Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.bilden eine Art Aristokratie und vermischen sich fast nie mit den polnischen Juden, Theils die außerordentliche Vorliebe für dieses Land, theils die wirkliche Die Regierung der Walachei war bis zur russische" Occupation nach den bilden eine Art Aristokratie und vermischen sich fast nie mit den polnischen Juden, Theils die außerordentliche Vorliebe für dieses Land, theils die wirkliche Die Regierung der Walachei war bis zur russische» Occupation nach den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97037"/> <p xml:id="ID_990" prev="#ID_989"> bilden eine Art Aristokratie und vermischen sich fast nie mit den polnischen Juden,<lb/> die die Majorität in den walachischen Gemeinden bilden und sich wieder nach<lb/> ihrer Schutzangehvrigkeit in walachische, östreichische, preußische und russische<lb/> theilen. Die meisten Waaren, Leder-, Galanterie-, Luxuswaaren, Kleiderstoffe,<lb/> Meubeln, Bücher:c>, werden aus Frankreich bezogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_991"> Theils die außerordentliche Vorliebe für dieses Land, theils die wirkliche<lb/> Vorzüglichkeit der französischen Waaren in Qualität, Eleganz und Preis, theils<lb/> auch die gänzliche Unzuverlässtgkeit der Donaudampfschiffahrtsgcscllschaft, haben<lb/> dem Export aus Oestreich große Hindernisse in den Weg gelegt. Sollten die<lb/> Donauprovinzen wirklich Rußland einverleibt werden, so würde Frankreich eiuen<lb/> weit größeren Schaden dabei erleiden, als England; denn es ist leichter ein<lb/> Land zu finden, wo man Getreide kauft, als einen Verlornen Markt für Industrie-<lb/> producte zu ersetzen. Der Luxus in der Hauptstadt steht von den höchsten bis<lb/> zu den niedrigsten Schichten herab in keinem Verhältnisse zum Einkommen und<lb/> Vermögen der Leute. Die kothigen Straßen werden von prächtigen Fiacres und<lb/> Equipagen durchfahren. In den niedrigen Häusern herrscht Pracht, Eleganz<lb/> und zuweilen holländische Reinlichkeit. In letzterem Punkte zeichnen sich<lb/> besonders die fränkischen Juden aus. Aber auch polnischer Schmuz ist nicht<lb/> selten, und schwere Seidenstoffe über schmuziger und zerrissener Wäsche. Der<lb/> Luxus ist theils überwiegend oecidentalisch, ans das Vergängliche und Modesachen<lb/> gerichtet, theils orientalisch, und nur dem immer Werth Bchaltenden, wie Gold,<lb/> Perlen, Edelsteinen, zugewendet. Bei vielen Familien ist der größte Theil des<lb/> Vermögens in Bernsteinspitzen und Schmuck angelegt. Diese Art, sein Geld<lb/> anzulegen, theilt jedoch die Walachei mit allen Ländern, deren Verhältnisse<lb/> schwankend, deren Zukunft ungewiß ist. Doch war es ein Zeichen von Hebung<lb/> des Landes, daß bis zum Einmarsch der Russen der Zinsfuß blos 12 Proc., der<lb/> gesetzliche 10 Proc. betrug.</p><lb/> <p xml:id="ID_992" next="#ID_993"> Die Regierung der Walachei war bis zur russische» Occupation nach den<lb/> Ansichten Ihres Korrespondenten immerhin eine der besten in Europa. Allerdings<lb/> ward dieselbe von den Bojaren für nichts Anderes angesehen, als eine Einnahms¬<lb/> quelle, welche vou der jedesmal siegenden Partei unter die Mitglieder vertheilt<lb/> und aufs beste ausgebeutet wurde; allerdings waren die Steuern sehr unzweck¬<lb/> mäßig und ungerecht vertheilt, so daß der Grad der Leistungen mit dem Ver¬<lb/> mögen in umgekehrtem Verhältnisse stand (so z. B. mußte mein Diener, der<lb/> einen jährlichen Gehalt von 14 Ducaten hatte, 2 Ducaten Kopfsteuer zahlen),<lb/> im Durchschnitte waren jedoch die Steuern gering, und in vieler Beziehung<lb/> herrschte in der Regierung ein liberaler Sinn; es konnte jeder thun, treiben und<lb/> reden, was er wollte. Kein Finanzbeamter guckte in die Töpfe, kein Polizeispion<lb/> konnte auf gute Geschäfte rechnen, Person und Eigenthum waren im ganzen<lb/> Lande gesichert. Es gab keine Vexationen, keine Demagogenriecherei und eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0332]
bilden eine Art Aristokratie und vermischen sich fast nie mit den polnischen Juden,
die die Majorität in den walachischen Gemeinden bilden und sich wieder nach
ihrer Schutzangehvrigkeit in walachische, östreichische, preußische und russische
theilen. Die meisten Waaren, Leder-, Galanterie-, Luxuswaaren, Kleiderstoffe,
Meubeln, Bücher:c>, werden aus Frankreich bezogen.
