Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.alte überwundene Princip des Naturrechts zurückgingen, sondern das neugewon¬ Nachdem der Verfasser diese Conflicte sehr anschaulich im Einzelne" Um diesen Sajz zu begründen, hebt der Verfasser (S. 66) den Unterschied "Es ist eine, wenn nicht mystische, doch nichts erklärende Weise der Be¬ alte überwundene Princip des Naturrechts zurückgingen, sondern das neugewon¬ Nachdem der Verfasser diese Conflicte sehr anschaulich im Einzelne» Um diesen Sajz zu begründen, hebt der Verfasser (S. 66) den Unterschied „Es ist eine, wenn nicht mystische, doch nichts erklärende Weise der Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96976"/> <p xml:id="ID_799" prev="#ID_798"> alte überwundene Princip des Naturrechts zurückgingen, sondern das neugewon¬<lb/> nene Princip der Geschichte nur nach alle» Seiten hin zu erweitern suchten.<lb/> So hebt Gans hervor, „daß überhaupt in deu positive» Wissenschaften, .. . seit<lb/> sie, sich vo» der der Wirklichkeit feindlich gegenüberstehenden, nach einem abstrac-<lb/> ten Ideale strebenden Philosophie völlig getrennt fühlend, auf ihre« eignen Füßen<lb/> zu stehen begonnen, ein allgemeines Streben nach Vergleichung erwacht sei,<lb/> in deren Bedürfniß schon die Anerkennung liege, daß nicht das Einzelne eine<lb/> Wahrheit habe, sondern daß sich diese einzig und allein in der Totalität finde,<lb/> wovon jedes Einzelne mir el» Moment sei." — Es stimmte das mit der Grund-<lb/> lehre der Hegelschen Geschichtsphilosophie überein, daß die Völker zwar in sich,<lb/> in Kunst, Religion, Philosophie, namentlich auch in der ihnen gemäßen Verfas¬<lb/> sung, eine in sich abgeschlossene Individualität bilden, daß sie aber andern Trä¬<lb/> gern des Weltgeistes gegenüber nur ein Moment der Entwickelung bilden. So<lb/> verhält sich also die Geschichte der positiven Rechte zum Naturrecht, nicht wie die<lb/> Aufzählung unendlicher provisorischer Zustände zu dem einen endgiltige» perem-<lb/> torischen. Das Naturrecht ist nichts weiter, als die Philosophie des Rechts der<lb/> Gegenwart; es hat keinen andern Inhalt, als das positive Recht selbst, das in<lb/> ihm nnr sein Aeußerliches abgestreift hat und seinen rein abgeschälten Kern, als<lb/> das wahrhaft Inwendige, erscheinen läßt. Jede Zeit hat ihr Naturrecht, welches<lb/> sie selbst, in Gedanken gefaßt, ist. Die Universalgeschichte darf deshalb keinem<lb/> Volke und keiner Zeit eine ausschließliche Wichtigkeit zugestehen, sondern jedes<lb/> Volk uur berücksichtigen, insofern es eine Stufe in der Entwickelung der allgemei¬<lb/> nen Rechtsidee einnimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_800"> Nachdem der Verfasser diese Conflicte sehr anschaulich im Einzelne»<lb/> verfolgt hat, stellt er seine eigene Thesis ans, in der die Gegensätze gleichsam<lb/> ihre Versöhnung finden sollen (S. 35): „Das Recht ist, wie das Naturrecht des<lb/> vorigen Jahrhunderts lehrte, ein absolutes; das Recht ist, wie die historische<lb/> Schule lehrt, geschichtlich entstanden; seine Entstehung hat aber nicht stattgefun¬<lb/> den in und mit irgend einem Volk, sondern das Recht entstand und konnte uur<lb/> entstehen bei einem Vereine von Menschen, der kein Volk war." Mit andern<lb/> Worten: „Das absolute Recht ist das römische."</p><lb/> <p xml:id="ID_801"> Um diesen Sajz zu begründen, hebt der Verfasser (S. 66) den Unterschied<lb/> zwischen dem traditionellen und dem bewußten Recht (tas und Ms) schärfer hervor.</p><lb/> <p xml:id="ID_802" next="#ID_803"> „Es ist eine, wenn nicht mystische, doch nichts erklärende Weise der Be¬<lb/> trachtung, wenn man, wie das Lied, die Sagen, das Epos, so auch das Recht<lb/> eines Volkes als das Erzeugniß des „Nolksgeistes" hinstellt, ähnlich wie ma-n<lb/> dem „Weltgeist" das Geschäft übertragen hat, die Politik zu besorgen: als ob<lb/> man das Product begreifen könnte, ohne seine Factoren zu keimen; ja, als ob<lb/> es etwas erklären hieße, das Product bringe sich selber hervor; als wenn die<lb/> Naturnothwendigkeit anch in deu Kreisen, wo sie wirklich waltet, sich nicht in</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
alte überwundene Princip des Naturrechts zurückgingen, sondern das neugewon¬
nene Princip der Geschichte nur nach alle» Seiten hin zu erweitern suchten.
