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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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sandter Ludwigs XVl. mit dem östreichischen und preußischen Minister, den Grafen
Kobenzl und Haugwitz. Er betrieb auf das dringendste den Erlaß eines Mani¬
festes, durch welches der Charakter des Krieges dem französischen Volke feierlich
bezeichnet wurde. Er forderte kräftige Drohungen gegen die Jakobiner und
beruhigende Zusicherungen für die friedfertige Bevölkerung. Er war einverstanden
mit den beiden Ministern, daß der Krieg einmal keine deutsche Eroberung, sodann
aber, daß er nicht die Herstellung des Feudalstaats beabsichtige. Leider aber war
von dem letzten Punkte in dem Manifest nicht die Rede. Ueberdies fielen Mal-
lets Plane in die Hand eines eifrigen Emigranten, des Marquis Linon, der
statt gegen den Feudalstaat einen Zusatz zu macheu, alle Drohungen des Mani¬
festes nnr maßlos steigerte, so daß der Mangel jeglicher Würde nicht einschüchtern,
sondern nur erbittern konnte. Der Herzog von Braunschweig hatte nicht die
Kraft, seine Bedenken hiergegen dem Willen der Monarchen entgegenzusetzen: er
unterzeichnete das Manifest am 26. Juli. Es machte ans die französische Bevöl¬
kerung sast gar keinen Eindruck; aber grade daß es so spurlos vorüberging, war
ein großes Mißgeschick.

Endlich erfolgte der Angriff der Preußen; er war aber um so schwächer, als
30,000 Maun Oestreicher ausblieben. Der Herzog von Braunschweig hatte
wenig Freude am Kriege; der Zug des Heeres ging die Mosel aufwärts im
Schneckengange; man brauchte 20 Tage von Koblenz bis zur französischen Grenze.
Bei Valmy äußerte sich entschiedene Uneinigkeit zwischen dem König Friedrich
Wilhelm und dem Herzog. Der König wollte stürmen und schlagen, der Herzog
aber wollte ein für allemal auf eine Schlacht sich nicht einlassen, da sie auch bei
günstigem Ausgang Blut gekostet hätte, er aber jede Einbuße für unersetzlich und
den Marsch ans Paris in jedem Falle für verderblich hielt. So wickelte sich
Kellermann ans seinem gefährliche" Posten heraus und die preußische Demonstra¬
tion wurde eine leere Scheinbewegnng. Unter diesen Umständen fanden Dumou-
riezs Friedensvorschläge bei dem Herzog günstiges Gehör. Dumouriez hatte von
jeher sein politisches System auf Krieg gegen Oestreich und Friede mit Preußen
gestellt. Bei Valmy war der Privatsecretär des Königs, Lombard, nebst eini¬
gen andern Civilpersonen gefangen worden. Dumouriez setzte ihn am folgenden
Tage auf Begehren des Königs in Freiheit und gab ihm eine kurze Denkschrift
mit, in welcher namentlich ausgeführt war, wie Preußen kein Interesse habe, sich
für das ihm stets feindliche Oestreich zu opfern, und demnach ward ein Abkom¬
men ans dem Fuße der zuletzt im Frühling versuchten Unterhandlungen angeboten.
Der Herzog von Braunschweig ging lebhaft auf diese Vorschläge ein und fand
eine große Unterstützung bei dem Generaladjutanten des Königs, dem Obersten
Manstein. Dieser gehörte zu dem frömmelnden Kreise, der bei dem Könige
Einfluß übte. Manstein war sehr ehrgeizig; er war in militärischen Dinge" auf
den Herzog, in diplomatischen auf Bischosswerder eifersüchtig. Reiner Egoist und


Grenzboten. IV. 18ÜZ. 22

sandter Ludwigs XVl. mit dem östreichischen und preußischen Minister, den Grafen
Kobenzl und Haugwitz. Er betrieb auf das dringendste den Erlaß eines Mani¬
festes, durch welches der Charakter des Krieges dem französischen Volke feierlich
bezeichnet wurde. Er forderte kräftige Drohungen gegen die Jakobiner und
beruhigende Zusicherungen für die friedfertige Bevölkerung. Er war einverstanden
mit den beiden Ministern, daß der Krieg einmal keine deutsche Eroberung, sodann
aber, daß er nicht die Herstellung des Feudalstaats beabsichtige. Leider aber war
von dem letzten Punkte in dem Manifest nicht die Rede. Ueberdies fielen Mal-
lets Plane in die Hand eines eifrigen Emigranten, des Marquis Linon, der
statt gegen den Feudalstaat einen Zusatz zu macheu, alle Drohungen des Mani¬
festes nnr maßlos steigerte, so daß der Mangel jeglicher Würde nicht einschüchtern,
sondern nur erbittern konnte. Der Herzog von Braunschweig hatte nicht die
Kraft, seine Bedenken hiergegen dem Willen der Monarchen entgegenzusetzen: er
unterzeichnete das Manifest am 26. Juli. Es machte ans die französische Bevöl¬
kerung sast gar keinen Eindruck; aber grade daß es so spurlos vorüberging, war
ein großes Mißgeschick.

Endlich erfolgte der Angriff der Preußen; er war aber um so schwächer, als
30,000 Maun Oestreicher ausblieben. Der Herzog von Braunschweig hatte
wenig Freude am Kriege; der Zug des Heeres ging die Mosel aufwärts im
Schneckengange; man brauchte 20 Tage von Koblenz bis zur französischen Grenze.
Bei Valmy äußerte sich entschiedene Uneinigkeit zwischen dem König Friedrich
Wilhelm und dem Herzog. Der König wollte stürmen und schlagen, der Herzog
aber wollte ein für allemal auf eine Schlacht sich nicht einlassen, da sie auch bei
günstigem Ausgang Blut gekostet hätte, er aber jede Einbuße für unersetzlich und
den Marsch ans Paris in jedem Falle für verderblich hielt. So wickelte sich
Kellermann ans seinem gefährliche» Posten heraus und die preußische Demonstra¬
tion wurde eine leere Scheinbewegnng. Unter diesen Umständen fanden Dumou-
riezs Friedensvorschläge bei dem Herzog günstiges Gehör. Dumouriez hatte von
jeher sein politisches System auf Krieg gegen Oestreich und Friede mit Preußen
gestellt. Bei Valmy war der Privatsecretär des Königs, Lombard, nebst eini¬
gen andern Civilpersonen gefangen worden. Dumouriez setzte ihn am folgenden
Tage auf Begehren des Königs in Freiheit und gab ihm eine kurze Denkschrift
mit, in welcher namentlich ausgeführt war, wie Preußen kein Interesse habe, sich
für das ihm stets feindliche Oestreich zu opfern, und demnach ward ein Abkom¬
men ans dem Fuße der zuletzt im Frühling versuchten Unterhandlungen angeboten.
Der Herzog von Braunschweig ging lebhaft auf diese Vorschläge ein und fand
eine große Unterstützung bei dem Generaladjutanten des Königs, dem Obersten
Manstein. Dieser gehörte zu dem frömmelnden Kreise, der bei dem Könige
Einfluß übte. Manstein war sehr ehrgeizig; er war in militärischen Dinge» auf
den Herzog, in diplomatischen auf Bischosswerder eifersüchtig. Reiner Egoist und


Grenzboten. IV. 18ÜZ. 22
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/177>, abgerufen am 06.02.2025.