, durch offene Tratten decken. Napoleon faud diese» Vorschlag annehmbar, aber nur unter der Bedingung, daß man ihm erlaubte, seiue Briefe versiegelt und ohne sie erst dem Statthalter vor¬ zulegen, nach Europa zu schicken. Es war offenbar, daß er sich ans diese Weise nur einen Weg zu eröffnen versuchte, sich mit seinen Anhängern in Enropa in Verbindung zu setzen, und ihre Bewegungen zu seinen Gunsten zu leiten, und es wäre thöricht gewesen, eine so gefährliche Erlaubniß zu ertheilen. Nun entschloß sich Napoleon sein Silberzeug zu verkaufen, um durch diesen auffälligen Schritt ganz Europa zum Mitleid zu reizen, und durch den dadurch erregten Skandal die Regierung einzuschüchtern und zu zwingen, auf seinen Vorschlag einzugehen. An wirkliche Noth war nicht zu denken, wie schon daraus hervorgeht, daß später, wo nur noch 28 Personen zu versorgen waren, vierteljährlich über 900 Flaschen feiner und 2500—2600 gewöhnlicher Tischwein (Cap, Teneriffa u. s. w.), serner 82 Pfd. Fleisch und 6 Stück Hühner (oder ein Dutzend größeres Geflügel, wie Truthühner, Gänse, Enten alle 14 Tage) nach Longwood geliefert wurden. Na¬ poleon lebte für seine Person äußerst mäßig, Bertrand und Montholon hielten aber jeder besonders Haus, und von ihrer Lebensweise gibt folgender Brief O'Mearas an Mr. Finlaison, den er in seiner „Stimme aus Se. Helena"'frei¬ lich nicht mittheilt, einen Begriff. „Sie kennen wahrscheinlich nicht die Lebens¬ weise der Franzosen und ihre Kochwcise; eigentlich haben sie zwei Diners täg¬ lich, eins um -II oder 12 Uhr, wo Braten und Kochfleisch mit allen ihren verschiedenen Hachis, Ragouts, Fricassvs ze. mit Weinen und Liqueurs servirt werden, und ein zweites um '8 Uhr Abends, welches sich von dem ersten nur durch die größere Anzahl Gerichte unterscheidet. Außer diesen beiden Mahlzeiten essen sie alle (außer Bonaparte selbst, der nur zweimal des Tages, aber gewiß sehr reichlich ißt) eine Art englisches Frühstück im Bett zwischen 8—9 Uhr, und ein Nachfrühstück mit Wein um 4 oder S Uhr Nachmittags. Die gewöhnliche Anstedt, daß die Engländer viel mehr Fleisch äßen, als die Franzosen, ist ganz unrichtig; ich bin überzeugt, daß sie mit ihren beiden Diners und ihrem Nach¬ frühstück drei oder viermal soviel Fleisch verzehren, als eine englische Familie von derselben Anzahl Personen. Diese beiden Diners, von denen das erste-je¬ dem besonders in seinem Zimmer servirt wird, verursachen einen großen Verbrauch von Fleisch und Wein, während ihre Art, die Speisen zu bereiten, sehr viel Oel oder Butter erfordert — welche beide hier auf der Insel ausnehmend theuer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/429
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/429>, abgerufen am 06.02.2025.