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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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keine Wohnung, die eines Mannes in Napoleons Stellung, würdig war, obgleich
sie durch die Wohnung des Statthalters die beste auf der ganzen Insel war;
aber es lag gar nicht in der Absicht der englischen Regierung, Napoleon Loug-
wood als dauernden Aufenthalt anzuweisen. Kurz nach der Ankunft des Exkaisers
ans der Insel wurden ihm Pläne vorgelegt, um das neue Haus ganz nach seinen
Wünschen einzurichten, und es wurden mit großen Kosten die Baumaterialien dazu
ans England herübergeschafft. Anstatt aber seine Willensmeinung über die ihm
vorgelegten Pläne auszusprechen, zog es Napoleon vor, sich über den Kaisertitel
Und kleinliche Etikettenfragen zu streiten, nud als endlich der Statthalter, anßer
Stande eine Antwort zu erhalten, das Haus nach dem eingereichte" Plane baute,
beschwerte sich Napoleon, daß mau ihn nicht nach seinen Wünschen gefragt hatte!
Selbst das eiserne Gitter, mit dem Man den Garten des neuen Hauses umgab,
legte er als eine Beleidigung aus, und beschwerte sich bitter, daß mau ihn in
einen eisernen Käfig sperren, wollte!

Napoleon hatte einen Nayon von 12 englischen Meilen im Umkreis, in dem
er ohne von Schildwachen oder beobachtender Begleitung gestört zu werde", sich
in aller Freiheit bewegen konnte. Aber weil man ihm nicht erlaubte, auf der
übrigen Insel ohne Begleitung eines Ordouanzofsiziers frei herumzureiten, sperrte
er sich lieber oft ganze Monate lang in sein Hans und seinen Garten ein, und
beschwerte sich dann, mau morde ihn langsam hin, indem man ihm nicht erlaube,
sich die zur Erhaltung seiner Gesundheit nothwendige Bewegung zu machen!
Planmäßig wies er jeden Versuch, ihm eine Aufmerksamkeit zu erweisen oder eine
Erleichterung z"> verschaffen, mit Verachtung und oft mit beleidigenden Ausdrücken
zurück, wenn er nicht die von ihm vorgeschriebene Form annahm, welche mei¬
stens mir darauf berechnet war, die Aufsicht, welche die Negierung zur Sicherung
ihres Gefangenen für nothwendig hielt, illusorisch zu machen.

Eine der effectvvllsten Stellen in Las Cafes Buche ist die Erzählung, wie er
eines Morgens nach einem Bissen Brot verlangt, um seinen Hunger zu stillen,
er aber zur Antwort erhalten, es sei keines für ihn da. So habe man ihm selbst
Speise und Trank verweigert, und um das Fehlende anzuschaffen, ließ Napoleon
nach und nach sein Silberzeug zerschlagen und dasselbe in Jamestown verkaufen.
Wenn mau die Thatsachen näher prüft, nehmen sie freilich ein ganz anderes An¬
sehen an. Als Sir Hudson Löwe auf Se. Helena ankam, fand er, daß sich die
Ausgaben für den Hans halt auf Se. Helena auf die enorme Summe vou 1i bis
-13,000 Pfd. Sterling jährlich beliefen, die ganz ans das englische Budget kam.
Das Parlament hatte nur 8000 Pfd. bewilligt, und es wurde daher eine der
ersten Pflichten des Statthalters, die Haushaltnngsausgabe in die vorgeschriebenen
Grenzen zurückzuführen. Dies wurde ausnehmend durch den Umstand erschwert,
daß die Regierung in ihrem Anschlag ans ein viel weniger zahlreiches Gefolge
gerechnet hatte, als Napoleon wirklich nach Longwovd begleitete (es bestand aus


keine Wohnung, die eines Mannes in Napoleons Stellung, würdig war, obgleich
sie durch die Wohnung des Statthalters die beste auf der ganzen Insel war;
aber es lag gar nicht in der Absicht der englischen Regierung, Napoleon Loug-
wood als dauernden Aufenthalt anzuweisen. Kurz nach der Ankunft des Exkaisers
ans der Insel wurden ihm Pläne vorgelegt, um das neue Haus ganz nach seinen
Wünschen einzurichten, und es wurden mit großen Kosten die Baumaterialien dazu
ans England herübergeschafft. Anstatt aber seine Willensmeinung über die ihm
vorgelegten Pläne auszusprechen, zog es Napoleon vor, sich über den Kaisertitel
Und kleinliche Etikettenfragen zu streiten, nud als endlich der Statthalter, anßer
Stande eine Antwort zu erhalten, das Haus nach dem eingereichte» Plane baute,
beschwerte sich Napoleon, daß mau ihn nicht nach seinen Wünschen gefragt hatte!
Selbst das eiserne Gitter, mit dem Man den Garten des neuen Hauses umgab,
legte er als eine Beleidigung aus, und beschwerte sich bitter, daß mau ihn in
einen eisernen Käfig sperren, wollte!

Napoleon hatte einen Nayon von 12 englischen Meilen im Umkreis, in dem
er ohne von Schildwachen oder beobachtender Begleitung gestört zu werde», sich
in aller Freiheit bewegen konnte. Aber weil man ihm nicht erlaubte, auf der
übrigen Insel ohne Begleitung eines Ordouanzofsiziers frei herumzureiten, sperrte
er sich lieber oft ganze Monate lang in sein Hans und seinen Garten ein, und
beschwerte sich dann, mau morde ihn langsam hin, indem man ihm nicht erlaube,
sich die zur Erhaltung seiner Gesundheit nothwendige Bewegung zu machen!
Planmäßig wies er jeden Versuch, ihm eine Aufmerksamkeit zu erweisen oder eine
Erleichterung z»> verschaffen, mit Verachtung und oft mit beleidigenden Ausdrücken
zurück, wenn er nicht die von ihm vorgeschriebene Form annahm, welche mei¬
stens mir darauf berechnet war, die Aufsicht, welche die Negierung zur Sicherung
ihres Gefangenen für nothwendig hielt, illusorisch zu machen.

