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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Im einzelnen führte die Verbreitung der Schreibekunst, des Steindruckes,
der Lithographie und anderer hierhergehöriger Kunstfertigkeiten zur Fälschung von
Staatspapieren, Banknoten und Wechseln, welche erst in der neuern Zeit ange¬
fangen habe", eine so wichtige Rolle zu spielen. In einem der bedeutendsten
jetzigen Handelsplätze Deutschlands war nach dem französischen Kriege ein Wechsel
ein selten vorkommender Gegenstand, heute ist er bereits als Tauschmittel in die
Dörfer eingedrungen. Mit der Ausbildung der Lieferungsgcschäfte, der Schein¬
käufe vermehrte sich die Zahl der Bankerotte, die Sorge für die Erhaltung
eines ehrlichen Namens kehrte sich bald uicht mehr an den Makel eines Banke-
rotts, er gehörte wie eine Verlorne Schlacht oft zu den Mitteln desto kühner und
dreister wieder hervorzutreten.

Mit den Vortheilen und dem Nutzen des Versicherungswesens, der Feuer-
und Lebensversicherungsgesellschaften trat auch bald der Mißbrauch ein. Die Brand-
stiftnngen zur Ausbeutung der Assecuranzgesellschaften mehrten sich anffallend und
wenn es nur selten gelingt, diese oft üppig und stolz von ihrem Verbrechen leben¬
den Brandstifter aller Stände zur wohlverdienten Strafe zu ziehen, so haben doch
die erfolgten Verurtheilungen beigetragen, die Zuchthäuser mit langzeitigen Ge¬
fangenen zu füllen.

Vor der von uns geschilderten Zeit seinen die meisten Menschen bei dem
schlechten Zustande der Landstraßen nicht über den Jahrmarkt der nächsten Stadt
hinaus, nach dem Baue der Chausseen und Eisenbahnen wurde ein großes Ge¬
biet für die Arbeit und den Verkehr erst zugänglich. Mit der Erweiterung des
Blickes für den redlichen Erwerb schärfte sich zugleich das Auge, diese Neiseer-
leichteruug auf unredliche Weise auszubeuten. Schon die öffentlichen Arbeiten
an Eisenbahnen und Chausseen zogen viele Arbeiter aus allen Gegenden an sich,
ein nicht kleiner Theil wurde deu gewöhnlichen Verhältnissen entwöhnt, der höhere
Arbeitslohn hatte sie bei Entfernung vom häuslichen Herde die einfache und
billige Hauskvst aufgeben lassen, der Gedanke an die in der Entfernung schlechter
lebende Familie trat in den Hintergrund und die Nachtheile dieses Lebens wirkten
nach Aufhörung der öffentlichen Arbeiten sichtlich auf die Vermehrung der Ver¬
brechen ein.

Der frühere Zustand der Verkehrsmittel machte Handels- und Börsennach¬
richten nnr auf kostbare und schwerfällige Weise deu Geschäftstreibeubeu zugänglich,
wieviel Korrespondenz ersparen jetzt die Zeitungen; die Cours-, Börsen- und
Marktberichte verbreiten sich jetzt anch in das Haus des kleinen Landmannes, die
Fieberhitze und der Frost ans einer großen Börse verbreitet sich durch die Drähte
des Telegraphen über den ganzen Körper der Geschäftswelt, Schwindel- und Wech-
selfieber verbreiten sich gleichmäßig und die Eisenbahnen erleichtern im Guten und
Bösen die Benutzung dieser glücklichen Veränderung. Der Schwindler, der Gau¬
ner, der Betrüger, der Dieb findet ein reiches Feld seiner Thätigkeit, er sucht


Im einzelnen führte die Verbreitung der Schreibekunst, des Steindruckes,
der Lithographie und anderer hierhergehöriger Kunstfertigkeiten zur Fälschung von
Staatspapieren, Banknoten und Wechseln, welche erst in der neuern Zeit ange¬
fangen habe», eine so wichtige Rolle zu spielen. In einem der bedeutendsten
jetzigen Handelsplätze Deutschlands war nach dem französischen Kriege ein Wechsel
ein selten vorkommender Gegenstand, heute ist er bereits als Tauschmittel in die
Dörfer eingedrungen. Mit der Ausbildung der Lieferungsgcschäfte, der Schein¬
käufe vermehrte sich die Zahl der Bankerotte, die Sorge für die Erhaltung
eines ehrlichen Namens kehrte sich bald uicht mehr an den Makel eines Banke-
rotts, er gehörte wie eine Verlorne Schlacht oft zu den Mitteln desto kühner und
dreister wieder hervorzutreten.

Mit den Vortheilen und dem Nutzen des Versicherungswesens, der Feuer-
und Lebensversicherungsgesellschaften trat auch bald der Mißbrauch ein. Die Brand-
stiftnngen zur Ausbeutung der Assecuranzgesellschaften mehrten sich anffallend und
wenn es nur selten gelingt, diese oft üppig und stolz von ihrem Verbrechen leben¬
den Brandstifter aller Stände zur wohlverdienten Strafe zu ziehen, so haben doch
die erfolgten Verurtheilungen beigetragen, die Zuchthäuser mit langzeitigen Ge¬
fangenen zu füllen.

