Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.und hochgelegenen Punkte wollte er Flanken und Rucken des russischen Haupt- Diebitsch hatte die Bewegung des Großveziers nicht hindern können, be¬ Nichts hinderte fortan den Grafen Diebitsch an seinem Marsche ans Adria¬ Adrianopel liegt am Zusammenfluß der Marizza, des Pnndscha und der Arda, und hochgelegenen Punkte wollte er Flanken und Rucken des russischen Haupt- Diebitsch hatte die Bewegung des Großveziers nicht hindern können, be¬ Nichts hinderte fortan den Grafen Diebitsch an seinem Marsche ans Adria¬ Adrianopel liegt am Zusammenfluß der Marizza, des Pnndscha und der Arda, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97048"/> <p xml:id="ID_1048" prev="#ID_1047"> und hochgelegenen Punkte wollte er Flanken und Rucken des russischen Haupt-<lb/> heeres bedrohen. Selimia, eine bedeutende Handelsstadt, liegt oberhalb des Js-<lb/> landgy-Thales. Der Jslandgy ist el» Nebenfluß des Pundscha, welcher unter den<lb/> Mauern von Adrianopel in die Marizza sich ergießt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1049"> Diebitsch hatte die Bewegung des Großveziers nicht hindern können, be¬<lb/> schloß ihn aber in Selimia anzugreifen. Er verwendete zum Angriff -12,000<lb/> Mann, die er als Verstärkung vom schwarzen Meere her über Sizeboli erhalten<lb/> hatte, und 18,000 Mann seiner alten Truppen, ohne irgendwie die Garnisonen<lb/> der genommenen Plätze zu schwächen. Am -I S. August erfolgte der Angriff. Der<lb/> Kampf war keinen Augenblick zweifelhaft. Die Türken verließen zuerst ihre äu¬<lb/> ßeren Verschanzungen, dann die Stadt selbst, und zerstreuten sich Nach allen Rich¬<lb/> tungen. An die Stelle des kriegerischen Feuers, das sie zu Anfang des Feldzugs<lb/> beseelte, war bei ihnen eine vollständige EntMnthignng eingetreten, veranlaßt<lb/> durch den Schrecken über den kühnen Balkanübergang der Russen und durch die<lb/> vielfache» Erfolge derselben in Thracien. Reun Geschütze, 3000 Gefangene, eine<lb/> große Menge von Lebensmitteln und Kriegsbedarf fielen den Rossen bei Selimia<lb/> in die Hände.</p><lb/> <p xml:id="ID_1050"> Nichts hinderte fortan den Grafen Diebitsch an seinem Marsche ans Adria¬<lb/> nopel. Am -19. August erschienen die Russen vor dieser zweiten Stadt des otto-<lb/> manischen Reichs.</p><lb/> <p xml:id="ID_1051"> Adrianopel liegt am Zusammenfluß der Marizza, des Pnndscha und der Arda,<lb/> drei beträchtlicher Ströme, welche nur auf Brücken passirt werden können, in der<lb/> Stadt fast unter einem rechten Winkel zusammenstoßen und dann vereinigt ab¬<lb/> fließen. Die Stadt war mit einer hohen, starken und von Thürmen flaukirteu<lb/> Mauer umgeben. Ihr Graben konnte leicht vertieft und mit dem Wasser der<lb/> drei Flüsse gefüllt werden. Die Bevölkerung betrug mehr als 80,000 Einwohner,<lb/> von denen °>/s Muhammedaner waren. Die ^Besatzung zählte -16,000 Manu,<lb/> darunter dreiviertel reguläre Truppen, und eine große Zahl Geschütze füllte die<lb/> Wälle. Uebrigens ist der Anblick von Adrianopel von überraschender Schönheit.<lb/> Die weißen Minarets und die bleigedecktcn Kuppeln der Moschee», die Bader und<lb/> Karavanserais erheben sich in großer Menge über die endlose Masse der flachen<lb/> Dächer und die breiten Gipfel der Platanen. Prachtvolle steinerne Brücken wöl¬<lb/> ben sich über die schnellfließenden Ströme: die blendenden Banmwvllensegel der<lb/> Schiffe zeichnen sich auf breite, grüne Wiesen ab und vergoldete Halbmonde<lb/> blitzen an allen Spitzen in der dunkelblauen Luft. Zur Rechten jenseits deö<lb/> Pnndscha ragen über düstere Cvpressen die Thürme deö alten serais, in welchem<lb/> die osmanischen Herrscher residirten, als sie vor 400 Jahren das byzantinische<lb/> Reich bedrängten, und soweit der Blick über die unbegrenzte Landschaft schweift,<lb/> entdeckt mau uur üppige Fluren, Wälder von Obstbäumen und wohlhabende<lb/> Dörfer.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
und hochgelegenen Punkte wollte er Flanken und Rucken des russischen Haupt-
heeres bedrohen. Selimia, eine bedeutende Handelsstadt, liegt oberhalb des Js-
landgy-Thales. Der Jslandgy ist el» Nebenfluß des Pundscha, welcher unter den
Mauern von Adrianopel in die Marizza sich ergießt.
