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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Beispiel, den britischen Rathschläge" den vorwicgendstcn Einfluß verstattete." --
Seinem Rathe war es hauptsächlich zuzuschreiben, daß das britische Cabinet den spa¬
nischen Unabhängigkeitskrieg aufrichtig und wirksam unterstützte. Mit festem Willen
stand er zu dem Oberbefehlshaber Wellington und förderte ihn nachdrücklich in
seinen kühnsten und entscheidendsten militärischen Anordnungen. So legte er die
Grundlage zu dem Sturze Napoleons.

181 i veranlaßte der zu Fontainebleau abgeschlossene Vertrag seine Sen¬
dung nach Paris. Castlereagh hielt diesen Vertrag für unpolitisch und gefährlich,
weil er Bonaparte den Kaisertitcl ließ, den England nie anerkannt hatte, und ihm
ein souveränes Gebiet verlieh, das Frankreich viel zu nahe lag und die Möglich¬
keit gewährte, zurückzukehren und den Frieden Europas abermals zu stören.

Als Vertreter Großbritanniens ans dem Wiener Kongreß machte er die äußer¬
sten Anstrengungen, die Abschaffung des Sklavenhandels durchzusetzen und schlug
sogar zu dem Zwecke vor, die Einfuhr der Colonialproducte aller derjenigen Län¬
der, wo dieser Handel fortgesetzt würde, zu verbiete". Dieser Vorschlag schei¬
terte jedoch a" dem Widerstand Spaniens: nur eine allmälige Abschaffung war
zu erreichen.

Nach seiner Rückkehr in England erhielt er unzweideutige Beweise der Aner¬
kennung für sein Verhalten ans dem Kongreß; aber auch die Opposition, an
ihrer Spitze Withbrcad, ließ es an Angrissen nicht fehlen. Castlereagh erwiderte,
die Monarchen Europas hätten bei dem Wiener Kongreß sich den Zweck gesetzt,
die zwei großen europäischen Monarchien, die als solche von Napoleon fast ver¬
nichtet waren, Oestreich und Preußen, wiederherzustellen; die beiden Flanken
der zwei Staaten, welche das unmittelbare Bollwerk von Europa bilde" solle",
dauernd z" sicher". Ebenso sei es wünschenswerth gewesen, eine starke Barriere
zwischen Italien nud Frankreich zu ziehen, der Schweiz ihren Einfluß und ihre
Unabhängigkeit wiederzugeben, die Verbiudungökette beizubehalten, nud Deutsche
land wieder nach dem gleichen System zu consöderireu, um es als unüberwind¬
liches Bollwerk zwischen den großen Staaten des Osten und Westen Europas
herzustellen.

Man hatte Castlereagh vorgeworfen, daß er die Unabhängigkeit Italiens ge¬
gen Oestreich nicht aufrechterhalten habe. Er erwiderte, daß die Italiener
nicht einen Arm gerührt hätten, um das Napoleonische Joch abzuschütteln, daß sie
ihre Freiheit den Alliirte" allein verdankten. Die Allianz Englands mit Oestreich
hätte es unmöglich gemacht, Italien als ein besonderes Königreich unabhängig
zu erhalten. England hätte gegen Oestreich die Verpflichtung gehabt, im vollen
Umfange ihm diejenige territoriale Bedeutung wieder zu verleihen, die es vorher
in Italien innegehabt hätte.

Was speciell Oestreich nud Preußen betrifft, so wies Castlereagh nach, daß
das bei deren Reconstruirung leitende Princip der Stand ihrer Besitzungen im


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Beispiel, den britischen Rathschläge» den vorwicgendstcn Einfluß verstattete." —
Seinem Rathe war es hauptsächlich zuzuschreiben, daß das britische Cabinet den spa¬
nischen Unabhängigkeitskrieg aufrichtig und wirksam unterstützte. Mit festem Willen
stand er zu dem Oberbefehlshaber Wellington und förderte ihn nachdrücklich in
seinen kühnsten und entscheidendsten militärischen Anordnungen. So legte er die
Grundlage zu dem Sturze Napoleons.

181 i veranlaßte der zu Fontainebleau abgeschlossene Vertrag seine Sen¬
dung nach Paris. Castlereagh hielt diesen Vertrag für unpolitisch und gefährlich,
weil er Bonaparte den Kaisertitcl ließ, den England nie anerkannt hatte, und ihm
ein souveränes Gebiet verlieh, das Frankreich viel zu nahe lag und die Möglich¬
keit gewährte, zurückzukehren und den Frieden Europas abermals zu stören.

Als Vertreter Großbritanniens ans dem Wiener Kongreß machte er die äußer¬
sten Anstrengungen, die Abschaffung des Sklavenhandels durchzusetzen und schlug
sogar zu dem Zwecke vor, die Einfuhr der Colonialproducte aller derjenigen Län¬
der, wo dieser Handel fortgesetzt würde, zu verbiete». Dieser Vorschlag schei¬
terte jedoch a» dem Widerstand Spaniens: nur eine allmälige Abschaffung war
zu erreichen.

