Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Jahre 1805 gewesen sei. Keiner von beiden Staaten habe mehr erlangt, als Castlereagh hatte in Wien auf das nachdrücklichste die Einverleibung ganz "Sollen die Volker der Welt die Waffen erheben "ut sich einander zer¬ Bei den Unterhandlungen, die dem zweiten Pariser Frieden vorangingen, Was den zweite" Pariser Friede" selbst betrifft, so hatte Lor'd Castlereagh bereits Jahre 1805 gewesen sei. Keiner von beiden Staaten habe mehr erlangt, als Castlereagh hatte in Wien auf das nachdrücklichste die Einverleibung ganz „Sollen die Volker der Welt die Waffen erheben »ut sich einander zer¬ Bei den Unterhandlungen, die dem zweiten Pariser Frieden vorangingen, Was den zweite» Pariser Friede» selbst betrifft, so hatte Lor'd Castlereagh bereits <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97059"/> <p xml:id="ID_1085" prev="#ID_1084"> Jahre 1805 gewesen sei. Keiner von beiden Staaten habe mehr erlangt, als<lb/> was sie bei der stricken Festhaltung dieses Princips verlangen konnten. Preußen<lb/> habe auf Grund genauer Berechnungen nur 30,000 Seele» mehr erhalten, als<lb/> es im Jahre 1803 besessen, während Oestreich bei seineu geringeren Besitzäude-<lb/> rnngen nicht mehr als 3 bis 400,000 neue Unterthanen gewonnen habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1086"> Castlereagh hatte in Wien auf das nachdrücklichste die Einverleibung ganz<lb/> Sachsens in die preußische Monarchie bekämpft. Dennoch erklärte er, daß nie¬<lb/> mals das Princip der Eroberung legitimer nud berechtigter erschienen sei als in<lb/> Bezug auf Sachsen. Der König von Sachsen sei beharrlich bei Napoleon bis zum<lb/> letzten Augenblick verblieben — erst am dritten Tage der Schlacht bei Leipzig<lb/> ging die sächsische Armee zu den Alliirten über ^— und Sachsen sei mithin ein<lb/> erobertes Land im strengsten Sinne des Worts. Aber, sagte er, Preuße» würde<lb/> durch den Besitz Sachsens mehr Schaden als bleibenden Vortheil erlangt haben.<lb/> Die öffentliche Meinung wäre durch eine so bedeutende und vollständige Aufopferung<lb/> der alten sächsischen Königsfamilie verletzt worden, das allgemeine Gefühl der<lb/> Menschheit hätte sich gegen solch ein Verfahren aufgelehnt und Preußen durch<lb/> diese Einverleibung in der allgemeinen Achtung Europas sich geschadet. Deshalb<lb/> habe er soviel als möglich mindestens gegen die Incorporation von ganz Sach¬<lb/> sen gestimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1087"> „Sollen die Volker der Welt die Waffen erheben »ut sich einander zer¬<lb/> fleische» oder solle» sie dieselbe» niederlegen »ut ihr gegenseitiges Gedeihen för¬<lb/> dern? Solche Fragen sind es, die gegenwärtig i» Frankreich zu entscheiden sind<lb/> —^ Fragen von der größten Bedeutung, denn wer kann bei wiederhergestellter<lb/> Autorität Bonapartes zweifeln, daß mit ihr gleichzeitig anch dessen destructive<lb/> Militärgewalt wieder ins Leben gerufen wird? Können wir nach Wiederherstellung<lb/> der Militärgewalt in Frankreich unsern Blick auf Friede» u»d Wohlfahrt lenke»,<lb/> wenn wir sie nicht rin u»ser» Schwerter» erringe»?" Mit diese» Worte» schloß<lb/> Castlereagh seine hier zum ersten Mal gedruckte Rede gegen Withbread.</p><lb/> <p xml:id="ID_1088"> Bei den Unterhandlungen, die dem zweiten Pariser Frieden vorangingen,<lb/> hatte Castlereagh den wichtigsten Antheil daran, daß die Werke der Kunst, die<lb/> durch Plünderung in Europa in den Galerien und Museen zu Paris angesam¬<lb/> melt waren, zurückgegeben würden. Als der Papst die von seinem Vorgänger er¬<lb/> preßten unschätzbaren Meisterwerke zurückerhalten hatte, sendete er dem Prinzregenten<lb/> Copien derselben nud Lord Castlereagh sehr werthvolle Zeichen der Anerkennung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1089" next="#ID_1090"> Was den zweite» Pariser Friede» selbst betrifft, so hatte Lor'd Castlereagh bereits<lb/> 1814 das Princip aufgestellt, daß die Sicherheit Europas unzertrennlich mit der<lb/> Wiederherstellung des Hauses Bourbon verbunden sei. Er zeigte zugleich gegen<lb/> Frankreich eine Art Mißtrauen und war der Ansicht, daß der Vertrag von 1813<lb/> es Noch zu mächtig gelassen habe, eine Ansicht, die er anch auf dem Kongreß zu<lb/> Aachen 1818 noch näher darlegte. 1821 griff er zu nachhaltigen Repressivmaß-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0354]
Jahre 1805 gewesen sei. Keiner von beiden Staaten habe mehr erlangt, als
was sie bei der stricken Festhaltung dieses Princips verlangen konnten. Preußen
habe auf Grund genauer Berechnungen nur 30,000 Seele» mehr erhalten, als
es im Jahre 1803 besessen, während Oestreich bei seineu geringeren Besitzäude-
rnngen nicht mehr als 3 bis 400,000 neue Unterthanen gewonnen habe.
