Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den Dolch gegen den Jntendcmtrn; kurz, er stieß sich gegen die Wirklichkeit.
Er verschied, als die Regierung gegen ihn auftrat, die Gleichheitsgesellschaft ver¬
schwand, die Helden der chilenischen Demokratie wurden zerstreut und Francisco
Bilbao selbst hat seine Propaganda nach Pern verlege" müssen.

Das war die erste Niederlage, folgendes war die zweite. Der chilenische
Socialismus ist nach den wahren Traditionen göttlichen Rechtes, er steht über
der nationalen Abstimmung, über dem öffentlichen Willen. Vor einem Jahre,
1851, hatte der öffentliche Wille sich kund zu geben, einen Präsidenten zu wählen.
Und wen grade erhob er zur Gewalt? Manuel Monte, den Manu, der dieser
stürmischen Demagogie am feindlichsten war, einen praktischen und festen Charakter,
sehr gleichgiltig gegen die gewöhnliche Popularität, dessen Politik weit weniger
mit Theorien und Systeme", als mit der Entwickelung der reellen Interessen sich
beschäftigt, aller denen er die sittliche Kraft der Erziehung obenan stellt. Die
Weisheit dieser Wahl lag darin, daß sie eine Person aus dem bürgerlichen Leben
traf. Diesen Moment wählte der Socialismus, um die Waffen zu ergreifen.
Ein Militärches, der Geueral Cruz, ging mit einigen Soldaten nach den: Süden,
um die stolzen Indianer des Arauco zu bewaffne", welche Ercilla i" der ,,Avan-
cana" besungen hat, die allmälig in die Einöde" zurückgedrängt, aber noch nicht
nnterworfe" sind; eine furchtbare Macht gegen die organisirte Gesellschaft, die der
Wuth dieser Wilden preisgegeben werden sollen. Im Norden plünderten und
verwüsteten die entfesselten Pcones die Bergwerke von Chaüarcillo. Die Jn-
surrection schlug ihren Sitz in Sere"a auf. Es liegen uns die Bulletins dieser
Revolte vor. Sie sind sehr merkwürdig "ud lassen ein in Südamerika allgemeines
Phänomen erkenne". Es bestehen nämlich daselbst zwei Strömungen, die nicht stets
sich entgegenarbeite", die rein revolutionäre Tendenz in europäischer Weise und
die fortwährenden Umtriebe des militärische" Ehrgeizes; der NongismnS und der
Militarismus, wie die Konservative" von Nengraiiada i" ihrer Sprache diese
beiden Richtungen bezeichnen. Jedes dieser Elemente würde für sich allein hin¬
reichen, diese Republiken völlig einzustürzen. Sie vereinige" sich und reichen sich
die Hand i" der neuesten Bewegung in Chili. Hätte der General Cruz gesiegt,
so wäre seiue Gewalt nothwendig eine Mischung von militärischem Despotismus
und demagogischen Radikalismus geworden, -- das Ideal einer Regierung, wie
man sieht! So fand sich der keimende Wohlstand Chilis für eine" Augenblick
paralysirt. Der treue Degen des General Bulnes hat indessen die Vulkane des
Arauco zum Schweige" gebracht und die Männer des Pelnconismus stehen
aufrecht. Was der Sturm von Plata in seinem Innern bürgt, kann allein die
Zukunft lehren.

In Neugranada dagegen herrscht und regiert der Socialismus; er
macht Gesetze und Decrete und hat seine Personification und seine Oberpriester
in dem Chef der Regierung selbst, dem General Hilario Lopez. Nicht als ob


Grenzboten. IV. 1863. 17

den Dolch gegen den Jntendcmtrn; kurz, er stieß sich gegen die Wirklichkeit.
Er verschied, als die Regierung gegen ihn auftrat, die Gleichheitsgesellschaft ver¬
schwand, die Helden der chilenischen Demokratie wurden zerstreut und Francisco
Bilbao selbst hat seine Propaganda nach Pern verlege» müssen.