Theils die außerordentliche Vorliebe für dieses Land, theils die wirkliche
Vorzüglichkeit der französischen Waaren in Qualität, Eleganz und Preis, theils
auch die gänzliche Unzuverlässtgkeit der Donaudampfschiffahrtsgcscllschaft, haben
dem Export aus Oestreich große Hindernisse in den Weg gelegt. Sollten die
Donauprovinzen wirklich Rußland einverleibt werden, so würde Frankreich eiuen
weit größeren Schaden dabei erleiden, als England; denn es ist leichter ein
Land zu finden, wo man Getreide kauft, als einen Verlornen Markt für Industrie-
producte zu ersetzen. Der Luxus in der Hauptstadt steht von den höchsten bis
zu den niedrigsten Schichten herab in keinem Verhältnisse zum Einkommen und
Vermögen der Leute. Die kothigen Straßen werden von prächtigen Fiacres und
Equipagen durchfahren. In den niedrigen Häusern herrscht Pracht, Eleganz
und zuweilen holländische Reinlichkeit. In letzterem Punkte zeichnen sich
besonders die fränkischen Juden aus. Aber auch polnischer Schmuz ist nicht
selten, und schwere Seidenstoffe über schmuziger und zerrissener Wäsche. Der
Luxus ist theils überwiegend oecidentalisch, ans das Vergängliche und Modesachen
gerichtet, theils orientalisch, und nur dem immer Werth Bchaltenden, wie Gold,
Perlen, Edelsteinen, zugewendet. Bei vielen Familien ist der größte Theil des
Vermögens in Bernsteinspitzen und Schmuck angelegt. Diese Art, sein Geld
anzulegen, theilt jedoch die Walachei mit allen Ländern, deren Verhältnisse
schwankend, deren Zukunft ungewiß ist. Doch war es ein Zeichen von Hebung
des Landes, daß bis zum Einmarsch der Russen der Zinsfuß blos 12 Proc., der
gesetzliche 10 Proc. betrug.
Die Regierung der Walachei war bis zur russische» Occupation nach den
Ansichten Ihres Korrespondenten immerhin eine der besten in Europa. Allerdings
ward dieselbe von den Bojaren für nichts Anderes angesehen, als eine Einnahms¬
quelle, welche vou der jedesmal siegenden Partei unter die Mitglieder vertheilt
und aufs beste ausgebeutet wurde; allerdings waren die Steuern sehr unzweck¬
mäßig und ungerecht vertheilt, so daß der Grad der Leistungen mit dem Ver¬
mögen in umgekehrtem Verhältnisse stand (so z. B. mußte mein Diener, der
einen jährlichen Gehalt von 14 Ducaten hatte, 2 Ducaten Kopfsteuer zahlen),
im Durchschnitte waren jedoch die Steuern gering, und in vieler Beziehung
herrschte in der Regierung ein liberaler Sinn; es konnte jeder thun, treiben und
reden, was er wollte. Kein Finanzbeamter guckte in die Töpfe, kein Polizeispion
konnte auf gute Geschäfte rechnen, Person und Eigenthum waren im ganzen
Lande gesichert. Es gab keine Vexationen, keine Demagogenriecherei und eine
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