Nach seiner Rückkehr in England erhielt er unzweideutige Beweise der Aner¬
kennung für sein Verhalten ans dem Kongreß; aber auch die Opposition, an
ihrer Spitze Withbrcad, ließ es an Angrissen nicht fehlen. Castlereagh erwiderte,
die Monarchen Europas hätten bei dem Wiener Kongreß sich den Zweck gesetzt,
die zwei großen europäischen Monarchien, die als solche von Napoleon fast ver¬
nichtet waren, Oestreich und Preußen, wiederherzustellen; die beiden Flanken
der zwei Staaten, welche das unmittelbare Bollwerk von Europa bilde» solle»,
dauernd z» sicher». Ebenso sei es wünschenswerth gewesen, eine starke Barriere
zwischen Italien nud Frankreich zu ziehen, der Schweiz ihren Einfluß und ihre
Unabhängigkeit wiederzugeben, die Verbiudungökette beizubehalten, nud Deutsche
land wieder nach dem gleichen System zu consöderireu, um es als unüberwind¬
liches Bollwerk zwischen den großen Staaten des Osten und Westen Europas
herzustellen.

Man hatte Castlereagh vorgeworfen, daß er die Unabhängigkeit Italiens ge¬
gen Oestreich nicht aufrechterhalten habe. Er erwiderte, daß die Italiener
nicht einen Arm gerührt hätten, um das Napoleonische Joch abzuschütteln, daß sie
ihre Freiheit den Alliirte» allein verdankten. Die Allianz Englands mit Oestreich
hätte es unmöglich gemacht, Italien als ein besonderes Königreich unabhängig
zu erhalten. England hätte gegen Oestreich die Verpflichtung gehabt, im vollen
Umfange ihm diejenige territoriale Bedeutung wieder zu verleihen, die es vorher
in Italien innegehabt hätte.

Was speciell Oestreich nud Preußen betrifft, so wies Castlereagh nach, daß
das bei deren Reconstruirung leitende Princip der Stand ihrer Besitzungen im


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[0353] Beispiel, den britischen Rathschläge» den vorwicgendstcn Einfluß verstattete." — Seinem Rathe war es hauptsächlich zuzuschreiben, daß das britische Cabinet den spa¬ nischen Unabhängigkeitskrieg aufrichtig und wirksam unterstützte. Mit festem Willen stand er zu dem Oberbefehlshaber Wellington und förderte ihn nachdrücklich in seinen kühnsten und entscheidendsten militärischen Anordnungen. So legte er die Grundlage zu dem Sturze Napoleons. 181 i veranlaßte der zu Fontainebleau abgeschlossene Vertrag seine Sen¬ dung nach Paris. Castlereagh hielt diesen Vertrag für unpolitisch und gefährlich, weil er Bonaparte den Kaisertitcl ließ, den England nie anerkannt hatte, und ihm ein souveränes Gebiet verlieh, das Frankreich viel zu nahe lag und die Möglich¬ keit gewährte, zurückzukehren und den Frieden Europas abermals zu stören. Als Vertreter Großbritanniens ans dem Wiener Kongreß machte er die äußer¬ sten Anstrengungen, die Abschaffung des Sklavenhandels durchzusetzen und schlug sogar zu dem Zwecke vor, die Einfuhr der Colonialproducte aller derjenigen Län¬ der, wo dieser Handel fortgesetzt würde, zu verbiete». Dieser Vorschlag schei¬ terte jedoch a» dem Widerstand Spaniens: nur eine allmälige Abschaffung war zu erreichen. Nach seiner Rückkehr in England erhielt er unzweideutige Beweise der Aner¬ kennung für sein Verhalten ans dem Kongreß; aber auch die Opposition, an ihrer Spitze Withbrcad, ließ es an Angrissen nicht fehlen. Castlereagh erwiderte, die Monarchen Europas hätten bei dem Wiener Kongreß sich den Zweck gesetzt, die zwei großen europäischen Monarchien, die als solche von Napoleon fast ver¬ nichtet waren, Oestreich und Preußen, wiederherzustellen; die beiden Flanken der zwei Staaten, welche das unmittelbare Bollwerk von Europa bilde» solle», dauernd z» sicher». Ebenso sei es wünschenswerth gewesen, eine starke Barriere zwischen Italien nud Frankreich zu ziehen, der Schweiz ihren Einfluß und ihre Unabhängigkeit wiederzugeben, die Verbiudungökette beizubehalten, nud Deutsche land wieder nach dem gleichen System zu consöderireu, um es als unüberwind¬ liches Bollwerk zwischen den großen Staaten des Osten und Westen Europas herzustellen. Man hatte Castlereagh vorgeworfen, daß er die Unabhängigkeit Italiens ge¬ gen Oestreich nicht aufrechterhalten habe. Er erwiderte, daß die Italiener nicht einen Arm gerührt hätten, um das Napoleonische Joch abzuschütteln, daß sie ihre Freiheit den Alliirte» allein verdankten. Die Allianz Englands mit Oestreich hätte es unmöglich gemacht, Italien als ein besonderes Königreich unabhängig zu erhalten. England hätte gegen Oestreich die Verpflichtung gehabt, im vollen Umfange ihm diejenige territoriale Bedeutung wieder zu verleihen, die es vorher in Italien innegehabt hätte. Was speciell Oestreich nud Preußen betrifft, so wies Castlereagh nach, daß das bei deren Reconstruirung leitende Princip der Stand ihrer Besitzungen im GrcnzbM'», IV. >!8ö!Z, 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/353>, abgerufen am 06.02.2025.