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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Lopez in dem socialistischen Dogma sehr fest wäre, er ist Socialist, ohne es
eigentlich zu wissen. Soldat im Abhängigkeitskricge, zu verschiedenen auswärtigen
und innern Misstonen verwendet, wo er wenig Beweise von Fähigkeit gegeben,
ist er einer der Typen des hohlen Liberalismus, der den revolutionären Parteien
als Decoration dient. Der General Lopez ist das Werkzeug des Clubs von
Bogota und einiger Freunde, von denen der Finanzminister Manuel Murillo der
geschickteste zu sein scheint. Der Ursprung dieser eigenthümlichen Gewalt ist höchst
charakteristisch. Neugranada ist eine der drei Republiken, die aus dem alten
Columbia hervorgegangen find, welches gleichzeitig Venezuela und Aequator um¬
faßte. Nach der Trennung war der Bürgerkrieg häufig sein normaler Zustand;
namentlich 1839, 1840 und 1841 erfüllte er das Land mit Verwüstung und
Blutvergießen. Der Urheber und der Chef dieses Krieges war der General
Abando, gegenwärtig eine der angesehensten Personen und einer der Candidaten
für die nächste Präsidentenwahl. Nachdem dieser Aufstand besiegt war, folgten
drei conservative Verwickelungen, des or, Marqnez, des Generals Pedro Alcan-
tana Herran und die Präsidentschaft des Generals Mosgnera, die 1849 endete;
durch Nachricht vou der französischen Revolution wurden die Gemüther immer
erhitzter; die Jnsurgentenpartei von 1840, allmälig in .ihren Chefs und ihren
Soldaten amnestirt, erholte sich von ihrer Niederlage, gefordert durch den un¬
sichtbaren Strom der europäischen Einflüsse, geschickt wählte sie zu ihrem Kandidaten
einen Mann, der an dem Bürgerkriege keinen Antheil genommen, den General
Lopez. An dem Tage, wo der Kongreß, Deputirtenkammer und Senat vereinigt,
zur Abstimmung schreiten und den Erwählten proclamiren sollte, drangen bewaff¬
nete Banden in den Saal, die revolutionären Seiden zuckten den Dolch gegen
die conservativen Senatoren und Deputaten, eine Mordscene stand bevor, so
ward der General Hilario Lopez am 7. März 1849 zum Präsidenten von Neu-
granada ernannt. Die officielle Zeitung von Neugranada, der Moniteur von
Bogota meldete damals: "Neugranada hat den politischen und socialen Galva-
nismus des Zeitalters empfunden -- die Freiheit schreitet vorwärts, die alte
Citadelle der Beschränkungen liegt in Trümmern. Die vernichteten Scharen,
welche die ultramontane Sache vertheidigten, begreifen ihre Niederlage und ver¬
lassen das Schlachtfeld. Unmöglich kann man die friedlich revolutionäre Bewegung
aufhalten, die aus den tiefen Gefühlen des menschlichen Geistes im 19. Jahrhundert
hervorgegangen ist... Der 7. März 1849 war das Tedeum, welches die Demokratie
vor dem Gotte der Civilisation anstimmte.

Die Souveränetät der Kopfzahl, die Herrschaft der Massen, das ist das erklärte
Princip der gegenwärtigen neugranadischen Politik, das ist das Thema der Botschaften
und Manifeste des General Lopez und das Losungswort seiner Anhänger. Nun
aber ist die Kopfzahl in den spanisch amerikanischen Republiken das ungebildete
und rohe Element der Garcko, der Guasso, der Uanero, der Rvto, der Indianer.


Lopez in dem socialistischen Dogma sehr fest wäre, er ist Socialist, ohne es
eigentlich zu wissen. Soldat im Abhängigkeitskricge, zu verschiedenen auswärtigen
und innern Misstonen verwendet, wo er wenig Beweise von Fähigkeit gegeben,
ist er einer der Typen des hohlen Liberalismus, der den revolutionären Parteien
als Decoration dient. Der General Lopez ist das Werkzeug des Clubs von
Bogota und einiger Freunde, von denen der Finanzminister Manuel Murillo der
geschickteste zu sein scheint. Der Ursprung dieser eigenthümlichen Gewalt ist höchst
charakteristisch. Neugranada ist eine der drei Republiken, die aus dem alten
Columbia hervorgegangen find, welches gleichzeitig Venezuela und Aequator um¬
faßte. Nach der Trennung war der Bürgerkrieg häufig sein normaler Zustand;
namentlich 1839, 1840 und 1841 erfüllte er das Land mit Verwüstung und
Blutvergießen. Der Urheber und der Chef dieses Krieges war der General
Abando, gegenwärtig eine der angesehensten Personen und einer der Candidaten
für die nächste Präsidentenwahl. Nachdem dieser Aufstand besiegt war, folgten
drei conservative Verwickelungen, des or, Marqnez, des Generals Pedro Alcan-
tana Herran und die Präsidentschaft des Generals Mosgnera, die 1849 endete;
durch Nachricht vou der französischen Revolution wurden die Gemüther immer
erhitzter; die Jnsurgentenpartei von 1840, allmälig in .ihren Chefs und ihren
Soldaten amnestirt, erholte sich von ihrer Niederlage, gefordert durch den un¬
sichtbaren Strom der europäischen Einflüsse, geschickt wählte sie zu ihrem Kandidaten
einen Mann, der an dem Bürgerkriege keinen Antheil genommen, den General
Lopez. An dem Tage, wo der Kongreß, Deputirtenkammer und Senat vereinigt,
zur Abstimmung schreiten und den Erwählten proclamiren sollte, drangen bewaff¬
nete Banden in den Saal, die revolutionären Seiden zuckten den Dolch gegen
die conservativen Senatoren und Deputaten, eine Mordscene stand bevor, so
ward der General Hilario Lopez am 7. März 1849 zum Präsidenten von Neu-
granada ernannt. Die officielle Zeitung von Neugranada, der Moniteur von
Bogota meldete damals: „Neugranada hat den politischen und socialen Galva-
nismus des Zeitalters empfunden — die Freiheit schreitet vorwärts, die alte
Citadelle der Beschränkungen liegt in Trümmern. Die vernichteten Scharen,
welche die ultramontane Sache vertheidigten, begreifen ihre Niederlage und ver¬
lassen das Schlachtfeld. Unmöglich kann man die friedlich revolutionäre Bewegung
aufhalten, die aus den tiefen Gefühlen des menschlichen Geistes im 19. Jahrhundert
hervorgegangen ist... Der 7. März 1849 war das Tedeum, welches die Demokratie
vor dem Gotte der Civilisation anstimmte.

