Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Kampf des Odysseus mit den Freier", der Todeskampf der Burgunder an EtzelS Wer das hier Gesagte billigt, wird in dem Gedicht Bodenstedts grade den Ueberhaupt ist ein tragischer Untergang der Liebenden in dem Gedicht nicht Kampf des Odysseus mit den Freier», der Todeskampf der Burgunder an EtzelS Wer das hier Gesagte billigt, wird in dem Gedicht Bodenstedts grade den Ueberhaupt ist ein tragischer Untergang der Liebenden in dem Gedicht nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97079"/> <p xml:id="ID_1142" prev="#ID_1141"> Kampf des Odysseus mit den Freier», der Todeskampf der Burgunder an EtzelS<lb/> Hofe. Neben diesen geschlossenen Dichtungen bezeichnen die epischen Schöpfungen<lb/> der übrigen Volker in aufsteigender Reihe fast jeden Grad von künstlerischer Cvn-<lb/> centrationskraft und jede Art von Störungen, welche diese Kraft durch innere<lb/> und äußere Erlebnisse des Volkes erlitten hat, so bei den Indern, den Persern<lb/> bis zu den modernen Serben. Wer aber die Gesetze epischer Composition an<lb/> Schöpfungen moderner Kunst studiren will, der möge sich vor allem an Walter<lb/> Scott halten, der darin ebenso originell als kunstvoll zu Werke geht, oder er<lb/> nehme die schone Episode des Schach Rauch zur Hand, welche Rückert vortrefflich<lb/> als besonderes Epos: Rösten und Snhrab bearbeitet hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1143"> Wer das hier Gesagte billigt, wird in dem Gedicht Bodenstedts grade den<lb/> Theil der Begebenheit schwach finden, welcher am stärksten hatte sein sollen, den<lb/> tragischen Untergang der Helden. In drei verschiedenen Scharmützeln fallen die<lb/> Hauptpersonen, die Liebenden durch einen Zufall, der nach der ganzen vorherge¬<lb/> henden Handlung durchaus keine genügende Nothwendigkeit hat, und auch beim<lb/> Epos in Hauptsachen nicht entscheiden darf. Ein herabfallender Stein, ein ex-<lb/> plodirendcr Pulversack, ein brechender Baumstamm hätte sie ebenso gut tödten kön¬<lb/> nen. Wer ist dieser eifersüchtige Liebhaber? Wir haben gelegentlich einmal von<lb/> ihm gehört, aber wir kennen den Verräther gar nicht, und er darf sich unterstehen,<lb/> unsere Haupthelden zum Tode zu bringen? Selbst ^der Vater Adas und der<lb/> Derwisch werde» noch nicht in einem Kampfe zu Tode gebracht, es sind dabei<lb/> zwei Bataillen nöthig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1144"> Ueberhaupt ist ein tragischer Untergang der Liebenden in dem Gedicht nicht<lb/> genügend motivirt. Das düstere Schicksal, welches ans dem tscherkessischen Volke<lb/> liegt, reicht noch nicht aus. Auch die Unthat des Derwisches, durch welche ihre Ver¬<lb/> bindung möglich wurde, genügt nicht, denn es ist kein Zusammenhang zwischen<lb/> ihr und dem Unglück der Neuvermählten. Diesen Z»sammenhang zum wenigsten<lb/> hätte der Dichter schaffen können. Der zurückgesetzte Freier hätte früher sicht¬<lb/> bar werden n»d dnrch den Tod von Adas Bruder auf irgend eine Weise zu sei¬<lb/> nen, Ueberfall gebracht werde» müssen. Dieser Ueberfall mußte stattfinden wäh¬<lb/> rend der Hochzeit, und da der Dichter als Deutscher nicht die celtische Grausamkeit<lb/> der Franzose» hat, »ach der Vermählung als Augriff auf Ali Begs Gehöft. Daun<lb/> Todeskampf der gesammten Helden des Epos, i» längerem Verlaufe mit Mannig¬<lb/> faltigkeit der Situationen. Zuerst fällt Ali Veg, dann der Derwisch, vielleicht gegen<lb/> den jungen Deutschen (?), dem er das Leben geschenkt und den ein Zufall später wie<lb/> gelegentlich umbringt, dann erst fallen die Liebenden zusammen »ut als das Haus<lb/> brennt, kommt Schamyl selber, tödtet den Nest der Russen und erklärt zum Schluß<lb/> das Nöthige. — Uebrigens diese Vorschläge bescheiden und unmaßgeblich. Dann<lb/> hätte der Derwisch ein größeres Recht gehabt, den Fluch seiner That aus dem<lb/> Ausgang zu erkennen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0374]
