Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Der amerikanische Gesandte aber in Paris, Morris, schrieb damals seiner Indessen zögerte Leopold absichtlich den Frieden mit der Türkei abzuschließen. Unter diesen Umständen war der Einfluß des Obersten Bischosswerder aus Der amerikanische Gesandte aber in Paris, Morris, schrieb damals seiner Indessen zögerte Leopold absichtlich den Frieden mit der Türkei abzuschließen. Unter diesen Umständen war der Einfluß des Obersten Bischosswerder aus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96877"/> <p xml:id="ID_457"> Der amerikanische Gesandte aber in Paris, Morris, schrieb damals seiner<lb/> Regierung: „Preußen ist, obwol es die Bedingungen des Reichenbacher Vertrages<lb/> dictirt hat, vollständig hinter das Licht geführt worden." Sofort sank in der<lb/> That nach allen Seiten das Ansehn Preußens, während der Einfluß Leopolds stieg.<lb/> Sachsen trat aus der preußischen Führung heraus und suchte sein altes Stich¬<lb/> wort vollkommener Neutralität hervor. Da hierdurch bei der Wahl Leopolds<lb/> zum Kaiser Brandenburg, Hannover und Mainz gegen die übrigen östreichisch<lb/> gesinnten Kurfürsten in die Minderheit kamen, so fielen alle Anträge ans<lb/> Verbesserung der Wahlcapitulation. Leopold setzte seine Anerkennung in Ungarn<lb/> durch und Belgien kam ohne Schwertstreich unter die östreichische Herrschaft zurück.<lb/> Preußen hatte die durchaus gerechte Sache der Lütticher gegen ihren Bischof<lb/> officiell und nachdrücklich unterstützt; jetzt rückten östreichische Regimenter ein und<lb/> warfen, ohne Rücksicht auf Preußens Proteste, die Opposition mit allen Mitteln<lb/> des Kriegszustandes nieder. Ungarn, Belgier und Lütticher beschuldigten Preußen<lb/> des Verrathes und die Polen sahen es über die Achsel an.</p><lb/> <p xml:id="ID_458"> Indessen zögerte Leopold absichtlich den Frieden mit der Türkei abzuschließen.<lb/> Die Waffen des ihm verbündeten Rußlands hatten zu Lande und zu Wasser<lb/> glänzenden Fortgang und die Kaiserin Katharina wollte für sich von keinem<lb/> Frieden ohne Eroberungen wissen und lehnte alle Zumuthungen der drei ver¬<lb/> bündeten Mächte, England, Preußen und Holland, mit breitem Hochmuth ab.<lb/> Leopold erklärte, der in Reichenbach verabredete StatnSquo beziehe sich nicht blos<lb/> auf die Landesgrenzen, sondern auch auf andere Rechtsverhältnisse; so forderte<lb/> er die Erneuerung früherer Handelsprivilegien für die östreichische Schiffahrt im<lb/> schwarzen Meer. Unter diesen Umständen machte die Pforte von dem Bündniß<lb/> Gebrauch, das sie mit Preußen abgeschlossen hatte, und wandte sich Um Hilfe<lb/> nach Berlin. Der preußische Hof trat deshalb in Vernehmen mit dem englischen<lb/> und holländischen; die drei Mächte waren keinen Augenblick zweifelhaft, ihren<lb/> Verträgen nachzukommen und die Pforte zunächst gegen Rußland durch alle<lb/> Mittel zu schützen. In den englischen Kriegshafen wie in den ostpreußischen<lb/> Garnisonen verdoppelten sich die Rüstungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_459" next="#ID_460"> Unter diesen Umständen war der Einfluß des Obersten Bischosswerder aus<lb/> den König Friedrich Wilhelm II. entscheidend. Bischosswerder wünschte die<lb/> preußische Macht zur Herstellung' Ludwigs XVI. zu verwenden und wollte deshalb<lb/> Frieden mit Oestreich. Es war ihm widerwärtig, daß Preußen bis dahin alle<lb/> Rebellen, wie ihm Lütticher, Belgier und Ungarn erschienen, unterstützt hatte,<lb/> es dünkte ihm gleichgiltig, ob Preußens nationale Ehre und Förderung ein wenig<lb/> leide, wenn nnr ein Einverständnis; aller Kronen gegen alle Auflehnung erzielt<lb/> werde. Als er sich in Wien befand, um die Spannung mit Oestreich auszugleichen,<lb/> erklärte ihm der Kaiser Leopold, er sehe keine Möglichkeit, mit Preußen zusammen¬<lb/> zugehen, solange ein so entschiedener Feind Oestreichs, wie Graf Herzberg dort</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0172]
Der amerikanische Gesandte aber in Paris, Morris, schrieb damals seiner
Regierung: „Preußen ist, obwol es die Bedingungen des Reichenbacher Vertrages
dictirt hat, vollständig hinter das Licht geführt worden." Sofort sank in der
That nach allen Seiten das Ansehn Preußens, während der Einfluß Leopolds stieg.
