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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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und noch eine oder zwei andere Tänzerinnen "mit dem Range einer fran¬
zösischen", wie jedesmal ausdrücklich auf dem Theaterzettel gedruckt steht, ver¬
schrieben werden müssen. Gelingt es dem Impressario angeblich nicht, solche
herbeizuschaffen, so ist das Theatercomitü befugt, das Unmögliche auf seine -- des
Impressario -- Kosten möglich zu macheu. Auch bei der Opera sczrla im Herbst
ist eine Anzahl Opern "ü'odbliAo", d. h. sie müssen gegeben werden, andere
-- ,,äa eichenen'si" -- sind in das Belieben des Impressario gestellt. Um bei
dem leatro xrcmäe in Triest stehen zu bleiben, so gibt es hier, wie überhaupt
in Oestreich und in Italien, keine "Range", sondern vier "Stock" mit Logen,
die sämmtlich um hohen Preis abonnirt sind. Man zahlt für eine kleine Loge
im dritten Stock an tausend Gulden Münze jährlich und erwirbt dadurch nicht etwa
wie bei uns das Recht, der Vorstellung überhaupt beiwohnen zu dürfen, sondern
nur die Vergünstigung, nachdem man den Eintritt mit drei Zwanzigern an der
Kasse wie alle übrigen Nichtabonnentcu entrichtet hat, anstatt wie jene, sich ins
Parterre zu stellen, in seine Loge sich setzen zu dürfen, und auch nur einen Abend
um den andern, denn die pari -- die geraden Vorstellungen -- sind von den
äisxari -- deu ungeraden -- streng geschieden, und wer in dieser Saison einen
Sitz oder eine ganze Loge für die pari hatte, der hat sie in der nächstfolgenden
für die al8x>Ari. Das Galeriepublicum hat seiue eigenen Volkstheater, in denen
Sonntags anch bei Tageshelle gespielt und ein Zwanziger Eltern bezahlt wird.

Ebenso eigenthümlich wie dieses Verhältniß ist anch das zwischen dem Im¬
pressario und den Säugern. Der oben erwähnte Herr Nonzani z. B. engagirt
> die berühmte Sängerin Albina Marray -- eine Pseudonyme Deutsch-Bohmiu --
auf fünf Jahre mit zwölfhundert Gulden monatlicher Gage. Er kann sie aber
nur jährlich zwei bis drei Mouate für Triest gebrauchen. Was dann? Dann
schickt er sie -- ohne dabei ihre eignen Neigungen zu berücksichtigen -- nach Mai¬
land, nach Neapel, zur Sommermesse uach Siuigallia, nach Paris oder, wie eben
jetzt, uach Se. Petersburg, und die Gage, die sie dort erhält, erhält nicht sie,
sondern er, der ihr monatlich ihre 1200 Gulden zahlt. Er hat auf diese Weise
fast das ganze italienische Theatergeschäft jetzt in Händen und dabei wahrscheinlich
einen hübschen Gewinn.

Dies ein Blick hinter die Coulissen italienischer Theater! Nun noch einen
vom Sperrsitz auf die Bühne. Da fällt zuerst der späte Anfang der Vorstellung
dem Deutschen ans: im Winter um acht, im Sommer um neun Uhr. Der Be¬
ginn der Vorstellung, sowie die Verwandlung bei offener Scene zeigt nicht wie
bei uns die Glocke an, sondern eine schrille Pfeife; der Souflenr erscheint in der
offenen Luke und hält es oft nicht für nöthig, den zurückgeschlagene" Fallschirm
über sein Hinterhaupt zu ziehe", auch fällt dieser manchmal wieder zurück durch
sein lebhaftes Agircn während der Vorstellung, denn nicht selten gibt der Souf-
leur auch den Sängern das Tempo an, während der im Hintergrunde des Orchesters,


und noch eine oder zwei andere Tänzerinnen „mit dem Range einer fran¬
zösischen", wie jedesmal ausdrücklich auf dem Theaterzettel gedruckt steht, ver¬
schrieben werden müssen. Gelingt es dem Impressario angeblich nicht, solche
herbeizuschaffen, so ist das Theatercomitü befugt, das Unmögliche auf seine — des
Impressario — Kosten möglich zu macheu. Auch bei der Opera sczrla im Herbst
ist eine Anzahl Opern „ü'odbliAo", d. h. sie müssen gegeben werden, andere
— ,,äa eichenen'si" — sind in das Belieben des Impressario gestellt. Um bei
dem leatro xrcmäe in Triest stehen zu bleiben, so gibt es hier, wie überhaupt
in Oestreich und in Italien, keine „Range", sondern vier „Stock" mit Logen,
die sämmtlich um hohen Preis abonnirt sind. Man zahlt für eine kleine Loge
im dritten Stock an tausend Gulden Münze jährlich und erwirbt dadurch nicht etwa
wie bei uns das Recht, der Vorstellung überhaupt beiwohnen zu dürfen, sondern
nur die Vergünstigung, nachdem man den Eintritt mit drei Zwanzigern an der
Kasse wie alle übrigen Nichtabonnentcu entrichtet hat, anstatt wie jene, sich ins
Parterre zu stellen, in seine Loge sich setzen zu dürfen, und auch nur einen Abend
um den andern, denn die pari — die geraden Vorstellungen — sind von den
äisxari — deu ungeraden — streng geschieden, und wer in dieser Saison einen
Sitz oder eine ganze Loge für die pari hatte, der hat sie in der nächstfolgenden
für die al8x>Ari. Das Galeriepublicum hat seiue eigenen Volkstheater, in denen
Sonntags anch bei Tageshelle gespielt und ein Zwanziger Eltern bezahlt wird.

Ebenso eigenthümlich wie dieses Verhältniß ist anch das zwischen dem Im¬
pressario und den Säugern. Der oben erwähnte Herr Nonzani z. B. engagirt
> die berühmte Sängerin Albina Marray — eine Pseudonyme Deutsch-Bohmiu —
auf fünf Jahre mit zwölfhundert Gulden monatlicher Gage. Er kann sie aber
nur jährlich zwei bis drei Mouate für Triest gebrauchen. Was dann? Dann
schickt er sie — ohne dabei ihre eignen Neigungen zu berücksichtigen — nach Mai¬
land, nach Neapel, zur Sommermesse uach Siuigallia, nach Paris oder, wie eben
jetzt, uach Se. Petersburg, und die Gage, die sie dort erhält, erhält nicht sie,
sondern er, der ihr monatlich ihre 1200 Gulden zahlt. Er hat auf diese Weise
fast das ganze italienische Theatergeschäft jetzt in Händen und dabei wahrscheinlich
einen hübschen Gewinn.

Dies ein Blick hinter die Coulissen italienischer Theater! Nun noch einen
vom Sperrsitz auf die Bühne. Da fällt zuerst der späte Anfang der Vorstellung
dem Deutschen ans: im Winter um acht, im Sommer um neun Uhr. Der Be¬
ginn der Vorstellung, sowie die Verwandlung bei offener Scene zeigt nicht wie
bei uns die Glocke an, sondern eine schrille Pfeife; der Souflenr erscheint in der
offenen Luke und hält es oft nicht für nöthig, den zurückgeschlagene» Fallschirm
über sein Hinterhaupt zu ziehe», auch fällt dieser manchmal wieder zurück durch
sein lebhaftes Agircn während der Vorstellung, denn nicht selten gibt der Souf-
leur auch den Sängern das Tempo an, während der im Hintergrunde des Orchesters,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/324>, abgerufen am 11.02.2025.