Das war die erste Niederlage, folgendes war die zweite. Der chilenische
Socialismus ist nach den wahren Traditionen göttlichen Rechtes, er steht über
der nationalen Abstimmung, über dem öffentlichen Willen. Vor einem Jahre,
1851, hatte der öffentliche Wille sich kund zu geben, einen Präsidenten zu wählen.
Und wen grade erhob er zur Gewalt? Manuel Monte, den Manu, der dieser
stürmischen Demagogie am feindlichsten war, einen praktischen und festen Charakter,
sehr gleichgiltig gegen die gewöhnliche Popularität, dessen Politik weit weniger
mit Theorien und Systeme», als mit der Entwickelung der reellen Interessen sich
beschäftigt, aller denen er die sittliche Kraft der Erziehung obenan stellt. Die
Weisheit dieser Wahl lag darin, daß sie eine Person aus dem bürgerlichen Leben
traf. Diesen Moment wählte der Socialismus, um die Waffen zu ergreifen.
Ein Militärches, der Geueral Cruz, ging mit einigen Soldaten nach den: Süden,
um die stolzen Indianer des Arauco zu bewaffne», welche Ercilla i» der ,,Avan-
cana" besungen hat, die allmälig in die Einöde» zurückgedrängt, aber noch nicht
nnterworfe» sind; eine furchtbare Macht gegen die organisirte Gesellschaft, die der
Wuth dieser Wilden preisgegeben werden sollen. Im Norden plünderten und
verwüsteten die entfesselten Pcones die Bergwerke von Chaüarcillo. Die Jn-
surrection schlug ihren Sitz in Sere»a auf. Es liegen uns die Bulletins dieser
Revolte vor. Sie sind sehr merkwürdig »ud lassen ein in Südamerika allgemeines
Phänomen erkenne». Es bestehen nämlich daselbst zwei Strömungen, die nicht stets
sich entgegenarbeite», die rein revolutionäre Tendenz in europäischer Weise und
die fortwährenden Umtriebe des militärische» Ehrgeizes; der NongismnS und der
Militarismus, wie die Konservative» von Nengraiiada i» ihrer Sprache diese
beiden Richtungen bezeichnen. Jedes dieser Elemente würde für sich allein hin¬
reichen, diese Republiken völlig einzustürzen. Sie vereinige» sich und reichen sich
die Hand i» der neuesten Bewegung in Chili. Hätte der General Cruz gesiegt,
so wäre seiue Gewalt nothwendig eine Mischung von militärischem Despotismus
und demagogischen Radikalismus geworden, — das Ideal einer Regierung, wie
man sieht! So fand sich der keimende Wohlstand Chilis für eine» Augenblick
paralysirt. Der treue Degen des General Bulnes hat indessen die Vulkane des
Arauco zum Schweige» gebracht und die Männer des Pelnconismus stehen
aufrecht. Was der Sturm von Plata in seinem Innern bürgt, kann allein die
Zukunft lehren.

In Neugranada dagegen herrscht und regiert der Socialismus; er
macht Gesetze und Decrete und hat seine Personification und seine Oberpriester
in dem Chef der Regierung selbst, dem General Hilario Lopez. Nicht als ob