Die Souveränetät der Kopfzahl, die Herrschaft der Massen, das ist das erklärte
Princip der gegenwärtigen neugranadischen Politik, das ist das Thema der Botschaften
und Manifeste des General Lopez und das Losungswort seiner Anhänger. Nun
aber ist die Kopfzahl in den spanisch amerikanischen Republiken das ungebildete
und rohe Element der Garcko, der Guasso, der Uanero, der Rvto, der Indianer.


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[0138] Lopez in dem socialistischen Dogma sehr fest wäre, er ist Socialist, ohne es eigentlich zu wissen. Soldat im Abhängigkeitskricge, zu verschiedenen auswärtigen und innern Misstonen verwendet, wo er wenig Beweise von Fähigkeit gegeben, ist er einer der Typen des hohlen Liberalismus, der den revolutionären Parteien als Decoration dient. Der General Lopez ist das Werkzeug des Clubs von Bogota und einiger Freunde, von denen der Finanzminister Manuel Murillo der geschickteste zu sein scheint. Der Ursprung dieser eigenthümlichen Gewalt ist höchst charakteristisch. Neugranada ist eine der drei Republiken, die aus dem alten Columbia hervorgegangen find, welches gleichzeitig Venezuela und Aequator um¬ faßte. Nach der Trennung war der Bürgerkrieg häufig sein normaler Zustand; namentlich 1839, 1840 und 1841 erfüllte er das Land mit Verwüstung und Blutvergießen. Der Urheber und der Chef dieses Krieges war der General Abando, gegenwärtig eine der angesehensten Personen und einer der Candidaten für die nächste Präsidentenwahl. Nachdem dieser Aufstand besiegt war, folgten drei conservative Verwickelungen, des or, Marqnez, des Generals Pedro Alcan- tana Herran und die Präsidentschaft des Generals Mosgnera, die 1849 endete; durch Nachricht vou der französischen Revolution wurden die Gemüther immer erhitzter; die Jnsurgentenpartei von 1840, allmälig in .ihren Chefs und ihren Soldaten amnestirt, erholte sich von ihrer Niederlage, gefordert durch den un¬ sichtbaren Strom der europäischen Einflüsse, geschickt wählte sie zu ihrem Kandidaten einen Mann, der an dem Bürgerkriege keinen Antheil genommen, den General Lopez. An dem Tage, wo der Kongreß, Deputirtenkammer und Senat vereinigt, zur Abstimmung schreiten und den Erwählten proclamiren sollte, drangen bewaff¬ nete Banden in den Saal, die revolutionären Seiden zuckten den Dolch gegen die conservativen Senatoren und Deputaten, eine Mordscene stand bevor, so ward der General Hilario Lopez am 7. März 1849 zum Präsidenten von Neu- granada ernannt. Die officielle Zeitung von Neugranada, der Moniteur von Bogota meldete damals: „Neugranada hat den politischen und socialen Galva- nismus des Zeitalters empfunden — die Freiheit schreitet vorwärts, die alte Citadelle der Beschränkungen liegt in Trümmern. Die vernichteten Scharen, welche die ultramontane Sache vertheidigten, begreifen ihre Niederlage und ver¬ lassen das Schlachtfeld. Unmöglich kann man die friedlich revolutionäre Bewegung aufhalten, die aus den tiefen Gefühlen des menschlichen Geistes im 19. Jahrhundert hervorgegangen ist... Der 7. März 1849 war das Tedeum, welches die Demokratie vor dem Gotte der Civilisation anstimmte. Die Souveränetät der Kopfzahl, die Herrschaft der Massen, das ist das erklärte Princip der gegenwärtigen neugranadischen Politik, das ist das Thema der Botschaften und Manifeste des General Lopez und das Losungswort seiner Anhänger. Nun aber ist die Kopfzahl in den spanisch amerikanischen Republiken das ungebildete und rohe Element der Garcko, der Guasso, der Uanero, der Rvto, der Indianer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/138>, abgerufen am 06.02.2025.