Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.von selbst. Die arme hat überhaupt seit einem Jahr schwere Anfechtung erfahren. Im übrigen scheint das diplomatische Corps unserer Stadt seine Betheiligung an von selbst. Die arme hat überhaupt seit einem Jahr schwere Anfechtung erfahren. Im übrigen scheint das diplomatische Corps unserer Stadt seine Betheiligung an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96821"/> <p xml:id="ID_298" prev="#ID_297"> von selbst. Die arme hat überhaupt seit einem Jahr schwere Anfechtung erfahren.<lb/> Zuerst wehte ein bedrohlicher Hauch gegen ihre ganze Existenz aus dem Palast in der<lb/> Eschenheimer Gasse, weil eine gewisse Politik wünschen mochte, der BuudeSpräsidial-<lb/> kauzlei die discretionäre Vcrwaltungsmacht der Polizei zu Frankfurt in die Hände zu<lb/> spielen. Nachher erschollen Angriffe gegen die Art ihrer Organisation aus dem Staate<lb/> Frankfurt selber. Endlich verbreitete sich neuestens das in den Zeitungen oft erwähnte<lb/> Bcnnaksche Pamphlet gegen ihre Würdenträger. Und nun stört noch ein unangenehmer<lb/> Jucidenzfall die eclatante Verfolgung der diesfalls eingeleiteten Untersuchung. Man hat<lb/> nämlich den Drucker des Pamphlets ebenfalls zur Rechenschaft gezogen, weil er seinen<lb/> Namen nicht beigesetzt hatte. Da er eine in den obern Regionen mißliebige Persönlich¬<lb/> keit ist, so mochte der Fall nicht ganz unwillkommen sein; und auch ein vor dem Drucke<lb/> von dem Versasser ausgestellter Revers, wodurch sich dieser zur Uebernahme aller aus<lb/> dem Pamphlet entstehenden Folgen verpflichtet, konnte den Drucker vor der Verurthei-<lb/> lung nicht schützen. In der weitem Vertheidigung ist dagegen, wie man vernimmt, gel¬<lb/> tend gemacht worden, wie bisher keineswegs von den Behörden das Gesetz in Anwen¬<lb/> dung gebracht worden sei, wonach Drucker und Verleger sich ans jeder veröffentlichten<lb/> Schrift zu nennen haben. Als Belegs wurden die kürzlich hier erschienenen „Gedichte<lb/> von Arthur Bolheim" angeführt, welche ohne VerlagSort, Jahreszahl, Verleger und<lb/> Drucker in die Welt traten. Dies Beispiel war doppelt unangenehm. Einestheils ists<lb/> ein öffentliches Geheimniß, daß hinter Arthur Bolheim ein diplomatischer Beamter einer<lb/> europäischen Macht verborgen ist, welcher man in Frankfurt am wenigsten mißfallen<lb/> möchte; anderntheils wurden die Gedichte von ihrem Verfasser auch bereits wieder, so¬<lb/> viel möglich, züriickgekaust, nachdem die hiesige Welt in ihren scheinbar ganz unschuldigen<lb/> lyrischen Ergüssen höchst indiscrete Veröffentlichungen hiesiger Familicnbegebcnheitcn und<lb/> Gcscllschastsgeschichten entdeckt hatte. Der stille Lärm darüber war vergessen — nun<lb/> rührt ihn ein Pamphlet gegen die Polizei wieder auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_299" next="#ID_300"> Im übrigen scheint das diplomatische Corps unserer Stadt seine Betheiligung an<lb/> der Literatur vor der Hand gänzlich aufgegeben zu haben. Die sechzehnte Curie mag<lb/> wol mit den „Briefen über Staatskunst" die keineswegs schwache Bücherreihe vorläufig<lb/> geschlossen haben, womit sie ihre Bibliothek sclbstschaffcud geschmückt hat. Da indessen<lb/> auch die sechzehnte Curie bei der Bundcsprcßgcsetzfrage unentscheidend zu wirken<lb/> haben wird, mag vielleicht ein kurzes Verzeichniß der Schriften des Herrn Victor von<lb/> Strauß nicht ohne Interesse sein. Wir ersehen daraus die Vielseitigkeit seiner Be¬<lb/> strebungen und bemerken nebenbei, daß alle diese Opern Ergebnisse des reifern Mannes-<lb/> alters sind. Unter ihnen ist ein dreibändiger Roman von etwas leichtfertigen Grundsätzen<lb/> die Erstgeburt. „Theobald" ist sein Titel (Bielefeld, 1839). Daneben stehen andere<lb/> belletristische und halbbelletristische Erzeugnisse, wie „Lebensfragen in 7 Erzählungen"<lb/> (3 Bde. Heidelberg, Winter), ein novellistisches Jahrbuch unter dem Titel: „das Erbe<lb/> der Väter" (Bielefeld, 1830), „Gudrun", el» Schauspiel (Franks., Zimmer), „ein Nacht¬<lb/> gesang Dantes aus dem Paradiese" (Dresden, Arnold), „Polyxena", ein Trauerspiel<lb/> (Franks., Zimmer), ein „Fastnachtsspicgcl von der Demokratie und Reaction" (ebendas.).<lb/> Daran reihen sich religiöse Ergüsse und Polemiken, z. B. eine Denkschrift: „Ueber die<lb/> GesangSbuchsache in den preuß. Landen" (Bielefeld, 1846), „das Kirchenjahr im Hause"</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
von selbst. Die arme hat überhaupt seit einem Jahr schwere Anfechtung erfahren.