Kampf des Odysseus mit den Freier», der Todeskampf der Burgunder an EtzelS
Hofe. Neben diesen geschlossenen Dichtungen bezeichnen die epischen Schöpfungen
der übrigen Volker in aufsteigender Reihe fast jeden Grad von künstlerischer Cvn-
centrationskraft und jede Art von Störungen, welche diese Kraft durch innere
und äußere Erlebnisse des Volkes erlitten hat, so bei den Indern, den Persern
bis zu den modernen Serben. Wer aber die Gesetze epischer Composition an
Schöpfungen moderner Kunst studiren will, der möge sich vor allem an Walter
Scott halten, der darin ebenso originell als kunstvoll zu Werke geht, oder er
nehme die schone Episode des Schach Rauch zur Hand, welche Rückert vortrefflich
als besonderes Epos: Rösten und Snhrab bearbeitet hat.
Wer das hier Gesagte billigt, wird in dem Gedicht Bodenstedts grade den
Theil der Begebenheit schwach finden, welcher am stärksten hatte sein sollen, den
tragischen Untergang der Helden. In drei verschiedenen Scharmützeln fallen die
Hauptpersonen, die Liebenden durch einen Zufall, der nach der ganzen vorherge¬
henden Handlung durchaus keine genügende Nothwendigkeit hat, und auch beim
Epos in Hauptsachen nicht entscheiden darf. Ein herabfallender Stein, ein ex-
plodirendcr Pulversack, ein brechender Baumstamm hätte sie ebenso gut tödten kön¬
nen. Wer ist dieser eifersüchtige Liebhaber? Wir haben gelegentlich einmal von
ihm gehört, aber wir kennen den Verräther gar nicht, und er darf sich unterstehen,
unsere Haupthelden zum Tode zu bringen? Selbst ^der Vater Adas und der
Derwisch werde» noch nicht in einem Kampfe zu Tode gebracht, es sind dabei
zwei Bataillen nöthig.
Ueberhaupt ist ein tragischer Untergang der Liebenden in dem Gedicht nicht
genügend motivirt. Das düstere Schicksal, welches ans dem tscherkessischen Volke
liegt, reicht noch nicht aus. Auch die Unthat des Derwisches, durch welche ihre Ver¬
bindung möglich wurde, genügt nicht, denn es ist kein Zusammenhang zwischen
ihr und dem Unglück der Neuvermählten. Diesen Z»sammenhang zum wenigsten
hätte der Dichter schaffen können. Der zurückgesetzte Freier hätte früher sicht¬
bar werden n»d dnrch den Tod von Adas Bruder auf irgend eine Weise zu sei¬
nen, Ueberfall gebracht werde» müssen. Dieser Ueberfall mußte stattfinden wäh¬
rend der Hochzeit, und da der Dichter als Deutscher nicht die celtische Grausamkeit
der Franzose» hat, »ach der Vermählung als Augriff auf Ali Begs Gehöft. Daun
Todeskampf der gesammten Helden des Epos, i» längerem Verlaufe mit Mannig¬
faltigkeit der Situationen. Zuerst fällt Ali Veg, dann der Derwisch, vielleicht gegen
den jungen Deutschen (?), dem er das Leben geschenkt und den ein Zufall später wie
gelegentlich umbringt, dann erst fallen die Liebenden zusammen »ut als das Haus
brennt, kommt Schamyl selber, tödtet den Nest der Russen und erklärt zum Schluß
das Nöthige. — Uebrigens diese Vorschläge bescheiden und unmaßgeblich. Dann
hätte der Derwisch ein größeres Recht gehabt, den Fluch seiner That aus dem
Ausgang zu erkennen.
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