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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Provinzialdirectoren, die fast alle im Laufe des Sommers einmal nach Wien
kommen, die geeigneten Subjecte überweisen, wobei außer den Sängern für die
Oper die ersten Komiker und die "Localsängerinnen" die gesuchtesten und bestbe¬
zahlten sind. Eine "Localsängcrin" ist ungefähr das, was bei uns die Soubrette
ist. Sie muß eine frische Stimme, ein gewandtes Spiel und die Fertigkeit
"weanrisch z'plauschen" besitzen und braucht weniger tugendhaft, als hübsch zu sein.
-- Die gedruckten Contractformulare dieser Proviuzialdircctoren mit ihren Mit¬
gliedern zeichnen sich vor andern, z. B. denen des Bnrgtheaters, die in anerken-
nenswerther Einfachheit nur die Grundzüge des gegenseitigen Verhältnisses fest¬
stellen, durch eine Menge von Klauseln und Strasparagraphen aus. Die letzteren
fehlen namentlich nicht für die Fälle "selbstverschuldeter Unpäßlichkeiten" der Herren
und temporärer UnVerwendbarkeit der "unverheirateten" Damen. -- Als merk¬
würdig ist beiläufig noch zu erwähnen, daß keiner der Wiener TheaterageMn
ein "Blatt" als "Gesammtorgan" herausgibt, wie wir deren bei uns mehre
besitzen. Sie haben das wahrscheinlich nicht nöthig, ihr Geschäft geht auch ohnedies.

Das böhmische Theater in Prag, das ungarische Nationaltheater
in Pesth zu besuchen, gehörte zeitweise zum guten Ton, jetzt grade nicht. Dazu
kommt hier, daß eine Art Nationalitätsdemonstration in dem Besuche dieser
Theater liegen würde, die der Gebildete aus guten Gründen gern dem "Volke"
überläßt. Eine solche Rücksicht fällt natürlich weg bei dem italienischen Theater,
welches für Oestreich in Mailand, Venedig, Trieft und in einigen Sommermo¬
naten anch in Wien repräsentirt wird, und auf welches wir schließlich noch einen
Blick werfen.

In Italien, auch schon im östreichischen Italien, ist das Theaterwesen ganz
anders zugeschnitten, als in Deutschland. Alle italienischen Gesellschaften sind
reisende Truppen unter einem Impressario. Das Theaterjahr ist in mehre Saisons
-- StaU'olu -- eingetheilt, und auf derselben Bühne, wo vielleicht noch vor we¬
nigen Tagen eine Schauspielertruppe spielte, finden wir hente eine Oper und in
drei Monaten ein Ballet. Einer der bedeutendsten Jmpressarios für Italien ist
Herr Domenico Ronzani, dessen Wohnsitz in Tuche ist. Dieser z. B. verpflichtet
sich als Pächter contractlich, der prosiäen^a teatral-r, den Verwaltern des der
Stadt gehörenden ?<zg,t,ro Fr-mas, für die Carnevalssaison, vom Januar bis zum
März "Oper und Ballet", dann drei Monate hindurch Schauspiel, und vom
October bis zum December Opera hören herzustellen. Während der drei Sommer¬
monate Juli, August und September wird entweder pausirt, oder aber, wie in
diesem Jahr, eine Opera, ZtraorcUn-irlg, zusammengebracht.

"Oper und Ballet" heißt: eine oder höchstens zwei Opern während des
ganzen Carnevalsquartals, mit Ballet im Zwischenact und am Schluß, wobei die
Oper die Nebensache, das Ballet die Hauptsache ist und wozu mindestens eine
erste Tänzerin wie die Plunkett, die Maywood :c. um hohen Preis aus Paris


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Provinzialdirectoren, die fast alle im Laufe des Sommers einmal nach Wien
kommen, die geeigneten Subjecte überweisen, wobei außer den Sängern für die
Oper die ersten Komiker und die „Localsängerinnen" die gesuchtesten und bestbe¬
zahlten sind. Eine „Localsängcrin" ist ungefähr das, was bei uns die Soubrette
ist. Sie muß eine frische Stimme, ein gewandtes Spiel und die Fertigkeit
„weanrisch z'plauschen" besitzen und braucht weniger tugendhaft, als hübsch zu sein.
— Die gedruckten Contractformulare dieser Proviuzialdircctoren mit ihren Mit¬
gliedern zeichnen sich vor andern, z. B. denen des Bnrgtheaters, die in anerken-
nenswerther Einfachheit nur die Grundzüge des gegenseitigen Verhältnisses fest¬
stellen, durch eine Menge von Klauseln und Strasparagraphen aus. Die letzteren
fehlen namentlich nicht für die Fälle „selbstverschuldeter Unpäßlichkeiten" der Herren
und temporärer UnVerwendbarkeit der „unverheirateten" Damen. — Als merk¬
würdig ist beiläufig noch zu erwähnen, daß keiner der Wiener TheaterageMn
ein „Blatt" als „Gesammtorgan" herausgibt, wie wir deren bei uns mehre
besitzen. Sie haben das wahrscheinlich nicht nöthig, ihr Geschäft geht auch ohnedies.

Das böhmische Theater in Prag, das ungarische Nationaltheater
in Pesth zu besuchen, gehörte zeitweise zum guten Ton, jetzt grade nicht. Dazu
kommt hier, daß eine Art Nationalitätsdemonstration in dem Besuche dieser
Theater liegen würde, die der Gebildete aus guten Gründen gern dem „Volke"
überläßt. Eine solche Rücksicht fällt natürlich weg bei dem italienischen Theater,
welches für Oestreich in Mailand, Venedig, Trieft und in einigen Sommermo¬
naten anch in Wien repräsentirt wird, und auf welches wir schließlich noch einen
Blick werfen.