Zuerst wehte ein bedrohlicher Hauch gegen ihre ganze Existenz aus dem Palast in der
Eschenheimer Gasse, weil eine gewisse Politik wünschen mochte, der BuudeSpräsidial-
kauzlei die discretionäre Vcrwaltungsmacht der Polizei zu Frankfurt in die Hände zu
spielen. Nachher erschollen Angriffe gegen die Art ihrer Organisation aus dem Staate
Frankfurt selber. Endlich verbreitete sich neuestens das in den Zeitungen oft erwähnte
Bcnnaksche Pamphlet gegen ihre Würdenträger. Und nun stört noch ein unangenehmer
Jucidenzfall die eclatante Verfolgung der diesfalls eingeleiteten Untersuchung. Man hat
nämlich den Drucker des Pamphlets ebenfalls zur Rechenschaft gezogen, weil er seinen
Namen nicht beigesetzt hatte. Da er eine in den obern Regionen mißliebige Persönlich¬
keit ist, so mochte der Fall nicht ganz unwillkommen sein; und auch ein vor dem Drucke
von dem Versasser ausgestellter Revers, wodurch sich dieser zur Uebernahme aller aus
dem Pamphlet entstehenden Folgen verpflichtet, konnte den Drucker vor der Verurthei-
lung nicht schützen. In der weitem Vertheidigung ist dagegen, wie man vernimmt, gel¬
tend gemacht worden, wie bisher keineswegs von den Behörden das Gesetz in Anwen¬
dung gebracht worden sei, wonach Drucker und Verleger sich ans jeder veröffentlichten
Schrift zu nennen haben. Als Belegs wurden die kürzlich hier erschienenen „Gedichte
von Arthur Bolheim" angeführt, welche ohne VerlagSort, Jahreszahl, Verleger und
Drucker in die Welt traten. Dies Beispiel war doppelt unangenehm. Einestheils ists
ein öffentliches Geheimniß, daß hinter Arthur Bolheim ein diplomatischer Beamter einer
europäischen Macht verborgen ist, welcher man in Frankfurt am wenigsten mißfallen
möchte; anderntheils wurden die Gedichte von ihrem Verfasser auch bereits wieder, so¬
viel möglich, züriickgekaust, nachdem die hiesige Welt in ihren scheinbar ganz unschuldigen
lyrischen Ergüssen höchst indiscrete Veröffentlichungen hiesiger Familicnbegebcnheitcn und
Gcscllschastsgeschichten entdeckt hatte. Der stille Lärm darüber war vergessen — nun
rührt ihn ein Pamphlet gegen die Polizei wieder auf.
Im übrigen scheint das diplomatische Corps unserer Stadt seine Betheiligung an
der Literatur vor der Hand gänzlich aufgegeben zu haben. Die sechzehnte Curie mag
wol mit den „Briefen über Staatskunst" die keineswegs schwache Bücherreihe vorläufig
geschlossen haben, womit sie ihre Bibliothek sclbstschaffcud geschmückt hat. Da indessen
auch die sechzehnte Curie bei der Bundcsprcßgcsetzfrage unentscheidend zu wirken
haben wird, mag vielleicht ein kurzes Verzeichniß der Schriften des Herrn Victor von
Strauß nicht ohne Interesse sein. Wir ersehen daraus die Vielseitigkeit seiner Be¬
strebungen und bemerken nebenbei, daß alle diese Opern Ergebnisse des reifern Mannes-
alters sind. Unter ihnen ist ein dreibändiger Roman von etwas leichtfertigen Grundsätzen
die Erstgeburt. „Theobald" ist sein Titel (Bielefeld, 1839). Daneben stehen andere
belletristische und halbbelletristische Erzeugnisse, wie „Lebensfragen in 7 Erzählungen"
(3 Bde. Heidelberg, Winter), ein novellistisches Jahrbuch unter dem Titel: „das Erbe
der Väter" (Bielefeld, 1830), „Gudrun", el» Schauspiel (Franks., Zimmer), „ein Nacht¬
gesang Dantes aus dem Paradiese" (Dresden, Arnold), „Polyxena", ein Trauerspiel
(Franks., Zimmer), ein „Fastnachtsspicgcl von der Demokratie und Reaction" (ebendas.).
Daran reihen sich religiöse Ergüsse und Polemiken, z. B. eine Denkschrift: „Ueber die
GesangSbuchsache in den preuß. Landen" (Bielefeld, 1846), „das Kirchenjahr im Hause"
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