Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.in"s verwandt, der in der Kunst, grade wie die snpranaturalischcn Theologen in Was sich nie und nimmer hat begeben, noch immer vereinzelt, und wenn er auch in vielen seiner didaktischen Gedichte in»s verwandt, der in der Kunst, grade wie die snpranaturalischcn Theologen in Was sich nie und nimmer hat begeben, noch immer vereinzelt, und wenn er auch in vielen seiner didaktischen Gedichte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96886"/> <p xml:id="ID_486" prev="#ID_485" next="#ID_487"> in»s verwandt, der in der Kunst, grade wie die snpranaturalischcn Theologen in<lb/> der Religion, etwas Uebcrüdisches sieht und ihr nicht die correcte Buchstabenschrift,<lb/> sondern nnr die Hieroglyphe verstattet. Man kann es den damaligen Dichtern<lb/> nicht verdenken, daß sie den Werth und die Bedeutung der Kunst im Gegensatz<lb/> zum Leben übertrieben, weil damals die deutsche Kunst in der That mehr werth<lb/> war, als das deutsche Lebe», aber daß es eine Uebertreibung war, zeigte sich<lb/> angenblicklich in der romantischen Schule, die mit weniger Talent und größerer<lb/> doctrinärer Consequenz dieses Princip weiter ausbildete. Bei Schiller stehen<lb/> solche Aussprüche:</p><lb/> <quote> Was sich nie und nimmer hat begeben,<lb/> Das allein veraltet nie,</quote><lb/> <p xml:id="ID_487" prev="#ID_486" next="#ID_488"> noch immer vereinzelt, und wenn er auch in vielen seiner didaktischen Gedichte<lb/> weiter nichts auseinandersetzt, als daß die Schattenwelt des Ideals und der Ein¬<lb/> bildungskraft etwas weit Höheres sei, als die Wirklichkeit, so führt er diese etwas<lb/> nihilistische Ansicht mit so lebendigen Farben ans, daß wir seine Abstractionen<lb/> kaum gewahr werde». Wenn sich aber z. B. Novalis der Sache annimmt, so<lb/> wird aus jener Schattcnwclt bitterer Ernst, wir werden in eine märchenhafte Däm¬<lb/> merung vertieft, in der wir nichts mehr unterscheiden, in der wir nnr noch ahnen<lb/> und uns sehnen. Novalis war daher ganz consequent, wenn er in Wilhelm<lb/> Meister, den die übrige Schule als den höchsten Ausdruck der deutsche» Poesie ver¬<lb/> ehrte, nichts anderes sah, als eine Verleugnung der Poesie: den» die irrationeller<lb/> Verhältnisse werde» in diesem Roman, wenn auch nicht immer auf eine ganz cor¬<lb/> recte Weise, dem Weltverstand geopfert. Aber Göthe selbst versenkte sich immer<lb/> tiefer in diese romantische Zaubermacht. Die weitere Ausführung des Faust, die<lb/> Wahlverwandtschaften, vor allem aber das berühmte Märchen, treten ganz aus<lb/> dem Princip des künstlerischen Realismus heraus und gehen in ihrer Mystik und<lb/> Symbolik Hand in Hand mit Tieck, mit Novalis und Schelling. — Bei Arnim<lb/> zeigt sich diese snpranatnralistische Wendung zuerst darin, daß er in seiner Rück¬<lb/> kehr zum nationalen Leben nicht die Geschichte, sondern die Sage aufsucht, daß<lb/> er also das lebhafte und starke sittliche Gefühl, welches in ihm lebte, nicht auf<lb/> concrete, sondern ans phantastische Gegenstände anwendete, zu denen es in der<lb/> Regel nur in ein künstliches Verhältniß gesetzt werden konnte; serner in der mär¬<lb/> chenhaften Behandlung der geschichtlichen Stoffe. Die kantische Philosophie hatte<lb/> solange und mit so großer Ausdauer die Begriffe „Raum" und „Zeit" zu bloßen<lb/> Gedankenforme» verflüchtigt, daß die Dichter, die wenigstens dieselbe Atmosphäre<lb/> athmeten, gar keine Ehrfurcht mehr vor Raum und Zeit hegten, worin sie umso-<lb/> mehr bestärkt wurden, als damals der teutonische Naturphilosoph Jacob Böhme<lb/> gewissermaßen neu entdeckt wurde, in dem diese Nichtachtung von Raum und Zeit,<lb/> die durch die kritische Philosophie erst künstlich hervorgerufen wurde, bereits im<lb/> Jnstinct lag. Wie aber Raum und Zeit die ersten nothwendigen Formen unse-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