Grenzboten. IV. 1863. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96842"/>
          <p xml:id="ID_359" prev="#ID_358"> den Dolch gegen den Jntendcmtrn; kurz, er stieß sich gegen die Wirklichkeit.<lb/>
Er verschied, als die Regierung gegen ihn auftrat, die Gleichheitsgesellschaft ver¬<lb/>
schwand, die Helden der chilenischen Demokratie wurden zerstreut und Francisco<lb/>
Bilbao selbst hat seine Propaganda nach Pern verlege» müssen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_360"> Das war die erste Niederlage, folgendes war die zweite. Der chilenische<lb/>
Socialismus ist nach den wahren Traditionen göttlichen Rechtes, er steht über<lb/>
der nationalen Abstimmung, über dem öffentlichen Willen. Vor einem Jahre,<lb/>
1851, hatte der öffentliche Wille sich kund zu geben, einen Präsidenten zu wählen.<lb/>
Und wen grade erhob er zur Gewalt? Manuel Monte, den Manu, der dieser<lb/>
stürmischen Demagogie am feindlichsten war, einen praktischen und festen Charakter,<lb/>
sehr gleichgiltig gegen die gewöhnliche Popularität, dessen Politik weit weniger<lb/>
mit Theorien und Systeme», als mit der Entwickelung der reellen Interessen sich<lb/>
beschäftigt, aller denen er die sittliche Kraft der Erziehung obenan stellt. Die<lb/>
Weisheit dieser Wahl lag darin, daß sie eine Person aus dem bürgerlichen Leben<lb/>
traf. Diesen Moment wählte der Socialismus, um die Waffen zu ergreifen.<lb/>
Ein Militärches, der Geueral Cruz, ging mit einigen Soldaten nach den: Süden,<lb/>
um die stolzen Indianer des Arauco zu bewaffne», welche Ercilla i» der ,,Avan-<lb/>
cana" besungen hat, die allmälig in die Einöde» zurückgedrängt, aber noch nicht<lb/>
nnterworfe» sind; eine furchtbare Macht gegen die organisirte Gesellschaft, die der<lb/>
Wuth dieser Wilden preisgegeben werden sollen. Im Norden plünderten und<lb/>
verwüsteten die entfesselten Pcones die Bergwerke von Chaüarcillo. Die Jn-<lb/>
surrection schlug ihren Sitz in Sere»a auf. Es liegen uns die Bulletins dieser<lb/>
Revolte vor. Sie sind sehr merkwürdig »ud lassen ein in Südamerika allgemeines<lb/>
Phänomen erkenne». Es bestehen nämlich daselbst zwei Strömungen, die nicht stets<lb/>
sich entgegenarbeite», die rein revolutionäre Tendenz in europäischer Weise und<lb/>
die fortwährenden Umtriebe des militärische» Ehrgeizes; der NongismnS und der<lb/>
Militarismus, wie die Konservative» von Nengraiiada i» ihrer Sprache diese<lb/>
beiden Richtungen bezeichnen. Jedes dieser Elemente würde für sich allein hin¬<lb/>
reichen, diese Republiken völlig einzustürzen. Sie vereinige» sich und reichen sich<lb/>
die Hand i» der neuesten Bewegung in Chili. Hätte der General Cruz gesiegt,<lb/>
so wäre seiue Gewalt nothwendig eine Mischung von militärischem Despotismus<lb/>
und demagogischen Radikalismus geworden, &#x2014; das Ideal einer Regierung, wie<lb/>
man sieht! So fand sich der keimende Wohlstand Chilis für eine» Augenblick<lb/>
paralysirt. Der treue Degen des General Bulnes hat indessen die Vulkane des<lb/>
Arauco zum Schweige» gebracht und die Männer des Pelnconismus stehen<lb/>
aufrecht. Was der Sturm von Plata in seinem Innern bürgt, kann allein die<lb/>
Zukunft lehren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_361" next="#ID_362"> In Neugranada dagegen herrscht und regiert der Socialismus; er<lb/>
macht Gesetze und Decrete und hat seine Personification und seine Oberpriester<lb/>
in dem Chef der Regierung selbst, dem General Hilario Lopez.  Nicht als ob</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 1863. 17</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0137] den Dolch gegen den Jntendcmtrn; kurz, er stieß sich gegen die Wirklichkeit. Er verschied, als die Regierung gegen ihn auftrat, die Gleichheitsgesellschaft ver¬ schwand, die Helden der chilenischen Demokratie wurden zerstreut und Francisco Bilbao selbst hat seine Propaganda nach Pern verlege» müssen. Das war die erste Niederlage, folgendes war die zweite. Der chilenische Socialismus ist nach den wahren Traditionen göttlichen Rechtes, er steht über der nationalen Abstimmung, über dem öffentlichen Willen. Vor einem Jahre, 1851, hatte der öffentliche Wille sich kund zu geben, einen Präsidenten zu wählen. Und wen grade erhob er zur Gewalt? Manuel Monte, den Manu, der dieser stürmischen Demagogie am feindlichsten war, einen praktischen und festen Charakter, sehr gleichgiltig gegen die gewöhnliche Popularität, dessen Politik weit weniger mit Theorien und Systeme», als mit der Entwickelung der reellen Interessen sich beschäftigt, aller denen er die sittliche Kraft der Erziehung obenan stellt. Die Weisheit dieser Wahl lag darin, daß sie eine Person aus dem bürgerlichen Leben traf. Diesen Moment wählte der Socialismus, um die Waffen zu ergreifen. Ein Militärches, der Geueral Cruz, ging mit einigen Soldaten nach den: Süden, um die stolzen Indianer des Arauco zu bewaffne», welche Ercilla i» der ,,Avan- cana" besungen hat, die allmälig in die Einöde» zurückgedrängt, aber noch nicht nnterworfe» sind; eine furchtbare Macht gegen die organisirte Gesellschaft, die der Wuth dieser Wilden preisgegeben werden sollen. Im Norden plünderten und verwüsteten die entfesselten Pcones die Bergwerke von Chaüarcillo. Die Jn- surrection schlug ihren Sitz in Sere»a auf. Es liegen uns die Bulletins dieser Revolte vor. Sie sind sehr merkwürdig »ud lassen ein in Südamerika allgemeines Phänomen erkenne». Es bestehen nämlich daselbst zwei Strömungen, die nicht stets sich entgegenarbeite», die rein revolutionäre Tendenz in europäischer Weise und die fortwährenden Umtriebe des militärische» Ehrgeizes; der NongismnS und der Militarismus, wie die Konservative» von Nengraiiada i» ihrer Sprache diese beiden Richtungen bezeichnen. Jedes dieser Elemente würde für sich allein hin¬ reichen, diese Republiken völlig einzustürzen. Sie vereinige» sich und reichen sich die Hand i» der neuesten Bewegung in Chili. Hätte der General Cruz gesiegt, so wäre seiue Gewalt nothwendig eine Mischung von militärischem Despotismus und demagogischen Radikalismus geworden, — das Ideal einer Regierung, wie man sieht! So fand sich der keimende Wohlstand Chilis für eine» Augenblick paralysirt. Der treue Degen des General Bulnes hat indessen die Vulkane des Arauco zum Schweige» gebracht und die Männer des Pelnconismus stehen aufrecht. Was der Sturm von Plata in seinem Innern bürgt, kann allein die Zukunft lehren. In Neugranada dagegen herrscht und regiert der Socialismus; er macht Gesetze und Decrete und hat seine Personification und seine Oberpriester in dem Chef der Regierung selbst, dem General Hilario Lopez. Nicht als ob Grenzboten. IV. 1863. 17

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/137
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/137>, abgerufen am 06.02.2025.