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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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in den Zuchthäusern verbüßt werden. Da erstere dem Gesetze gemäß großen-
theils erst errichtet werdeu und die Zuchthäuser ihrer Räumlichkeit nach
jene vertreten müssen, so kaun eine Entleerung der Zuchthäuser erst dann eintre¬
te", wenn die ausreichende Beschaffung jener erfolgt ist. Daß die Ausführung
einer solchen Maßregel mit vielen Schwierigkeiten verknüpft sein muß, beweisen
die Einleitungen, welche von den Behörden begonnen sind. Bis dahin kann das
Zusammenleben einer Musterkarte verschiedener Gefangenen ohne strenge Zucht,
ohne ausreichende Beschäftigung, ohne eine Ausbrüche und Excesse verhindernde
Beaufsichtigung, nur traurige Folgen haben. Es läßt sich deshalb ein bestimmter
Zeitpunkt nicht angeben, in welchem die Aufnahme und Entlassung von Strafge¬
fangenen jeder Classe sich ausgleichen wird. Das Begnadigungsrecht kann in¬
zwischen eine ausgedehntere Anwendung finden, wo es Verbrechern aus Leiden¬
schaft zugutekommen darf. Daß die erhöhten Strafen selber eine Verringerung
der Vergehen oder Verbrechen durch Abschreckung bewirken werden, dürfen wir
in Zweifel ziehen, wenn wir besonders noch hinzufügen, daß bei der großen fast
beispiellosen Theuerung kurz nach der Ernte ein trüber Winter bevorsteht, der bei
der fehlenden Ausgleichung zwischen Lohn und Lebensmitteln den Verwaltungs¬
behörden eine schwere Sorge und den Gerichten eine erhöhte Thätigkeit in Aus¬
sicht stellt. Ein rebellireuder Magen ebnet bekanntlich am leichtesten den Richt¬
steig zum Zuchthause.




Unsere gute Stadt ist ziemlich uovembergrau. Der Börse ist von den
vvieutalischeu Angelegenheiten flau und matt zu Muthe, so daß selbst die trocknen
Börsenberichte fast humoristisch verwundert klingen, wenn einmal dieses oder jenes
Papier eine halbe Stunde lang "begehrt" ward, um schließlich dennoch wieder
"zurückzuweichen." Was sich politisch nennt in der Staatsbürgerschaft, ist ver¬
stimmt vom Kampfe zwischen den "Schwarzen" und "Gothaiiern", während nnr
der "Volksfreund für das mittlere Deutschland" aus seinem Bornheimer Obser¬
vatorium in demokratischer Gesinnungstüchtigkeit mit souveräner Verachtung auf
alles niederschaut, was überhaupt geschieht. Das ganze Publicum ist in Bangen
und Sorge ob der immermehr steigenden Theurung, welche übrigens hier bereits
weit über die Lebensmittel hiuausgegriffeu hat und fast jedes Lebensbedürfniß
umfaßt. Bei den Zunft- und Jnnuugsverhältuisseu, welche wieder in üppigerer
Blüte stehen, als vor -1846, ists wol natürlich. Der Consumeut ist an verhältni߬
mäßig wenige Producenten gebunden und diese sorgen dafür, daß ihre gegenseitige
Concurrenz nicht wachst. Hier bilden in der That nnr die> Messen eine kurze


in den Zuchthäusern verbüßt werden. Da erstere dem Gesetze gemäß großen-
theils erst errichtet werdeu und die Zuchthäuser ihrer Räumlichkeit nach
jene vertreten müssen, so kaun eine Entleerung der Zuchthäuser erst dann eintre¬
te», wenn die ausreichende Beschaffung jener erfolgt ist. Daß die Ausführung
einer solchen Maßregel mit vielen Schwierigkeiten verknüpft sein muß, beweisen
die Einleitungen, welche von den Behörden begonnen sind. Bis dahin kann das
Zusammenleben einer Musterkarte verschiedener Gefangenen ohne strenge Zucht,
ohne ausreichende Beschäftigung, ohne eine Ausbrüche und Excesse verhindernde
Beaufsichtigung, nur traurige Folgen haben. Es läßt sich deshalb ein bestimmter
Zeitpunkt nicht angeben, in welchem die Aufnahme und Entlassung von Strafge¬
fangenen jeder Classe sich ausgleichen wird. Das Begnadigungsrecht kann in¬
zwischen eine ausgedehntere Anwendung finden, wo es Verbrechern aus Leiden¬
schaft zugutekommen darf. Daß die erhöhten Strafen selber eine Verringerung
der Vergehen oder Verbrechen durch Abschreckung bewirken werden, dürfen wir
in Zweifel ziehen, wenn wir besonders noch hinzufügen, daß bei der großen fast
beispiellosen Theuerung kurz nach der Ernte ein trüber Winter bevorsteht, der bei
der fehlenden Ausgleichung zwischen Lohn und Lebensmitteln den Verwaltungs¬
behörden eine schwere Sorge und den Gerichten eine erhöhte Thätigkeit in Aus¬
sicht stellt. Ein rebellireuder Magen ebnet bekanntlich am leichtesten den Richt¬
steig zum Zuchthause.