So hebt Gans hervor, „daß überhaupt in deu positive» Wissenschaften, .. . seit
sie, sich vo» der der Wirklichkeit feindlich gegenüberstehenden, nach einem abstrac-
ten Ideale strebenden Philosophie völlig getrennt fühlend, auf ihre« eignen Füßen
zu stehen begonnen, ein allgemeines Streben nach Vergleichung erwacht sei,
in deren Bedürfniß schon die Anerkennung liege, daß nicht das Einzelne eine
Wahrheit habe, sondern daß sich diese einzig und allein in der Totalität finde,
wovon jedes Einzelne mir el» Moment sei." — Es stimmte das mit der Grund-
lehre der Hegelschen Geschichtsphilosophie überein, daß die Völker zwar in sich,
in Kunst, Religion, Philosophie, namentlich auch in der ihnen gemäßen Verfas¬
sung, eine in sich abgeschlossene Individualität bilden, daß sie aber andern Trä¬
gern des Weltgeistes gegenüber nur ein Moment der Entwickelung bilden. So
verhält sich also die Geschichte der positiven Rechte zum Naturrecht, nicht wie die
Aufzählung unendlicher provisorischer Zustände zu dem einen endgiltige» perem-
torischen. Das Naturrecht ist nichts weiter, als die Philosophie des Rechts der
Gegenwart; es hat keinen andern Inhalt, als das positive Recht selbst, das in
ihm nnr sein Aeußerliches abgestreift hat und seinen rein abgeschälten Kern, als
das wahrhaft Inwendige, erscheinen läßt. Jede Zeit hat ihr Naturrecht, welches
sie selbst, in Gedanken gefaßt, ist. Die Universalgeschichte darf deshalb keinem
Volke und keiner Zeit eine ausschließliche Wichtigkeit zugestehen, sondern jedes
Volk uur berücksichtigen, insofern es eine Stufe in der Entwickelung der allgemei¬
nen Rechtsidee einnimmt.
Nachdem der Verfasser diese Conflicte sehr anschaulich im Einzelne»
verfolgt hat, stellt er seine eigene Thesis ans, in der die Gegensätze gleichsam
ihre Versöhnung finden sollen (S. 35): „Das Recht ist, wie das Naturrecht des
vorigen Jahrhunderts lehrte, ein absolutes; das Recht ist, wie die historische
Schule lehrt, geschichtlich entstanden; seine Entstehung hat aber nicht stattgefun¬
den in und mit irgend einem Volk, sondern das Recht entstand und konnte uur
entstehen bei einem Vereine von Menschen, der kein Volk war." Mit andern
Worten: „Das absolute Recht ist das römische."
Um diesen Sajz zu begründen, hebt der Verfasser (S. 66) den Unterschied
zwischen dem traditionellen und dem bewußten Recht (tas und Ms) schärfer hervor.
„Es ist eine, wenn nicht mystische, doch nichts erklärende Weise der Be¬
trachtung, wenn man, wie das Lied, die Sagen, das Epos, so auch das Recht
eines Volkes als das Erzeugniß des „Nolksgeistes" hinstellt, ähnlich wie ma-n
dem „Weltgeist" das Geschäft übertragen hat, die Politik zu besorgen: als ob
man das Product begreifen könnte, ohne seine Factoren zu keimen; ja, als ob
es etwas erklären hieße, das Product bringe sich selber hervor; als wenn die
Naturnothwendigkeit anch in deu Kreisen, wo sie wirklich waltet, sich nicht in
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