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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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rann befindet sich "eben der Apotheke im unterste", also geschütztesten Naunic,
kann aber natürlich blos künstlich erhellt werden. Die Instrumente werden von
der Petersburger Fabrik geliefert, welche unter Aufsicht des bekannten Staats-
rath Dr. Pirogoss steht und die ganze Militärmacht Rußlands mit ihren Erzeug¬
nissen versorgt.

Das Offiziercorps der Marine darf man im allgemeinen als einen Zufluchts¬
ort der Zurückgesetzten, Aermeren und Protcctionslvsen betrachten. Es ist darum
nicht auffallend, daß wir auf der baltischen Flotte einer überwiegend großen Zahl
von Deutschen unter den eigentlichen Offizieren, wie unter deu Aerzten begegnen.
Vielleicht grade deshalb findet man auch eiuen stärkere" kameradschaftlichen Geist
und lebhaftere wissenschaftliche Bestrebuuge" als unter den Offizieren der Land¬
truppe", die der Generalstabe nicht ausgenommen. Dies würde nun der mari¬
timen Macht Rußlands zu größtem Vortheile gereichen, wenn die Matrosen und
Soldaten ihrer Bestimmung besser entsprächen. Aber dies ist im allgemeinen
keineswegs der Fall. Von all den nördlichen Völkerschaften, welche nach dem
auch für die Landtruppen gewöhnlichen Aushebnngsmoduö vorzugsweise die baltische
Flottenmannschaft liefern, erzeuge" fast ausschließlich die filmischen Küsten tüchtige
Seeleute. Ueberdies herrscht der seltsame Gebrauch, die zu Recruten ausgehobenen
Israeliten, nebst den zur Strafe an die Armee abgegebenen Menschen, ganz vor¬
zugsweise in die Flotte zu stecken. Der Grund mag darin zu suchen sein, daß
ihnen hier die Gelegenheit zum Desertiren erschwert ist. Aber jedermann weiß
anch, daß der Jude seinem ganzen Naturell nach am allerwenigsten zum Seedienst
taugt. Mag mau nnn gleich zugeben, daß die übrigen Bewohner des baltischen
Meeres sich unschwer ans dem Schiffe eingewöhnen, so bewährt sich doch auch hier
überall der unumstößliche Grundsatz, daß der Seemann nicht erzogen und dresstrt
werden kaun, sondern geboren wird. Es würde jedoch el" zu tiefes Eingehen
in das Detail erfordern, wenn hier "achgewiesen werden sollte, wie man überdies
auf der russischen Marine die Einschulung tüchtiger Seeleute nur sehr mangelhaft
versteht. Man vergeudet ihre Kräfte und Tüchtigkeiten in leerem Parade- und Ga¬
maschenwesen und strengt sie obendrein durch den fruchtlosen Versuch, Amphibien
aus ihnen zu machen, zu sehr an. Jeder Militärverständige weiß, daß jene mit
lächerlichem Lobe überhäufte" Grenadiere zu Pferd, welche anch ans den Fnßdicnst
einexercirt sind, nnr eine Absonderlichkeit, aber keinen Vorzug der russischen Armee
bilden. Sie sind weder recht ans dem Pferde, noch recht aus der Erde zu ver¬
wenden, so schön sie anch die Exercitien in beiden Situationen ausführen. Ebenso
werden nun die baltischen Marinetruppen sechs Monate lang als Landsoldaten
gedrillt (weil während dieser Zeit freilich die baltische Flotte eingefroren lieg!);
darüber verlieren sie die Gewohnheit der Schiffsräume, der knappen Be¬
wegungen auf schwankendem Boden, des beim Secsoldaten gradezu unerläßlichen
Selbstdenkens im Moment der Gefahr. Sie sind kaum mehr als Landsoldaten


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rann befindet sich »eben der Apotheke im unterste», also geschütztesten Naunic,
kann aber natürlich blos künstlich erhellt werden. Die Instrumente werden von
der Petersburger Fabrik geliefert, welche unter Aufsicht des bekannten Staats-
rath Dr. Pirogoss steht und die ganze Militärmacht Rußlands mit ihren Erzeug¬
nissen versorgt.

Das Offiziercorps der Marine darf man im allgemeinen als einen Zufluchts¬
ort der Zurückgesetzten, Aermeren und Protcctionslvsen betrachten. Es ist darum
nicht auffallend, daß wir auf der baltischen Flotte einer überwiegend großen Zahl
von Deutschen unter den eigentlichen Offizieren, wie unter deu Aerzten begegnen.
Vielleicht grade deshalb findet man auch eiuen stärkere» kameradschaftlichen Geist
und lebhaftere wissenschaftliche Bestrebuuge» als unter den Offizieren der Land¬
truppe», die der Generalstabe nicht ausgenommen. Dies würde nun der mari¬
timen Macht Rußlands zu größtem Vortheile gereichen, wenn die Matrosen und
Soldaten ihrer Bestimmung besser entsprächen. Aber dies ist im allgemeinen
keineswegs der Fall. Von all den nördlichen Völkerschaften, welche nach dem
auch für die Landtruppen gewöhnlichen Aushebnngsmoduö vorzugsweise die baltische
Flottenmannschaft liefern, erzeuge» fast ausschließlich die filmischen Küsten tüchtige
Seeleute. Ueberdies herrscht der seltsame Gebrauch, die zu Recruten ausgehobenen
Israeliten, nebst den zur Strafe an die Armee abgegebenen Menschen, ganz vor¬
zugsweise in die Flotte zu stecken. Der Grund mag darin zu suchen sein, daß
ihnen hier die Gelegenheit zum Desertiren erschwert ist. Aber jedermann weiß
anch, daß der Jude seinem ganzen Naturell nach am allerwenigsten zum Seedienst
taugt. Mag mau nnn gleich zugeben, daß die übrigen Bewohner des baltischen
Meeres sich unschwer ans dem Schiffe eingewöhnen, so bewährt sich doch auch hier
überall der unumstößliche Grundsatz, daß der Seemann nicht erzogen und dresstrt
werden kaun, sondern geboren wird. Es würde jedoch el» zu tiefes Eingehen
in das Detail erfordern, wenn hier »achgewiesen werden sollte, wie man überdies
auf der russischen Marine die Einschulung tüchtiger Seeleute nur sehr mangelhaft
versteht. Man vergeudet ihre Kräfte und Tüchtigkeiten in leerem Parade- und Ga¬
maschenwesen und strengt sie obendrein durch den fruchtlosen Versuch, Amphibien
aus ihnen zu machen, zu sehr an. Jeder Militärverständige weiß, daß jene mit
lächerlichem Lobe überhäufte« Grenadiere zu Pferd, welche anch ans den Fnßdicnst
einexercirt sind, nnr eine Absonderlichkeit, aber keinen Vorzug der russischen Armee
bilden. Sie sind weder recht ans dem Pferde, noch recht aus der Erde zu ver¬
wenden, so schön sie anch die Exercitien in beiden Situationen ausführen. Ebenso
werden nun die baltischen Marinetruppen sechs Monate lang als Landsoldaten
gedrillt (weil während dieser Zeit freilich die baltische Flotte eingefroren lieg!);
darüber verlieren sie die Gewohnheit der Schiffsräume, der knappen Be¬
wegungen auf schwankendem Boden, des beim Secsoldaten gradezu unerläßlichen
Selbstdenkens im Moment der Gefahr. Sie sind kaum mehr als Landsoldaten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/379>, abgerufen am 06.02.2025.