Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Sein Herr war das Haupt der Pariser VidangenrS! Und ein solches Drama 49*
Sein Herr war das Haupt der Pariser VidangenrS! Und ein solches Drama 49*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97100"/> <p xml:id="ID_1200" prev="#ID_1199" next="#ID_1201"> Sein Herr war das Haupt der Pariser VidangenrS! Und ein solches Drama<lb/> wurde von einem Pariser Mysterientheatcr zurückgewiesen!! — Da wir heute ein¬<lb/> mal ans das Capitel der geheimen Industrien gekommen, so wollen wir auch<lb/> die tanzenden, klopfende», schwebenden und prophezeienden Tische nicht vergessen.<lb/> Wie zu erwarten gewesen, hat sich die cxploitirende Charlatanerie dieser Manie<lb/> bemächtigt, und die Chronique skandaleuse erzählt von Gaunerstreichen, die mit<lb/> Hilfe der citirten Geister verübt worden. Den Narren, die sich täuschen lassen,<lb/> geschieht recht, aber traurig ist, daß wir nun schon mehre Fälle von'völliger Ver¬<lb/> rücktheit infolge dieser albernen Geisterseherei aufzuweisen haben. Der Präfect<lb/> des Departement Calvados ist wahnsinnig geworden. Der ehemalige Fonrrierist<lb/> Hcnneanin ist verrückt und Delamare, der Director der Patrie, ist ein Narr ge¬<lb/> worden. Je beschränkter der Kreis der treugebliebencn Adepten ist, um so in¬<lb/> tensiver die Narrheit. Sogar die Akademie zählt Mitglieder unter den Gläubi¬<lb/> gen, und Herr de Saulcy, bekannt durch viele geistvolle Schriften, ist einer der<lb/> eifrigsten Anhänger der Tablomantie. Das ist unglaublich, aber es ist wahr.<lb/> Von einem andern Jünger dieser modernen Verdrehtheit erzählt man sich fol¬<lb/> gende komische Geschichte: Herr Jaik, der in diesem Augenblicke mit einer Ge¬<lb/> schichte des Kaisers Napoleon I. beschäftigt ist, kam auf den Gedanken, den Geist<lb/> des Kaisers zu citiren. Der Kaiser erschien auf das Commando des Tisch-<lb/> cagliostro, und gab auf alle an ihn gerichteten Fragen Bescheid. Einer der An¬<lb/> wesenden fragte den kaiserliche» Geist nach der Jahreszahl eines nicht allgemein<lb/> bekannten Ereignisses und dieser gab eine falsche an. Da sprang Herr Jaik von<lb/> seinem Stuhle auf und rief dem Tische mit einer ehrerbietigen Verneigung zu:<lb/> U-rls vrus vous trompe/ Sirel — Amado Pichvt, der Herausgeber der Revue<lb/> britannique, lud deu Geist Byrons vor; auch dieser erschien, und nachdem er<lb/> Herr» Pichot versichert, daß er ihm dessen schlechte Uebersetzung seiner Gedichte<lb/> verziehen, übersetzte er selbst ein französisches Gedicht von Herrn Pichot ins Eng¬<lb/> lische. Wenn Sie glauben, daß ich erfinde, so thun sie mir zuviel Ehre an, ich<lb/> schreibe blos ab — ich setze anch keinen Buchstaben hinzu. Es wird wol niemand<lb/> Wunder nehmen, daß diese Thorheit ähnliche Thorheiten aller Jahrhunderte wie¬<lb/> der in die Mode gebracht. Magnetisenre der verschiedensten Gattung treiben wie¬<lb/> der ihr Unwesen. So erzählte mir ein bekannter Maler, daß er, wegen einer<lb/> Unpäßlichkeit zu einem Arzte gewiesen, diesen in einem prachtvoll meublirten Sa-<lb/> lon (nie ohne diesen) mit mineralisch-animalischen Magnetismus beschäftigt ge-<lb/> s»nde». Herr Ducrvt, so heißt der Arzt, behauptet, eine Verbindung der beiden<lb/> magnetischen Fluida gefunden zu haben, und bewies dieses dadurch, daß er<lb/> ein magnetisches Hufeise» vor der Stirne des ersten einer Reihe hintereinander-<lb/> gestellter Männer mit seinem Magnete berührend, die ganze von Meuschen gebil¬<lb/> dete Kette zwinge, allen seinen Bewegungen zu folgen. Das Experiment gelang<lb/> vollkommen »ut die armen Kerle rannte» wie besessen dem im Zimmer herum-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 49*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0395]
Sein Herr war das Haupt der Pariser VidangenrS! Und ein solches Drama
wurde von einem Pariser Mysterientheatcr zurückgewiesen!! — Da wir heute ein¬
mal ans das Capitel der geheimen Industrien gekommen, so wollen wir auch
die tanzenden, klopfende», schwebenden und prophezeienden Tische nicht vergessen.
