Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.für die Organisation des Unterrichtswesens getroffen wurden. Die lateinische Dies war die Grundlage, auf welcher die Zukunft deö ganzen nordameri¬ Bei diesem Laufe der Dinge war es überaus wichtig, daß drüben auf dem für die Organisation des Unterrichtswesens getroffen wurden. Die lateinische Dies war die Grundlage, auf welcher die Zukunft deö ganzen nordameri¬ Bei diesem Laufe der Dinge war es überaus wichtig, daß drüben auf dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0106" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96811"/> <p xml:id="ID_273" prev="#ID_272"> für die Organisation des Unterrichtswesens getroffen wurden. Die lateinische<lb/> Schule zu Boston wurde im Jahre -1835 gestiftet. Die Konstitution von<lb/> Massachusetts erklärte es in ihrer etwas weitschweifigen und sentenzreichcn Weise<lb/> für heilige Pflicht der Obrigkeiten, die Interessen der Literatur, der Wissenschaft<lb/> und ihrer Institute zu pflegen und unter dem Volke „die Grundsätze der Huma¬<lb/> nität und des Wohlwollens gegen jedermann, der öffentlichen und privaten<lb/> Mildthätigkeit, des Fleißes und der Genügsamkeit, der Rechtschaffenheit und<lb/> Zuverlässigkeit, der Wahrhaftigkeit und des Wohlverhaltens, sowie alle geselligen<lb/> Tugenden und edlen Gefühle" zu befestigen und zu verbreiten. DaS eigentliche<lb/> Volksschulwesen wurde erst durch ein Gesetz vom Jahre 16-17 geordnet, welches<lb/> festsetzte, daß jeder Ort von 30 Familien eine Schule für Lesen und Schreiben<lb/> mindestens sechs Monate lang, jede Stadt von 300 Familien außer den Volks¬<lb/> schulen eine Schule für Buchhalterei, Geometrie und Algebra u. s. w., jede<lb/> Stadt von 4000 Familien eine Schule für Rhetorik, Logik, Geschichte, alte<lb/> Sprachen unterhalten solle.</p><lb/> <p xml:id="ID_274"> Dies war die Grundlage, auf welcher die Zukunft deö ganzen nordameri¬<lb/> kanischen Unterrichtswesens ruhen sollte. Um die Bedeutung derselben zu<lb/> würdigen, müssen wir uns erinnern, in welchem Zustande sich damals das<lb/> europäische Unterrichtswesen befand. Bis zur Reformation war die Erziehung<lb/> und Belehrung des Volks ganz Sache der Kirche und der Geistlichkeit gewesen,<lb/> und was diese leisteten, was überaus kläglich. Einige Klosterschulen, einige<lb/> Schulen für Chorgesang, in welchen denn auch nebenher etwas im Lesen und<lb/> Schreiben unterrichtet mürbe —> das war alles. Die große Masse des Volks<lb/> blieb ganz der Unwissenheit und der Verwilderung preisgegeben. Die Reformation<lb/> erkannte die Wichtigkeit des Volksunterrichts an und zahlreiche Schulen entstanden<lb/> und wurden aus den Einkünften der eingezogenen Kirchen- und Klvstergüter und<lb/> anderer Stiftungen unterhalten. Damit war allerdings ein wichtiger Schritt<lb/> gethan, und solange die reformatorische Bewegung in ihrer Jugendkraft und<lb/> Blüte stand, wurde das unter den Umständen Mögliche geleistet, die Schulen<lb/> wurden visitirt und nach Kräften verbessert. Die Greuel des dreißigjährigen<lb/> Krieges indeß und die gleichzeitigen, in fast allen europäischen Ländern entstan¬<lb/> denen religiösen Wirren, erdrückten den kaum entsprossenen Keim von neuem, die<lb/> Aufklärung des vorige» Jahrhunderts wirkte ans den Volksunterricht fast gar nicht<lb/> zurück und im Anfange des gegenwärtigen befand sich die Volksschule in den<lb/> meisten Ländern wieder in den kläglichsten Verhältnissen. Der bei weitem größte<lb/> Theil der Nation erlangte nicht die nothdürftigsten Kenntnisse im Lesen und<lb/> Schreiben.</p><lb/> <p xml:id="ID_275" next="#ID_276"> Bei diesem Laufe der Dinge war es überaus wichtig, daß drüben auf dem<lb/> jungen Boden Amerikas eine neue Gesellschaft entstand, ans deren Panier in<lb/> großen Zeichen stand: „Der Unterricht ist Sache und heilige Pflicht des Staates.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0106]
