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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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laufenden Arzte nach. Unser Maler thut ganz verwundert, und will nun seiner¬
seits den Versuch machen, da er, wie er sagt, von allen Magnetiseuren gehört
habe, daß er alle Eigenschaften besitze, großen magnetischen Einfluß zu üben.
Mau gibt ihm den Magnet in die Hand, er thut wie der Arzt gethan und siehe,
der magnetische Wirbel ihm nach eine Viertelstunde laug. Als er den Spaß
satt hatte, zeigte er dem betroffenen Arzte den Magnet ruhig auf dem Canapee
liegend. Er selbst hatte ihn unbemerkt dahin geworfen, noch ehe er den Zug in
Bewegung gesetzt. Kaum hörten die magnetistrten Herren, wie man sie zum
besten gehabt, als sie sich alle aus die Erde warfen, mit Händen und Füßen
zu zappeln begannen, sich in Convulstonen auf dem Boden hin und her wäl¬
zend. Unglückseliger, was haben Sie für Unheil gestiftet, rief der Arzt -- ge¬
schwind Anna, gib mir das Ammoniakfläschchen, daß ich die armen Leute wieder
zu sich bringe. Die Krämpfe wollten aber noch immer nicht ganz aufhören, ob¬
gleich sie sichtlich milder geworden. Da ging Anna, die Frau unseres anima¬
lischen Magnetiscurs, auf den Maler los, und indem sie ihm erklärte, daß
seiue Gegenwart die vollständige Heilung unmöglich mache, drückte sie ihm
seinen Hut in die Hand. Und doch war der Salon voll von Zuschauern, die
durch diesen Beweis noch gar nicht überzeugt wurden!--Und wie anständige, sonst
geistvolle Leute werden nicht durch diese Charlatane bethört! Mit welchem Rechte
will man dem Univers seine Freude an der Kauonistrung des heiligen Babola
verargen? Warum sollten die Pfaffen an einem solchen Volke und an einer sol¬
chen Zeit verzweifeln? Sie thun es auch nicht und ihre Macht wird mit jedem
Tage größer. Es ist unglaublich, mit welcher Unverschämtheit ihre Presse den
gefüllten Menschenverstand ins Gesicht schlägt. Sie weiß, was sie sich erlauben
darf, und daß höchstens der Charivari es wagen kann, ihr in einigen schüchter¬
nen Witzen zu antworten. Wenn es von diesen Herrn abhinge, die Autvdafis
würden längst hergestellt sein, und der Univers macht gar kein Hehl dar¬
aus, daß er große Sympathien für die Inquisition habe. Der Univers ist
für jeden Absolutismus, und solange die Republik noch gedauert, nahm der Kai¬
ser Nikolaus in seinem Herzen die erste Stelle nach dem Papste ein. Jetzt, wo
die reactionären Interessen von politischer Seite aus im zweiten December wohl
vcrhypvthecirt sind, kämpft der Univers zunächst und hauptsächlich für die religiöse
Reaction -- er schwärmt ans rührende Weise für die Freiheit Polens, und er
verspricht ihm seine Unabhängigkeit wieder. Was die katholische Partei eigent¬
lich für den neuen Schützling thun wolle, ist zwar nicht klar/ en atwnäant be¬
reichert sie dessen Kalender mit neuen Heiligen. Soweit sind die Kinder
Voltaires gekommen, daß sie vor der Zuchtruthe des Herrn Louis Veuillot ihren
Nacken beugen müssen, ohne zu muckse". Die Herren werden uus schon noch
andere Dinge erfahren lassen, n"r Geduld. Ich hörte unlängst in einer Gesell¬
schaft einen Herr", dessen Sympathien für die ultramontane Partei bekannt sind


laufenden Arzte nach. Unser Maler thut ganz verwundert, und will nun seiner¬
seits den Versuch machen, da er, wie er sagt, von allen Magnetiseuren gehört
habe, daß er alle Eigenschaften besitze, großen magnetischen Einfluß zu üben.
