Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Aemter und das Recht des Vierzigster gewährten, den sie von allen ihnen unter¬ Die äußerst verwickelte Hierarchie und Verfassung des Ulema ist selbst in Die Muftis folgen in der Hierarchie unmittelbar ans die Mollas, die Mit¬ Die Imaus zerfallen in fünf Classen: 1. Die Cheiks oder Prediger der Grciizboteii. IV. ->8ö3. 33
Aemter und das Recht des Vierzigster gewährten, den sie von allen ihnen unter¬ Die äußerst verwickelte Hierarchie und Verfassung des Ulema ist selbst in Die Muftis folgen in der Hierarchie unmittelbar ans die Mollas, die Mit¬ Die Imaus zerfallen in fünf Classen: 1. Die Cheiks oder Prediger der Grciizboteii. IV. ->8ö3. 33
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Aemter und das Recht des Vierzigster gewährten, den sie von allen ihnen unter¬
breiteten Processen erhoben; die Verwaltung der Gnkafs oder des Grundeigen-
thums der Moscheen; die Sorgfalt, mit der sie nur die fähigsten Mitglieder des
Ulema in ihre Körperschaft aufnahmen: alles dies verschaffte ihnen ein bedeuten¬
des Uebergewicht über die Imaus, welche ans den Dotationen der Moscheen
schlecht besoldet, arm, unwissend, mit dem Volke verschmolzen, oft genöthigt, zu
Handarbeiten ihre Zuflucht zu nehmen, um ihr unzureichendes Einkommen zu ver¬
bessern, den- letzten Rang im Ulema einnahmen. Diese Ungleichheit stieg noth¬
wendig mit der Zeit und führte zu der gegenwärtigen Lage der Dinge, wo die
Diener des> Cultus dem bürgerlichen Richter untergeordnet find, der über sie die
Rechte eines Diöccsanbischvfs hat. Das Princip der Einheit der richterlichen und
geistlichen Functionen besteht jedoch noch immer: der Mufti hat sich das Recht vor¬
behalten, bei der Thronbesteigung des Sultan das Gebet zu halten und die beiden
Almoscniers des kaiserlichen Palastes gehören zur ersten Classe des Nichterstandcs.
Die äußerst verwickelte Hierarchie und Verfassung des Ulema ist selbst in
der Türkei wenig bekannt. Von den drei Classen desselben, den Richtern oder
Kadis, den Lehrern und Auslegern des Gesetzes, Muftis, und den Dienern des
Cultus, Imaus, bekleiden die Mitglieder der ersten Classe sämmtliche Nichterstclleu
in der europäischen und asiatischen Türkei.
Die Muftis folgen in der Hierarchie unmittelbar ans die Mollas, die Mit¬
glieder der Appellationshöfe und Vorsteher der Landgerichte. Sie bilden eine
Körperschaft von etwa 200 Mitgliedern, die ans Lebenszeit von dem Cheik-el-islam,
dem Oberhaupte der Ulcmas, dem türkischen Justiz- und Cultusminister, ernannt
werden, alle in gleichem Range stehen, und deren Beruf es ist, FetvaS oder Con-
sultationen zu ertheilen, welche das Recht der Parteien feststellen und den Richter
aufklären, ohne ihm Zwang anzuthun. Der Mufti ist nur der Ausleger des Ge¬
setzes: der Richter dagegen wendet es an »ud erkennt über den Thatbestand.
Bei einem jeden Landgericht ist ein Mufti angestellt. Er kann auf die höheren
Nichteräinter keinen Anspruch machen und hat nur Aussicht, von einer kleineren
in eine größere Stadt mit vermehrtem Einkommen versetzt zu werden.
Die Imaus zerfallen in fünf Classen: 1. Die Cheiks oder Prediger der
Moscheen. 2. Die Khatibs, Vorleser, welche als Vertreter des Sultans im Imam
in seinem Namen das Freitagsgebct vor dem Altare abhalten. 3. Die Imaus,
welche die gewöhnlichen Dienste in der Moschee verrichten nud die Heiraths- und
Leichenfeicrtichkeiten vollziehen. 4. Die Mnezzins oder Ausrufer, welche die Stunde
der 5 Namaz ankündigen. S, Die Caylus, die den innern Dienst in der Mo¬
schee verrichten. Das Personal der verschiedenen Moscheen richtet sich nach ihrer
Bedeutung und ihrem Einkommen. Die kaiserlichen Moscheen haben in der Regel
einen Cheik, einen Khatib, 2—S Imaus, 12 Muezzins und- 20 Caylus. Kon¬
stantinopel allein besitzt 14 solcher Moscheen.
Grciizboteii. IV. ->8ö3. 33
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