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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Häuptlings und Achmet Pascha, Sprosse einer souveränen Familie in Kurdistan.
Am Ostende des schwarzen Meeres aber ist der vom russisch-türkischen Kampfe
neu begeisterte Kaukasus ein unmittelbarer Bundesgenosse. Da nun am östlichsten
Uferwinkel des schwarzen Meeres der asiatische Kriegsschauplatz sich entfalten wird,
so strömten hierher die aus Beirut zugezogenen Truppen (10,000 M.), vielleicht
das bestorganifirte Corps der ganzen osmanischen Heeresmacht, um die Avantgarde
der anatolischen Armee zu bilden, welche Selim Pascha als Seraskier commandirt.
(Generalstabschef: Sefik Pascha; Generale: Chnrchid Pascha -- General Guyon,
Perchat Pascha--Baron Stein, Festi Bey --Oberst Colmar, Osman Bey
Zachitzky.) Wie stark die anatolische Armee überhaupt ist, dürfte wol sehr schwer
auch nur annähernd zu bestimmen sein. Sie scheint nach den letzten Nachrichten
sogar noch nicht vollkommen formirt, da uoch immer neue Sendungen dahin abgingen.

Am schwächsten besetzt von bereits eingeübte" Truppen mag im Augenblicke wol
Konstantinopel sein. Dagegen sammeln sich dort vorzugsweise die Scharen der
Freiwilligen, von deren fortwährendem starken Zuwachs jeder neue Zeitungsbericht
selbst aus wenig türkenfrenndlichen Federn meldet. Sie equipiren sich selbst und
bilden theils Reiterabtheilungen, theils Jnfanterieregimenter. Jene bestehen na"
türlich aus den Mitgliedern der wohlhabenderen Classe, sind daher besser ausge¬
rüstet, während die Fußsoldaten allerdings Räuberscharen nicht unähnlich sein
sollen. Uebereinstimmend bezeichnet man ihren Kriegsfanatismns als maßlos,
allein vom militärischen Standpunkt sind diese Massen, welche man allmälig in
die Nähe des europäischen und asiatischen Kriegsschauplatzes vertheilt, doch weiter
nichts als rohe Recruten.

Commandant en Chef der europäischen Operationsarmee ist bekanntermaßen
Omer Pascha. Sie besetzt zunächst Bulgarien (die alte Moesta inferior), also den
Landstrich nördlich vom Balkan, hinausreichend bis zum rechten Donauufer, mit
dem bergigen Dobrndscha östlich ans schwarze Meer grenzend, im Westen durch
brih Sunda-und Stara-Plaenina-Gebirg und ein Stück der Donau von Serbien
geschieden. Die Reserve (40,000 Mann) ist südlich vom Balkan um Adrianopel
stationirt. Die allgemeine Aufstellung vom östlichen bis zum westlichen Ende Bul¬
gariens war vor Beginn des Kampfes eine staffelweise in drei Linien. Der linke
(östliche) Flügel, mit dem Hauptquatier Sofia, steht nnter Kivr Hassan Pascha;
das weiter vorgeschobene Centrum besetzte eine Linie, deren Mittelpunkt Nikopoli
ist, und wird von Ismail Pascha commandirt; der rechte, ans 30,000 Mann be¬
rechnete Flügel mit dem Hauptquartier Karassan (oder Karasn am Trajanswall)
ist Haut Pascha untergeben. Schumla war Omer Paschas ursprüngliches Haupt¬
quartier.

Viel weniger klar ist man bisher über die Truppenaufstellung der Russen in
den Donaufürstenthüniern. Nachdem früher deren Gesammtmasse auf 160,000
Mann angegeben worden war, stellt sich neuerdings unzweifelhaft heraus, daß


Häuptlings und Achmet Pascha, Sprosse einer souveränen Familie in Kurdistan.
Am Ostende des schwarzen Meeres aber ist der vom russisch-türkischen Kampfe
neu begeisterte Kaukasus ein unmittelbarer Bundesgenosse. Da nun am östlichsten
Uferwinkel des schwarzen Meeres der asiatische Kriegsschauplatz sich entfalten wird,
so strömten hierher die aus Beirut zugezogenen Truppen (10,000 M.), vielleicht
das bestorganifirte Corps der ganzen osmanischen Heeresmacht, um die Avantgarde
der anatolischen Armee zu bilden, welche Selim Pascha als Seraskier commandirt.
(Generalstabschef: Sefik Pascha; Generale: Chnrchid Pascha — General Guyon,
Perchat Pascha—Baron Stein, Festi Bey —Oberst Colmar, Osman Bey
Zachitzky.) Wie stark die anatolische Armee überhaupt ist, dürfte wol sehr schwer
auch nur annähernd zu bestimmen sein. Sie scheint nach den letzten Nachrichten
sogar noch nicht vollkommen formirt, da uoch immer neue Sendungen dahin abgingen.

Am schwächsten besetzt von bereits eingeübte» Truppen mag im Augenblicke wol
Konstantinopel sein. Dagegen sammeln sich dort vorzugsweise die Scharen der
Freiwilligen, von deren fortwährendem starken Zuwachs jeder neue Zeitungsbericht
selbst aus wenig türkenfrenndlichen Federn meldet. Sie equipiren sich selbst und
bilden theils Reiterabtheilungen, theils Jnfanterieregimenter. Jene bestehen na»
türlich aus den Mitgliedern der wohlhabenderen Classe, sind daher besser ausge¬
rüstet, während die Fußsoldaten allerdings Räuberscharen nicht unähnlich sein
sollen. Uebereinstimmend bezeichnet man ihren Kriegsfanatismns als maßlos,
allein vom militärischen Standpunkt sind diese Massen, welche man allmälig in
die Nähe des europäischen und asiatischen Kriegsschauplatzes vertheilt, doch weiter
nichts als rohe Recruten.

Commandant en Chef der europäischen Operationsarmee ist bekanntermaßen
Omer Pascha. Sie besetzt zunächst Bulgarien (die alte Moesta inferior), also den
Landstrich nördlich vom Balkan, hinausreichend bis zum rechten Donauufer, mit
dem bergigen Dobrndscha östlich ans schwarze Meer grenzend, im Westen durch
brih Sunda-und Stara-Plaenina-Gebirg und ein Stück der Donau von Serbien
geschieden. Die Reserve (40,000 Mann) ist südlich vom Balkan um Adrianopel
stationirt. Die allgemeine Aufstellung vom östlichen bis zum westlichen Ende Bul¬
gariens war vor Beginn des Kampfes eine staffelweise in drei Linien. Der linke
(östliche) Flügel, mit dem Hauptquatier Sofia, steht nnter Kivr Hassan Pascha;
das weiter vorgeschobene Centrum besetzte eine Linie, deren Mittelpunkt Nikopoli
ist, und wird von Ismail Pascha commandirt; der rechte, ans 30,000 Mann be¬
rechnete Flügel mit dem Hauptquartier Karassan (oder Karasn am Trajanswall)
ist Haut Pascha untergeben. Schumla war Omer Paschas ursprüngliches Haupt¬
quartier.

Viel weniger klar ist man bisher über die Truppenaufstellung der Russen in
den Donaufürstenthüniern. Nachdem früher deren Gesammtmasse auf 160,000
Mann angegeben worden war, stellt sich neuerdings unzweifelhaft heraus, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/400>, abgerufen am 06.02.2025.