Mau gibt ihm den Magnet in die Hand, er thut wie der Arzt gethan und siehe,
der magnetische Wirbel ihm nach eine Viertelstunde laug. Als er den Spaß
satt hatte, zeigte er dem betroffenen Arzte den Magnet ruhig auf dem Canapee
liegend. Er selbst hatte ihn unbemerkt dahin geworfen, noch ehe er den Zug in
Bewegung gesetzt. Kaum hörten die magnetistrten Herren, wie man sie zum
besten gehabt, als sie sich alle aus die Erde warfen, mit Händen und Füßen
zu zappeln begannen, sich in Convulstonen auf dem Boden hin und her wäl¬
zend. Unglückseliger, was haben Sie für Unheil gestiftet, rief der Arzt — ge¬
schwind Anna, gib mir das Ammoniakfläschchen, daß ich die armen Leute wieder
zu sich bringe. Die Krämpfe wollten aber noch immer nicht ganz aufhören, ob¬
gleich sie sichtlich milder geworden. Da ging Anna, die Frau unseres anima¬
lischen Magnetiscurs, auf den Maler los, und indem sie ihm erklärte, daß
seiue Gegenwart die vollständige Heilung unmöglich mache, drückte sie ihm
seinen Hut in die Hand. Und doch war der Salon voll von Zuschauern, die
durch diesen Beweis noch gar nicht überzeugt wurden!—Und wie anständige, sonst
geistvolle Leute werden nicht durch diese Charlatane bethört! Mit welchem Rechte
will man dem Univers seine Freude an der Kauonistrung des heiligen Babola
verargen? Warum sollten die Pfaffen an einem solchen Volke und an einer sol¬
chen Zeit verzweifeln? Sie thun es auch nicht und ihre Macht wird mit jedem
Tage größer. Es ist unglaublich, mit welcher Unverschämtheit ihre Presse den
gefüllten Menschenverstand ins Gesicht schlägt. Sie weiß, was sie sich erlauben
darf, und daß höchstens der Charivari es wagen kann, ihr in einigen schüchter¬
nen Witzen zu antworten. Wenn es von diesen Herrn abhinge, die Autvdafis
würden längst hergestellt sein, und der Univers macht gar kein Hehl dar¬
aus, daß er große Sympathien für die Inquisition habe. Der Univers ist
für jeden Absolutismus, und solange die Republik noch gedauert, nahm der Kai¬
ser Nikolaus in seinem Herzen die erste Stelle nach dem Papste ein. Jetzt, wo
die reactionären Interessen von politischer Seite aus im zweiten December wohl
vcrhypvthecirt sind, kämpft der Univers zunächst und hauptsächlich für die religiöse
Reaction — er schwärmt ans rührende Weise für die Freiheit Polens, und er
verspricht ihm seine Unabhängigkeit wieder. Was die katholische Partei eigent¬
lich für den neuen Schützling thun wolle, ist zwar nicht klar/ en atwnäant be¬
reichert sie dessen Kalender mit neuen Heiligen. Soweit sind die Kinder
Voltaires gekommen, daß sie vor der Zuchtruthe des Herrn Louis Veuillot ihren
Nacken beugen müssen, ohne zu muckse». Die Herren werden uus schon noch
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[0396] laufenden Arzte nach. Unser Maler thut ganz verwundert, und will nun seiner¬ seits den Versuch machen, da er, wie er sagt, von allen Magnetiseuren gehört habe, daß er alle Eigenschaften besitze, großen magnetischen Einfluß zu üben. Mau gibt ihm den Magnet in die Hand, er thut wie der Arzt gethan und siehe, der magnetische Wirbel ihm nach eine Viertelstunde laug. Als er den Spaß satt hatte, zeigte er dem betroffenen Arzte den Magnet ruhig auf dem Canapee liegend. Er selbst hatte ihn unbemerkt dahin geworfen, noch ehe er den Zug in Bewegung gesetzt. Kaum hörten die magnetistrten Herren, wie man sie zum besten gehabt, als sie sich alle aus die Erde warfen, mit Händen und Füßen zu zappeln begannen, sich in Convulstonen auf dem Boden hin und her wäl¬ zend. Unglückseliger, was haben Sie für Unheil gestiftet, rief der Arzt — ge¬ schwind Anna, gib mir das Ammoniakfläschchen, daß ich die armen Leute wieder zu sich bringe. Die Krämpfe wollten aber noch immer nicht ganz aufhören, ob¬ gleich sie sichtlich milder geworden. Da ging Anna, die Frau unseres anima¬ lischen Magnetiscurs, auf den Maler los, und indem sie ihm erklärte, daß seiue Gegenwart die vollständige Heilung unmöglich mache, drückte sie ihm seinen Hut in die Hand. Und doch war der Salon voll von Zuschauern, die durch diesen Beweis noch gar nicht überzeugt wurden!—Und wie anständige, sonst geistvolle Leute werden nicht durch diese Charlatane bethört! Mit welchem Rechte will man dem Univers seine Freude an der Kauonistrung des heiligen Babola verargen? Warum sollten die Pfaffen an einem solchen Volke und an einer sol¬ chen Zeit verzweifeln? Sie thun es auch nicht und ihre Macht wird mit jedem Tage größer. Es ist unglaublich, mit welcher Unverschämtheit ihre Presse den gefüllten Menschenverstand ins Gesicht schlägt. Sie weiß, was sie sich erlauben darf, und daß höchstens der Charivari es wagen kann, ihr in einigen schüchter¬ nen Witzen zu antworten. Wenn es von diesen Herrn abhinge, die Autvdafis würden längst hergestellt sein, und der Univers macht gar kein Hehl dar¬ aus, daß er große Sympathien für die Inquisition habe. Der Univers ist für jeden Absolutismus, und solange die Republik noch gedauert, nahm der Kai¬ ser Nikolaus in seinem Herzen die erste Stelle nach dem Papste ein. Jetzt, wo die reactionären Interessen von politischer Seite aus im zweiten December wohl vcrhypvthecirt sind, kämpft der Univers zunächst und hauptsächlich für die religiöse Reaction — er schwärmt ans rührende Weise für die Freiheit Polens, und er verspricht ihm seine Unabhängigkeit wieder. Was die katholische Partei eigent¬ lich für den neuen Schützling thun wolle, ist zwar nicht klar/ en atwnäant be¬ reichert sie dessen Kalender mit neuen Heiligen. Soweit sind die Kinder Voltaires gekommen, daß sie vor der Zuchtruthe des Herrn Louis Veuillot ihren Nacken beugen müssen, ohne zu muckse». Die Herren werden uus schon noch andere Dinge erfahren lassen, n»r Geduld. Ich hörte unlängst in einer Gesell¬ schaft einen Herr», dessen Sympathien für die ultramontane Partei bekannt sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/396>, abgerufen am 06.02.2025.