für die Organisation des Unterrichtswesens getroffen wurden. Die lateinische
Schule zu Boston wurde im Jahre -1835 gestiftet. Die Konstitution von
Massachusetts erklärte es in ihrer etwas weitschweifigen und sentenzreichcn Weise
für heilige Pflicht der Obrigkeiten, die Interessen der Literatur, der Wissenschaft
und ihrer Institute zu pflegen und unter dem Volke „die Grundsätze der Huma¬
nität und des Wohlwollens gegen jedermann, der öffentlichen und privaten
Mildthätigkeit, des Fleißes und der Genügsamkeit, der Rechtschaffenheit und
Zuverlässigkeit, der Wahrhaftigkeit und des Wohlverhaltens, sowie alle geselligen
Tugenden und edlen Gefühle" zu befestigen und zu verbreiten. DaS eigentliche
Volksschulwesen wurde erst durch ein Gesetz vom Jahre 16-17 geordnet, welches
festsetzte, daß jeder Ort von 30 Familien eine Schule für Lesen und Schreiben
mindestens sechs Monate lang, jede Stadt von 300 Familien außer den Volks¬
schulen eine Schule für Buchhalterei, Geometrie und Algebra u. s. w., jede
Stadt von 4000 Familien eine Schule für Rhetorik, Logik, Geschichte, alte
Sprachen unterhalten solle.
Dies war die Grundlage, auf welcher die Zukunft deö ganzen nordameri¬
kanischen Unterrichtswesens ruhen sollte. Um die Bedeutung derselben zu
würdigen, müssen wir uns erinnern, in welchem Zustande sich damals das
europäische Unterrichtswesen befand. Bis zur Reformation war die Erziehung
und Belehrung des Volks ganz Sache der Kirche und der Geistlichkeit gewesen,
und was diese leisteten, was überaus kläglich. Einige Klosterschulen, einige
Schulen für Chorgesang, in welchen denn auch nebenher etwas im Lesen und
Schreiben unterrichtet mürbe —> das war alles. Die große Masse des Volks
blieb ganz der Unwissenheit und der Verwilderung preisgegeben. Die Reformation
erkannte die Wichtigkeit des Volksunterrichts an und zahlreiche Schulen entstanden
und wurden aus den Einkünften der eingezogenen Kirchen- und Klvstergüter und
anderer Stiftungen unterhalten. Damit war allerdings ein wichtiger Schritt
gethan, und solange die reformatorische Bewegung in ihrer Jugendkraft und
Blüte stand, wurde das unter den Umständen Mögliche geleistet, die Schulen
wurden visitirt und nach Kräften verbessert. Die Greuel des dreißigjährigen
Krieges indeß und die gleichzeitigen, in fast allen europäischen Ländern entstan¬
denen religiösen Wirren, erdrückten den kaum entsprossenen Keim von neuem, die
Aufklärung des vorige» Jahrhunderts wirkte ans den Volksunterricht fast gar nicht
zurück und im Anfange des gegenwärtigen befand sich die Volksschule in den
meisten Ländern wieder in den kläglichsten Verhältnissen. Der bei weitem größte
Theil der Nation erlangte nicht die nothdürftigsten Kenntnisse im Lesen und
Schreiben.
Bei diesem Laufe der Dinge war es überaus wichtig, daß drüben auf dem
jungen Boden Amerikas eine neue Gesellschaft entstand, ans deren Panier in
großen Zeichen stand: „Der Unterricht ist Sache und heilige Pflicht des Staates.
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