in»s verwandt, der in der Kunst, grade wie die snpranaturalischcn Theologen in
der Religion, etwas Uebcrüdisches sieht und ihr nicht die correcte Buchstabenschrift,
sondern nnr die Hieroglyphe verstattet. Man kann es den damaligen Dichtern
nicht verdenken, daß sie den Werth und die Bedeutung der Kunst im Gegensatz
zum Leben übertrieben, weil damals die deutsche Kunst in der That mehr werth
war, als das deutsche Lebe», aber daß es eine Uebertreibung war, zeigte sich
angenblicklich in der romantischen Schule, die mit weniger Talent und größerer
doctrinärer Consequenz dieses Princip weiter ausbildete. Bei Schiller stehen
solche Aussprüche:
Was sich nie und nimmer hat begeben,
Das allein veraltet nie,
noch immer vereinzelt, und wenn er auch in vielen seiner didaktischen Gedichte
weiter nichts auseinandersetzt, als daß die Schattenwelt des Ideals und der Ein¬
bildungskraft etwas weit Höheres sei, als die Wirklichkeit, so führt er diese etwas
nihilistische Ansicht mit so lebendigen Farben ans, daß wir seine Abstractionen
kaum gewahr werde». Wenn sich aber z. B. Novalis der Sache annimmt, so
wird aus jener Schattcnwclt bitterer Ernst, wir werden in eine märchenhafte Däm¬
merung vertieft, in der wir nichts mehr unterscheiden, in der wir nnr noch ahnen
und uns sehnen. Novalis war daher ganz consequent, wenn er in Wilhelm
Meister, den die übrige Schule als den höchsten Ausdruck der deutsche» Poesie ver¬
ehrte, nichts anderes sah, als eine Verleugnung der Poesie: den» die irrationeller
Verhältnisse werde» in diesem Roman, wenn auch nicht immer auf eine ganz cor¬
recte Weise, dem Weltverstand geopfert. Aber Göthe selbst versenkte sich immer
tiefer in diese romantische Zaubermacht. Die weitere Ausführung des Faust, die
Wahlverwandtschaften, vor allem aber das berühmte Märchen, treten ganz aus
dem Princip des künstlerischen Realismus heraus und gehen in ihrer Mystik und
Symbolik Hand in Hand mit Tieck, mit Novalis und Schelling. — Bei Arnim
zeigt sich diese snpranatnralistische Wendung zuerst darin, daß er in seiner Rück¬
kehr zum nationalen Leben nicht die Geschichte, sondern die Sage aufsucht, daß
er also das lebhafte und starke sittliche Gefühl, welches in ihm lebte, nicht auf
concrete, sondern ans phantastische Gegenstände anwendete, zu denen es in der
Regel nur in ein künstliches Verhältniß gesetzt werden konnte; serner in der mär¬
chenhaften Behandlung der geschichtlichen Stoffe. Die kantische Philosophie hatte
solange und mit so großer Ausdauer die Begriffe „Raum" und „Zeit" zu bloßen
Gedankenforme» verflüchtigt, daß die Dichter, die wenigstens dieselbe Atmosphäre
athmeten, gar keine Ehrfurcht mehr vor Raum und Zeit hegten, worin sie umso-
mehr bestärkt wurden, als damals der teutonische Naturphilosoph Jacob Böhme
gewissermaßen neu entdeckt wurde, in dem diese Nichtachtung von Raum und Zeit,
die durch die kritische Philosophie erst künstlich hervorgerufen wurde, bereits im
Jnstinct lag. Wie aber Raum und Zeit die ersten nothwendigen Formen unse-
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