In Italien, auch schon im östreichischen Italien, ist das Theaterwesen ganz
anders zugeschnitten, als in Deutschland. Alle italienischen Gesellschaften sind
reisende Truppen unter einem Impressario. Das Theaterjahr ist in mehre Saisons
— StaU'olu — eingetheilt, und auf derselben Bühne, wo vielleicht noch vor we¬
nigen Tagen eine Schauspielertruppe spielte, finden wir hente eine Oper und in
drei Monaten ein Ballet. Einer der bedeutendsten Jmpressarios für Italien ist
Herr Domenico Ronzani, dessen Wohnsitz in Tuche ist. Dieser z. B. verpflichtet
sich als Pächter contractlich, der prosiäen^a teatral-r, den Verwaltern des der
Stadt gehörenden ?<zg,t,ro Fr-mas, für die Carnevalssaison, vom Januar bis zum
März „Oper und Ballet", dann drei Monate hindurch Schauspiel, und vom
October bis zum December Opera hören herzustellen. Während der drei Sommer¬
monate Juli, August und September wird entweder pausirt, oder aber, wie in
diesem Jahr, eine Opera, ZtraorcUn-irlg, zusammengebracht.

„Oper und Ballet" heißt: eine oder höchstens zwei Opern während des
ganzen Carnevalsquartals, mit Ballet im Zwischenact und am Schluß, wobei die
Oper die Nebensache, das Ballet die Hauptsache ist und wozu mindestens eine
erste Tänzerin wie die Plunkett, die Maywood :c. um hohen Preis aus Paris


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[0323] Provinzialdirectoren, die fast alle im Laufe des Sommers einmal nach Wien kommen, die geeigneten Subjecte überweisen, wobei außer den Sängern für die Oper die ersten Komiker und die „Localsängerinnen" die gesuchtesten und bestbe¬ zahlten sind. Eine „Localsängcrin" ist ungefähr das, was bei uns die Soubrette ist. Sie muß eine frische Stimme, ein gewandtes Spiel und die Fertigkeit „weanrisch z'plauschen" besitzen und braucht weniger tugendhaft, als hübsch zu sein. — Die gedruckten Contractformulare dieser Proviuzialdircctoren mit ihren Mit¬ gliedern zeichnen sich vor andern, z. B. denen des Bnrgtheaters, die in anerken- nenswerther Einfachheit nur die Grundzüge des gegenseitigen Verhältnisses fest¬ stellen, durch eine Menge von Klauseln und Strasparagraphen aus. Die letzteren fehlen namentlich nicht für die Fälle „selbstverschuldeter Unpäßlichkeiten" der Herren und temporärer UnVerwendbarkeit der „unverheirateten" Damen. — Als merk¬ würdig ist beiläufig noch zu erwähnen, daß keiner der Wiener TheaterageMn ein „Blatt" als „Gesammtorgan" herausgibt, wie wir deren bei uns mehre besitzen. Sie haben das wahrscheinlich nicht nöthig, ihr Geschäft geht auch ohnedies. Das böhmische Theater in Prag, das ungarische Nationaltheater in Pesth zu besuchen, gehörte zeitweise zum guten Ton, jetzt grade nicht. Dazu kommt hier, daß eine Art Nationalitätsdemonstration in dem Besuche dieser Theater liegen würde, die der Gebildete aus guten Gründen gern dem „Volke" überläßt. Eine solche Rücksicht fällt natürlich weg bei dem italienischen Theater, welches für Oestreich in Mailand, Venedig, Trieft und in einigen Sommermo¬ naten anch in Wien repräsentirt wird, und auf welches wir schließlich noch einen Blick werfen. In Italien, auch schon im östreichischen Italien, ist das Theaterwesen ganz anders zugeschnitten, als in Deutschland. Alle italienischen Gesellschaften sind reisende Truppen unter einem Impressario. Das Theaterjahr ist in mehre Saisons — StaU'olu — eingetheilt, und auf derselben Bühne, wo vielleicht noch vor we¬ nigen Tagen eine Schauspielertruppe spielte, finden wir hente eine Oper und in drei Monaten ein Ballet. Einer der bedeutendsten Jmpressarios für Italien ist Herr Domenico Ronzani, dessen Wohnsitz in Tuche ist. Dieser z. B. verpflichtet sich als Pächter contractlich, der prosiäen^a teatral-r, den Verwaltern des der Stadt gehörenden ?<zg,t,ro Fr-mas, für die Carnevalssaison, vom Januar bis zum März „Oper und Ballet", dann drei Monate hindurch Schauspiel, und vom October bis zum December Opera hören herzustellen. Während der drei Sommer¬ monate Juli, August und September wird entweder pausirt, oder aber, wie in diesem Jahr, eine Opera, ZtraorcUn-irlg, zusammengebracht. „Oper und Ballet" heißt: eine oder höchstens zwei Opern während des ganzen Carnevalsquartals, mit Ballet im Zwischenact und am Schluß, wobei die Oper die Nebensache, das Ballet die Hauptsache ist und wozu mindestens eine erste Tänzerin wie die Plunkett, die Maywood :c. um hohen Preis aus Paris 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/323>, abgerufen am 06.02.2025.