Sachsen trat aus der preußischen Führung heraus und suchte sein altes Stich¬
wort vollkommener Neutralität hervor. Da hierdurch bei der Wahl Leopolds
zum Kaiser Brandenburg, Hannover und Mainz gegen die übrigen östreichisch
gesinnten Kurfürsten in die Minderheit kamen, so fielen alle Anträge ans
Verbesserung der Wahlcapitulation. Leopold setzte seine Anerkennung in Ungarn
durch und Belgien kam ohne Schwertstreich unter die östreichische Herrschaft zurück.
Preußen hatte die durchaus gerechte Sache der Lütticher gegen ihren Bischof
officiell und nachdrücklich unterstützt; jetzt rückten östreichische Regimenter ein und
warfen, ohne Rücksicht auf Preußens Proteste, die Opposition mit allen Mitteln
des Kriegszustandes nieder. Ungarn, Belgier und Lütticher beschuldigten Preußen
des Verrathes und die Polen sahen es über die Achsel an.
Indessen zögerte Leopold absichtlich den Frieden mit der Türkei abzuschließen.
Die Waffen des ihm verbündeten Rußlands hatten zu Lande und zu Wasser
glänzenden Fortgang und die Kaiserin Katharina wollte für sich von keinem
Frieden ohne Eroberungen wissen und lehnte alle Zumuthungen der drei ver¬
bündeten Mächte, England, Preußen und Holland, mit breitem Hochmuth ab.
Leopold erklärte, der in Reichenbach verabredete StatnSquo beziehe sich nicht blos
auf die Landesgrenzen, sondern auch auf andere Rechtsverhältnisse; so forderte
er die Erneuerung früherer Handelsprivilegien für die östreichische Schiffahrt im
schwarzen Meer. Unter diesen Umständen machte die Pforte von dem Bündniß
Gebrauch, das sie mit Preußen abgeschlossen hatte, und wandte sich Um Hilfe
nach Berlin. Der preußische Hof trat deshalb in Vernehmen mit dem englischen
und holländischen; die drei Mächte waren keinen Augenblick zweifelhaft, ihren
Verträgen nachzukommen und die Pforte zunächst gegen Rußland durch alle
Mittel zu schützen. In den englischen Kriegshafen wie in den ostpreußischen
Garnisonen verdoppelten sich die Rüstungen.
Unter diesen Umständen war der Einfluß des Obersten Bischosswerder aus
den König Friedrich Wilhelm II. entscheidend. Bischosswerder wünschte die
preußische Macht zur Herstellung' Ludwigs XVI. zu verwenden und wollte deshalb
Frieden mit Oestreich. Es war ihm widerwärtig, daß Preußen bis dahin alle
Rebellen, wie ihm Lütticher, Belgier und Ungarn erschienen, unterstützt hatte,
es dünkte ihm gleichgiltig, ob Preußens nationale Ehre und Förderung ein wenig
leide, wenn nnr ein Einverständnis; aller Kronen gegen alle Auflehnung erzielt
werde. Als er sich in Wien befand, um die Spannung mit Oestreich auszugleichen,
erklärte ihm der Kaiser Leopold, er sehe keine Möglichkeit, mit Preußen zusammen¬
zugehen, solange ein so entschiedener Feind Oestreichs, wie Graf Herzberg dort
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