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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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angelegt. Es gibt zahlreiche Fontainen in der Stadt; viele werden von diesem
Wasserwerke gespeist, andere von Quellen und Brunnen; dennoch steht der Wasser-
zuflnß lange noch in keinem Verhältnisse zum Bedarf.

Die ne"e Stadt ist luftiger und angenehmer als die alte, es ist, als ob
man aus den ältern Theilen Londons in die Gegend von Se. Pancras oder
Camden Town käme, nicht viel von Geschmack zu sehen, nur mehr Reinlichkeit
und Frische. -- Die Brasilianer gehen nicht viel mit den Engländern um, in¬
dessen sagt uns mehr als einer der lange hier Ansässigen, daß sie gefällige und
freundliche Leute seien und nie mehr erfreut, als wenn sie irgend einen kleinen
Dienst erweisen oder eine Artigkeit erzeigen könnten, nur wären sie, da sie nicht
die Vortheile einer guten Erziehung genossen hätten, zu schüchtern, um die Ge¬
sellschaft von Fremden zu suchen.

Die Gegeud von Rio wird ewig und immer die Stadt reizend machen, zu einem
Ueberblicke derselben bietet der Corcorado vielleicht den besten Punkt. Das Panorama
ist großartig. Rund um den Fuß des Berges und an seinen Seiten ist Urwald,
weiterhin die Bai von Botofogo, die mit ihren sanft abfallenden, von Häusern und
Spaziergängen eingefaßten Ufern an einzelnen Punkten fast einem Bergsee gleicht.
Die unendliche Mannigfaltigkeit der tropischen Pflanzenwelt entfaltet sich hier in
aller ihrer Größe, aber trotz ihrer Pracht und ihres Glanzes, den gelehrte Natur¬
forscher und begeisterte Reisende so lebendig beschrieben haben und nicht lebhaft
genng beschreiben können, drangt sich uns doch die Frage auf, ob die tropische
Landschaft in Wirklichkeit so große Vorzüge habe. Sie ist wild, voll von Uep¬
pigkeit und Fülle, so daß sie jeder Cultur und aller Schranken zu spotten scheint
-- aber ist das ein Ersatz für die sanfteren Schönheiten gemäßigter Klimate?

Das Haupterzeugniß der Provinz ist Kaffee. Früher soll dieser einen eigen¬
thümlichen Geschmack gehabt haben und nicht für gleich mit dem westindischen
gehalten worden sein, -- man schrieb seine geringe Güte dem Umstände zu, daß
man die Beeren unreif pflücke und dann zum nachreisen auf dem Boden liegen
lasse, woher sie einen unangenehmen erdigen Beigeschmack bekämen. Indessen
sind in den letzten Jahren bedeutende Verbesserungen in der Behandlung des
Kaffees eingeführt worden, die seinen Werth gesteigert haben. Baumwolle wird
ebenfalls gebaut, aber nicht soviel als im Norden; die Haupthafen für brasilia¬
nische Baumwolle sind Pernambuco und Marahanm. Zucker, der durch Gouver¬
neur Mein de Sa hierhergebracht worden, ist eins der wichtigsten Erzeugnisse,
besonders zwischen Rio und Cap Frio. Tabak wird auf den Inseln der Bucht,
südlich von Augra dos Reis und wie auch in der Provinz Espiritu Santo ge¬
zogen, er hat aber nie den Ruf erlangt, wie der von den älteren Pflanzungen in
Amerika und Asien. Der Anbau von Thee ward in Rio versucht, und wird
noch immer im botanischen Garten getrieben; doch muß etwas dabei hinderlich
sein, entweder die Art der Cultur, oder der Boden, oder das Klima, denn man


angelegt. Es gibt zahlreiche Fontainen in der Stadt; viele werden von diesem
Wasserwerke gespeist, andere von Quellen und Brunnen; dennoch steht der Wasser-
zuflnß lange noch in keinem Verhältnisse zum Bedarf.

Die ne»e Stadt ist luftiger und angenehmer als die alte, es ist, als ob
man aus den ältern Theilen Londons in die Gegend von Se. Pancras oder
Camden Town käme, nicht viel von Geschmack zu sehen, nur mehr Reinlichkeit
und Frische. — Die Brasilianer gehen nicht viel mit den Engländern um, in¬
dessen sagt uns mehr als einer der lange hier Ansässigen, daß sie gefällige und
freundliche Leute seien und nie mehr erfreut, als wenn sie irgend einen kleinen
Dienst erweisen oder eine Artigkeit erzeigen könnten, nur wären sie, da sie nicht
die Vortheile einer guten Erziehung genossen hätten, zu schüchtern, um die Ge¬
sellschaft von Fremden zu suchen.

Die Gegeud von Rio wird ewig und immer die Stadt reizend machen, zu einem
Ueberblicke derselben bietet der Corcorado vielleicht den besten Punkt. Das Panorama
ist großartig. Rund um den Fuß des Berges und an seinen Seiten ist Urwald,
weiterhin die Bai von Botofogo, die mit ihren sanft abfallenden, von Häusern und
Spaziergängen eingefaßten Ufern an einzelnen Punkten fast einem Bergsee gleicht.
Die unendliche Mannigfaltigkeit der tropischen Pflanzenwelt entfaltet sich hier in
aller ihrer Größe, aber trotz ihrer Pracht und ihres Glanzes, den gelehrte Natur¬
forscher und begeisterte Reisende so lebendig beschrieben haben und nicht lebhaft
genng beschreiben können, drangt sich uns doch die Frage auf, ob die tropische
Landschaft in Wirklichkeit so große Vorzüge habe. Sie ist wild, voll von Uep¬
pigkeit und Fülle, so daß sie jeder Cultur und aller Schranken zu spotten scheint
— aber ist das ein Ersatz für die sanfteren Schönheiten gemäßigter Klimate?

Das Haupterzeugniß der Provinz ist Kaffee. Früher soll dieser einen eigen¬
thümlichen Geschmack gehabt haben und nicht für gleich mit dem westindischen
gehalten worden sein, — man schrieb seine geringe Güte dem Umstände zu, daß
man die Beeren unreif pflücke und dann zum nachreisen auf dem Boden liegen
lasse, woher sie einen unangenehmen erdigen Beigeschmack bekämen. Indessen
sind in den letzten Jahren bedeutende Verbesserungen in der Behandlung des
Kaffees eingeführt worden, die seinen Werth gesteigert haben. Baumwolle wird
ebenfalls gebaut, aber nicht soviel als im Norden; die Haupthafen für brasilia¬
nische Baumwolle sind Pernambuco und Marahanm. Zucker, der durch Gouver¬
neur Mein de Sa hierhergebracht worden, ist eins der wichtigsten Erzeugnisse,
besonders zwischen Rio und Cap Frio. Tabak wird auf den Inseln der Bucht,
südlich von Augra dos Reis und wie auch in der Provinz Espiritu Santo ge¬
zogen, er hat aber nie den Ruf erlangt, wie der von den älteren Pflanzungen in
Amerika und Asien. Der Anbau von Thee ward in Rio versucht, und wird
noch immer im botanischen Garten getrieben; doch muß etwas dabei hinderlich
sein, entweder die Art der Cultur, oder der Boden, oder das Klima, denn man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/156>, abgerufen am 11.02.2025.