Eine der effectvvllsten Stellen in Las Cafes Buche ist die Erzählung, wie er
eines Morgens nach einem Bissen Brot verlangt, um seinen Hunger zu stillen,
er aber zur Antwort erhalten, es sei keines für ihn da. So habe man ihm selbst
Speise und Trank verweigert, und um das Fehlende anzuschaffen, ließ Napoleon
nach und nach sein Silberzeug zerschlagen und dasselbe in Jamestown verkaufen.
Wenn mau die Thatsachen näher prüft, nehmen sie freilich ein ganz anderes An¬
sehen an. Als Sir Hudson Löwe auf Se. Helena ankam, fand er, daß sich die
Ausgaben für den Hans halt auf Se. Helena auf die enorme Summe vou 1i bis
-13,000 Pfd. Sterling jährlich beliefen, die ganz ans das englische Budget kam.
Das Parlament hatte nur 8000 Pfd. bewilligt, und es wurde daher eine der
ersten Pflichten des Statthalters, die Haushaltnngsausgabe in die vorgeschriebenen
Grenzen zurückzuführen. Dies wurde ausnehmend durch den Umstand erschwert,
daß die Regierung in ihrem Anschlag ans ein viel weniger zahlreiches Gefolge
gerechnet hatte, als Napoleon wirklich nach Longwovd begleitete (es bestand aus


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[0428] keine Wohnung, die eines Mannes in Napoleons Stellung, würdig war, obgleich sie durch die Wohnung des Statthalters die beste auf der ganzen Insel war; aber es lag gar nicht in der Absicht der englischen Regierung, Napoleon Loug- wood als dauernden Aufenthalt anzuweisen. Kurz nach der Ankunft des Exkaisers ans der Insel wurden ihm Pläne vorgelegt, um das neue Haus ganz nach seinen Wünschen einzurichten, und es wurden mit großen Kosten die Baumaterialien dazu ans England herübergeschafft. Anstatt aber seine Willensmeinung über die ihm vorgelegten Pläne auszusprechen, zog es Napoleon vor, sich über den Kaisertitel Und kleinliche Etikettenfragen zu streiten, nud als endlich der Statthalter, anßer Stande eine Antwort zu erhalten, das Haus nach dem eingereichte» Plane baute, beschwerte sich Napoleon, daß mau ihn nicht nach seinen Wünschen gefragt hatte! Selbst das eiserne Gitter, mit dem Man den Garten des neuen Hauses umgab, legte er als eine Beleidigung aus, und beschwerte sich bitter, daß mau ihn in einen eisernen Käfig sperren, wollte! Napoleon hatte einen Nayon von 12 englischen Meilen im Umkreis, in dem er ohne von Schildwachen oder beobachtender Begleitung gestört zu werde», sich in aller Freiheit bewegen konnte. Aber weil man ihm nicht erlaubte, auf der übrigen Insel ohne Begleitung eines Ordouanzofsiziers frei herumzureiten, sperrte er sich lieber oft ganze Monate lang in sein Hans und seinen Garten ein, und beschwerte sich dann, mau morde ihn langsam hin, indem man ihm nicht erlaube, sich die zur Erhaltung seiner Gesundheit nothwendige Bewegung zu machen! Planmäßig wies er jeden Versuch, ihm eine Aufmerksamkeit zu erweisen oder eine Erleichterung z»> verschaffen, mit Verachtung und oft mit beleidigenden Ausdrücken zurück, wenn er nicht die von ihm vorgeschriebene Form annahm, welche mei¬ stens mir darauf berechnet war, die Aufsicht, welche die Negierung zur Sicherung ihres Gefangenen für nothwendig hielt, illusorisch zu machen. Eine der effectvvllsten Stellen in Las Cafes Buche ist die Erzählung, wie er eines Morgens nach einem Bissen Brot verlangt, um seinen Hunger zu stillen, er aber zur Antwort erhalten, es sei keines für ihn da. So habe man ihm selbst Speise und Trank verweigert, und um das Fehlende anzuschaffen, ließ Napoleon nach und nach sein Silberzeug zerschlagen und dasselbe in Jamestown verkaufen. Wenn mau die Thatsachen näher prüft, nehmen sie freilich ein ganz anderes An¬ sehen an. Als Sir Hudson Löwe auf Se. Helena ankam, fand er, daß sich die Ausgaben für den Hans halt auf Se. Helena auf die enorme Summe vou 1i bis -13,000 Pfd. Sterling jährlich beliefen, die ganz ans das englische Budget kam. Das Parlament hatte nur 8000 Pfd. bewilligt, und es wurde daher eine der ersten Pflichten des Statthalters, die Haushaltnngsausgabe in die vorgeschriebenen Grenzen zurückzuführen. Dies wurde ausnehmend durch den Umstand erschwert, daß die Regierung in ihrem Anschlag ans ein viel weniger zahlreiches Gefolge gerechnet hatte, als Napoleon wirklich nach Longwovd begleitete (es bestand aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/428>, abgerufen am 06.02.2025.