Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.in dieser Beziehung übertroffen habe. Seine polemischen Schriften, die noch Was sich in seinen polemischen Schriften an Ideen zerstreut vorfindet, hat er Grenzboten, IV. 18öZ. 62
in dieser Beziehung übertroffen habe. Seine polemischen Schriften, die noch Was sich in seinen polemischen Schriften an Ideen zerstreut vorfindet, hat er Grenzboten, IV. 18öZ. 62
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in dieser Beziehung übertroffen habe. Seine polemischen Schriften, die noch
vielmehr an den Stil des Abraham a Santa Clara erinnern, als seine größeren
Werke, gehen alle darauf aus, die Revolution und ihre Vertreter so niedrig und klein¬
lich als möglich darzustellen. Es taucht wol hin und wieder in ihm die Vorstellung aus,
daß eine allgemeine Verbreitung der revolutionären Gesinnung ein Symptom von
einer« schweren Krankheit des Staats sein müsse, allein nur vorübergehend hängt
er diesem Gedanken nach; sehr bald sieht es wieder so aus, als ob die Revolution
ein äußerlicher, überirdischer Feind des Lebens sei, der Gott weiß von welchem
Planeten sich auf die Erde niederlasse, um das blühende Leben der Wirklichkeit
zu vernichten. Er predigt Haß und Verachtung gegen die Revolution, aber für
den kranken Staat weiß er keine andere Heilung zu finden, als Rückkehr zum
Christenthum, oder mit andern Worten, die Appellation an ein Wunder. Auch
ist sein Gemüth und seine Phantasie immer inhaltvoll genug, um bei der einen
oder andern revolutionären Erscheinung die Empfindung von etwas Großem und
Reinen zu hegen, allein eine solche Empfindung verwischt er augenblicklich gewaltsam
wie ein Brandmal des bösen Feindes. Diese Färbung findet sich in seinen sämmt¬
lichen polemischen Schriften, schon in den „Studien und Skizzen zur Natur¬
geschichte des Staats (1833)", noch mehr in den vermischten Aufsätzen im „Ber¬
liner politischen Wochenblatt", in der „evangelischen Kirchenzeitung"und im „Halle¬
schen Vvlksb.kalt", ferner in der Streitschrift gegen Diesterweg (1836), wo er
die ganze studirende Jugend als unsittlich denuncirte, in seinem „Sendschreiben
an Görres" (1838), worin er auf eine sehr zweideutige Weise in der Kölner
Frage für den Staat gegen die Kirche Partei nahm, in seiner „Polemik gegen
die Hegelingen" (1838), die dnrch die Halleschen Jahrbücher hervorgerufen wurde,
endlich in seiner „^ignaturir wmpc>rlL'° (18i9). In allen diesen Schriften finden
sich zwar zerstreute Einfälle von Geist und Gehalt, im allgemeinen aber würde
man sie schwer von den gewöhnlichen Aufsätzen der Kreuzzeitung unterscheiden.
Bei einer so reizbaren Natur wie Leo wird man wol nicht fehlgreifen, wenn
man wenigstens zum Theil persönliche Reibungen als die entscheidenden Motive
ansieht. In Halle waren die kirchlichen und politischen Gegensätze vielleicht härter
und schroffer aneinattdergedrängt, als in irgend einer deutschen Universität, und
sie gingen daher sehr bald in Persönlichkeiten über. Man kann nicht leugnen,
daß Leo durch seine persönliche Wirksamkeit auf der Universität wenigstens ebenso
schädlich eingewirkt hat, als dnrch seine Schriften; denn er wußte die Studenten
nicht nur dnrch den Witz und die Schlagfertigkeit seines Geistes, sondern auch
dnrch eine gewisse muthige Rücksichtslosigkeit zu gewinnen, die für die Jugend
immer etwas Verführerisches hat. Ueberhaupt werden wir die Nachwehen der
gegenwärtigen reactionären Bildung erst bei der heranwachsenden Generation in
ihrem ganzen Umfange wahrnehmen.
Was sich in seinen polemischen Schriften an Ideen zerstreut vorfindet, hat er
Grenzboten, IV. 18öZ. 62
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