Unsere gute Stadt ist ziemlich uovembergrau. Der Börse ist von den
vvieutalischeu Angelegenheiten flau und matt zu Muthe, so daß selbst die trocknen
Börsenberichte fast humoristisch verwundert klingen, wenn einmal dieses oder jenes
Papier eine halbe Stunde lang „begehrt" ward, um schließlich dennoch wieder
„zurückzuweichen." Was sich politisch nennt in der Staatsbürgerschaft, ist ver¬
stimmt vom Kampfe zwischen den „Schwarzen" und „Gothaiiern", während nnr
der „Volksfreund für das mittlere Deutschland" aus seinem Bornheimer Obser¬
vatorium in demokratischer Gesinnungstüchtigkeit mit souveräner Verachtung auf
alles niederschaut, was überhaupt geschieht. Das ganze Publicum ist in Bangen
und Sorge ob der immermehr steigenden Theurung, welche übrigens hier bereits
weit über die Lebensmittel hiuausgegriffeu hat und fast jedes Lebensbedürfniß
umfaßt. Bei den Zunft- und Jnnuugsverhältuisseu, welche wieder in üppigerer
Blüte stehen, als vor -1846, ists wol natürlich. Der Consumeut ist an verhältni߬
mäßig wenige Producenten gebunden und diese sorgen dafür, daß ihre gegenseitige
Concurrenz nicht wachst. Hier bilden in der That nnr die> Messen eine kurze


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[0301] in den Zuchthäusern verbüßt werden. Da erstere dem Gesetze gemäß großen- theils erst errichtet werdeu und die Zuchthäuser ihrer Räumlichkeit nach jene vertreten müssen, so kaun eine Entleerung der Zuchthäuser erst dann eintre¬ te», wenn die ausreichende Beschaffung jener erfolgt ist. Daß die Ausführung einer solchen Maßregel mit vielen Schwierigkeiten verknüpft sein muß, beweisen die Einleitungen, welche von den Behörden begonnen sind. Bis dahin kann das Zusammenleben einer Musterkarte verschiedener Gefangenen ohne strenge Zucht, ohne ausreichende Beschäftigung, ohne eine Ausbrüche und Excesse verhindernde Beaufsichtigung, nur traurige Folgen haben. Es läßt sich deshalb ein bestimmter Zeitpunkt nicht angeben, in welchem die Aufnahme und Entlassung von Strafge¬ fangenen jeder Classe sich ausgleichen wird. Das Begnadigungsrecht kann in¬ zwischen eine ausgedehntere Anwendung finden, wo es Verbrechern aus Leiden¬ schaft zugutekommen darf. Daß die erhöhten Strafen selber eine Verringerung der Vergehen oder Verbrechen durch Abschreckung bewirken werden, dürfen wir in Zweifel ziehen, wenn wir besonders noch hinzufügen, daß bei der großen fast beispiellosen Theuerung kurz nach der Ernte ein trüber Winter bevorsteht, der bei der fehlenden Ausgleichung zwischen Lohn und Lebensmitteln den Verwaltungs¬ behörden eine schwere Sorge und den Gerichten eine erhöhte Thätigkeit in Aus¬ sicht stellt. Ein rebellireuder Magen ebnet bekanntlich am leichtesten den Richt¬ steig zum Zuchthause. Unsere gute Stadt ist ziemlich uovembergrau. Der Börse ist von den vvieutalischeu Angelegenheiten flau und matt zu Muthe, so daß selbst die trocknen Börsenberichte fast humoristisch verwundert klingen, wenn einmal dieses oder jenes Papier eine halbe Stunde lang „begehrt" ward, um schließlich dennoch wieder „zurückzuweichen." Was sich politisch nennt in der Staatsbürgerschaft, ist ver¬ stimmt vom Kampfe zwischen den „Schwarzen" und „Gothaiiern", während nnr der „Volksfreund für das mittlere Deutschland" aus seinem Bornheimer Obser¬ vatorium in demokratischer Gesinnungstüchtigkeit mit souveräner Verachtung auf alles niederschaut, was überhaupt geschieht. Das ganze Publicum ist in Bangen und Sorge ob der immermehr steigenden Theurung, welche übrigens hier bereits weit über die Lebensmittel hiuausgegriffeu hat und fast jedes Lebensbedürfniß umfaßt. Bei den Zunft- und Jnnuugsverhältuisseu, welche wieder in üppigerer Blüte stehen, als vor -1846, ists wol natürlich. Der Consumeut ist an verhältni߬ mäßig wenige Producenten gebunden und diese sorgen dafür, daß ihre gegenseitige Concurrenz nicht wachst. Hier bilden in der That nnr die> Messen eine kurze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/301>, abgerufen am 05.02.2025.