Wie zu erwarten gewesen, hat sich die cxploitirende Charlatanerie dieser Manie
bemächtigt, und die Chronique skandaleuse erzählt von Gaunerstreichen, die mit
Hilfe der citirten Geister verübt worden. Den Narren, die sich täuschen lassen,
geschieht recht, aber traurig ist, daß wir nun schon mehre Fälle von'völliger Ver¬
rücktheit infolge dieser albernen Geisterseherei aufzuweisen haben. Der Präfect
des Departement Calvados ist wahnsinnig geworden. Der ehemalige Fonrrierist
Hcnneanin ist verrückt und Delamare, der Director der Patrie, ist ein Narr ge¬
worden. Je beschränkter der Kreis der treugebliebencn Adepten ist, um so in¬
tensiver die Narrheit. Sogar die Akademie zählt Mitglieder unter den Gläubi¬
gen, und Herr de Saulcy, bekannt durch viele geistvolle Schriften, ist einer der
eifrigsten Anhänger der Tablomantie. Das ist unglaublich, aber es ist wahr.
Von einem andern Jünger dieser modernen Verdrehtheit erzählt man sich fol¬
gende komische Geschichte: Herr Jaik, der in diesem Augenblicke mit einer Ge¬
schichte des Kaisers Napoleon I. beschäftigt ist, kam auf den Gedanken, den Geist
des Kaisers zu citiren. Der Kaiser erschien auf das Commando des Tisch-
cagliostro, und gab auf alle an ihn gerichteten Fragen Bescheid. Einer der An¬
wesenden fragte den kaiserliche» Geist nach der Jahreszahl eines nicht allgemein
bekannten Ereignisses und dieser gab eine falsche an. Da sprang Herr Jaik von
seinem Stuhle auf und rief dem Tische mit einer ehrerbietigen Verneigung zu:
U-rls vrus vous trompe/ Sirel — Amado Pichvt, der Herausgeber der Revue
britannique, lud deu Geist Byrons vor; auch dieser erschien, und nachdem er
Herr» Pichot versichert, daß er ihm dessen schlechte Uebersetzung seiner Gedichte
verziehen, übersetzte er selbst ein französisches Gedicht von Herrn Pichot ins Eng¬
lische. Wenn Sie glauben, daß ich erfinde, so thun sie mir zuviel Ehre an, ich
schreibe blos ab — ich setze anch keinen Buchstaben hinzu. Es wird wol niemand
Wunder nehmen, daß diese Thorheit ähnliche Thorheiten aller Jahrhunderte wie¬
der in die Mode gebracht. Magnetisenre der verschiedensten Gattung treiben wie¬
der ihr Unwesen. So erzählte mir ein bekannter Maler, daß er, wegen einer
Unpäßlichkeit zu einem Arzte gewiesen, diesen in einem prachtvoll meublirten Sa-
lon (nie ohne diesen) mit mineralisch-animalischen Magnetismus beschäftigt ge-
s»nde». Herr Ducrvt, so heißt der Arzt, behauptet, eine Verbindung der beiden
magnetischen Fluida gefunden zu haben, und bewies dieses dadurch, daß er
ein magnetisches Hufeise» vor der Stirne des ersten einer Reihe hintereinander-
gestellter Männer mit seinem Magnete berührend, die ganze von Meuschen gebil¬
dete Kette zwinge, allen seinen Bewegungen zu folgen. Das Experiment gelang
vollkommen »ut die armen Kerle rannte» wie besessen dem im Zimmer herum-
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