Castlereagh hatte in Wien auf das nachdrücklichste die Einverleibung ganz
Sachsens in die preußische Monarchie bekämpft. Dennoch erklärte er, daß nie¬
mals das Princip der Eroberung legitimer nud berechtigter erschienen sei als in
Bezug auf Sachsen. Der König von Sachsen sei beharrlich bei Napoleon bis zum
letzten Augenblick verblieben — erst am dritten Tage der Schlacht bei Leipzig
ging die sächsische Armee zu den Alliirten über ^— und Sachsen sei mithin ein
erobertes Land im strengsten Sinne des Worts. Aber, sagte er, Preuße» würde
durch den Besitz Sachsens mehr Schaden als bleibenden Vortheil erlangt haben.
Die öffentliche Meinung wäre durch eine so bedeutende und vollständige Aufopferung
der alten sächsischen Königsfamilie verletzt worden, das allgemeine Gefühl der
Menschheit hätte sich gegen solch ein Verfahren aufgelehnt und Preußen durch
diese Einverleibung in der allgemeinen Achtung Europas sich geschadet. Deshalb
habe er soviel als möglich mindestens gegen die Incorporation von ganz Sach¬
sen gestimmt.
„Sollen die Volker der Welt die Waffen erheben »ut sich einander zer¬
fleische» oder solle» sie dieselbe» niederlegen »ut ihr gegenseitiges Gedeihen för¬
dern? Solche Fragen sind es, die gegenwärtig i» Frankreich zu entscheiden sind
—^ Fragen von der größten Bedeutung, denn wer kann bei wiederhergestellter
Autorität Bonapartes zweifeln, daß mit ihr gleichzeitig anch dessen destructive
Militärgewalt wieder ins Leben gerufen wird? Können wir nach Wiederherstellung
der Militärgewalt in Frankreich unsern Blick auf Friede» u»d Wohlfahrt lenke»,
wenn wir sie nicht rin u»ser» Schwerter» erringe»?" Mit diese» Worte» schloß
Castlereagh seine hier zum ersten Mal gedruckte Rede gegen Withbread.
Bei den Unterhandlungen, die dem zweiten Pariser Frieden vorangingen,
hatte Castlereagh den wichtigsten Antheil daran, daß die Werke der Kunst, die
durch Plünderung in Europa in den Galerien und Museen zu Paris angesam¬
melt waren, zurückgegeben würden. Als der Papst die von seinem Vorgänger er¬
preßten unschätzbaren Meisterwerke zurückerhalten hatte, sendete er dem Prinzregenten
Copien derselben nud Lord Castlereagh sehr werthvolle Zeichen der Anerkennung.
Was den zweite» Pariser Friede» selbst betrifft, so hatte Lor'd Castlereagh bereits
1814 das Princip aufgestellt, daß die Sicherheit Europas unzertrennlich mit der
Wiederherstellung des Hauses Bourbon verbunden sei. Er zeigte zugleich gegen
Frankreich eine Art Mißtrauen und war der Ansicht, daß der Vertrag von 1813
es Noch zu mächtig gelassen habe, eine Ansicht, die er anch auf dem Kongreß zu
Aachen 1818 noch näher darlegte. 1821 griff er zu nachhaltigen Repressivmaß-
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