Vor der von uns geschilderten Zeit seinen die meisten Menschen bei dem
schlechten Zustande der Landstraßen nicht über den Jahrmarkt der nächsten Stadt
hinaus, nach dem Baue der Chausseen und Eisenbahnen wurde ein großes Ge¬
biet für die Arbeit und den Verkehr erst zugänglich. Mit der Erweiterung des
Blickes für den redlichen Erwerb schärfte sich zugleich das Auge, diese Neiseer-
leichteruug auf unredliche Weise auszubeuten. Schon die öffentlichen Arbeiten
an Eisenbahnen und Chausseen zogen viele Arbeiter aus allen Gegenden an sich,
ein nicht kleiner Theil wurde deu gewöhnlichen Verhältnissen entwöhnt, der höhere
Arbeitslohn hatte sie bei Entfernung vom häuslichen Herde die einfache und
billige Hauskvst aufgeben lassen, der Gedanke an die in der Entfernung schlechter
lebende Familie trat in den Hintergrund und die Nachtheile dieses Lebens wirkten
nach Aufhörung der öffentlichen Arbeiten sichtlich auf die Vermehrung der Ver¬
brechen ein.

Der frühere Zustand der Verkehrsmittel machte Handels- und Börsennach¬
richten nnr auf kostbare und schwerfällige Weise deu Geschäftstreibeubeu zugänglich,
wieviel Korrespondenz ersparen jetzt die Zeitungen; die Cours-, Börsen- und
Marktberichte verbreiten sich jetzt anch in das Haus des kleinen Landmannes, die
Fieberhitze und der Frost ans einer großen Börse verbreitet sich durch die Drähte
des Telegraphen über den ganzen Körper der Geschäftswelt, Schwindel- und Wech-
selfieber verbreiten sich gleichmäßig und die Eisenbahnen erleichtern im Guten und
Bösen die Benutzung dieser glücklichen Veränderung. Der Schwindler, der Gau¬
ner, der Betrüger, der Dieb findet ein reiches Feld seiner Thätigkeit, er sucht


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[0298] Im einzelnen führte die Verbreitung der Schreibekunst, des Steindruckes, der Lithographie und anderer hierhergehöriger Kunstfertigkeiten zur Fälschung von Staatspapieren, Banknoten und Wechseln, welche erst in der neuern Zeit ange¬ fangen habe», eine so wichtige Rolle zu spielen. In einem der bedeutendsten jetzigen Handelsplätze Deutschlands war nach dem französischen Kriege ein Wechsel ein selten vorkommender Gegenstand, heute ist er bereits als Tauschmittel in die Dörfer eingedrungen. Mit der Ausbildung der Lieferungsgcschäfte, der Schein¬ käufe vermehrte sich die Zahl der Bankerotte, die Sorge für die Erhaltung eines ehrlichen Namens kehrte sich bald uicht mehr an den Makel eines Banke- rotts, er gehörte wie eine Verlorne Schlacht oft zu den Mitteln desto kühner und dreister wieder hervorzutreten. Mit den Vortheilen und dem Nutzen des Versicherungswesens, der Feuer- und Lebensversicherungsgesellschaften trat auch bald der Mißbrauch ein. Die Brand- stiftnngen zur Ausbeutung der Assecuranzgesellschaften mehrten sich anffallend und wenn es nur selten gelingt, diese oft üppig und stolz von ihrem Verbrechen leben¬ den Brandstifter aller Stände zur wohlverdienten Strafe zu ziehen, so haben doch die erfolgten Verurtheilungen beigetragen, die Zuchthäuser mit langzeitigen Ge¬ fangenen zu füllen. Vor der von uns geschilderten Zeit seinen die meisten Menschen bei dem schlechten Zustande der Landstraßen nicht über den Jahrmarkt der nächsten Stadt hinaus, nach dem Baue der Chausseen und Eisenbahnen wurde ein großes Ge¬ biet für die Arbeit und den Verkehr erst zugänglich. Mit der Erweiterung des Blickes für den redlichen Erwerb schärfte sich zugleich das Auge, diese Neiseer- leichteruug auf unredliche Weise auszubeuten. Schon die öffentlichen Arbeiten an Eisenbahnen und Chausseen zogen viele Arbeiter aus allen Gegenden an sich, ein nicht kleiner Theil wurde deu gewöhnlichen Verhältnissen entwöhnt, der höhere Arbeitslohn hatte sie bei Entfernung vom häuslichen Herde die einfache und billige Hauskvst aufgeben lassen, der Gedanke an die in der Entfernung schlechter lebende Familie trat in den Hintergrund und die Nachtheile dieses Lebens wirkten nach Aufhörung der öffentlichen Arbeiten sichtlich auf die Vermehrung der Ver¬ brechen ein. Der frühere Zustand der Verkehrsmittel machte Handels- und Börsennach¬ richten nnr auf kostbare und schwerfällige Weise deu Geschäftstreibeubeu zugänglich, wieviel Korrespondenz ersparen jetzt die Zeitungen; die Cours-, Börsen- und Marktberichte verbreiten sich jetzt anch in das Haus des kleinen Landmannes, die Fieberhitze und der Frost ans einer großen Börse verbreitet sich durch die Drähte des Telegraphen über den ganzen Körper der Geschäftswelt, Schwindel- und Wech- selfieber verbreiten sich gleichmäßig und die Eisenbahnen erleichtern im Guten und Bösen die Benutzung dieser glücklichen Veränderung. Der Schwindler, der Gau¬ ner, der Betrüger, der Dieb findet ein reiches Feld seiner Thätigkeit, er sucht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/298>, abgerufen am 06.02.2025.