Diebitsch hatte die Bewegung des Großveziers nicht hindern können, be¬
schloß ihn aber in Selimia anzugreifen. Er verwendete zum Angriff -12,000
Mann, die er als Verstärkung vom schwarzen Meere her über Sizeboli erhalten
hatte, und 18,000 Mann seiner alten Truppen, ohne irgendwie die Garnisonen
der genommenen Plätze zu schwächen. Am -I S. August erfolgte der Angriff. Der
Kampf war keinen Augenblick zweifelhaft. Die Türken verließen zuerst ihre äu¬
ßeren Verschanzungen, dann die Stadt selbst, und zerstreuten sich Nach allen Rich¬
tungen. An die Stelle des kriegerischen Feuers, das sie zu Anfang des Feldzugs
beseelte, war bei ihnen eine vollständige EntMnthignng eingetreten, veranlaßt
durch den Schrecken über den kühnen Balkanübergang der Russen und durch die
vielfache» Erfolge derselben in Thracien. Reun Geschütze, 3000 Gefangene, eine
große Menge von Lebensmitteln und Kriegsbedarf fielen den Rossen bei Selimia
in die Hände.
Nichts hinderte fortan den Grafen Diebitsch an seinem Marsche ans Adria¬
nopel. Am -19. August erschienen die Russen vor dieser zweiten Stadt des otto-
manischen Reichs.
Adrianopel liegt am Zusammenfluß der Marizza, des Pnndscha und der Arda,
drei beträchtlicher Ströme, welche nur auf Brücken passirt werden können, in der
Stadt fast unter einem rechten Winkel zusammenstoßen und dann vereinigt ab¬
fließen. Die Stadt war mit einer hohen, starken und von Thürmen flaukirteu
Mauer umgeben. Ihr Graben konnte leicht vertieft und mit dem Wasser der
drei Flüsse gefüllt werden. Die Bevölkerung betrug mehr als 80,000 Einwohner,
von denen °>/s Muhammedaner waren. Die ^Besatzung zählte -16,000 Manu,
darunter dreiviertel reguläre Truppen, und eine große Zahl Geschütze füllte die
Wälle. Uebrigens ist der Anblick von Adrianopel von überraschender Schönheit.
Die weißen Minarets und die bleigedecktcn Kuppeln der Moschee», die Bader und
Karavanserais erheben sich in großer Menge über die endlose Masse der flachen
Dächer und die breiten Gipfel der Platanen. Prachtvolle steinerne Brücken wöl¬
ben sich über die schnellfließenden Ströme: die blendenden Banmwvllensegel der
Schiffe zeichnen sich auf breite, grüne Wiesen ab und vergoldete Halbmonde
blitzen an allen Spitzen in der dunkelblauen Luft. Zur Rechten jenseits deö
Pnndscha ragen über düstere Cvpressen die Thürme deö alten serais, in welchem
die osmanischen Herrscher residirten, als sie vor 400 Jahren das byzantinische
Reich bedrängten, und soweit der Blick über die unbegrenzte Landschaft schweift,
entdeckt mau uur üppige Fluren, Wälder von Obstbäumen und wohlhabende
Dörfer.
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