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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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ignorirt werden konnte, trotzdem aber doch nur gegen 22 Stimmen angenommen;
von da an war der Rücktritt des Ministers des Auswärtigen entschieden.

Bei der Debatte über das Budget kamen fast alle bedeutenden niederländischen
Staatsfragen wieder auf das Tapet, vor allem die Revision des Besteueruugs-
systems, welche, wie viele andere Reformen, zumal die Justizorganisationen, von
dem Ministerium in nächste Aussicht gestellt wurde; hinsichtlich des ersteren möge
man sich nnr gedulden, sagte es, bis zur glücklich vollbrachten Rentenconversion.

Zur Rechtfertigung des vorherigen angegriffenen Gemeindegesetzes berichtete
der Minister des Innern, daß dasselbe schon während seiner einjährigen Wirksam¬
keit eine solche Thätigkeit in den Gemeinden hervorgerufen habe, Haß ^ oller s
Gemeinden Veränderungen in ihren Gemeindesteuern vorgenommen, welche fast alle
die Bestätigung des Ministeriums hätten erhalten können; -- sehr viele Gemein¬
den hätten die Gemeindesteuern auf die ersten Lebensbedürfnisse abgeschafft. --

Die gänzliche Aufhebung der Ministerien für die beiden Cultus wurde in
Aussicht gestellt nach erfolgter völliger Constituirung der beiden Kircheuverfas-
suugcn.

Schon während der Debatten über das Budget reichte der Finanzminister
den längst erwarteten Gesetzesentwurf über die Converston der vierproceutigcu
Staatsschuld ein, und die Kammer bewies durch ihre Beschlüsse das große Ver¬
trauen, welches sie in die Tüchtigkeit und Ehrlichkeit des Ministers setzte; sie ließ
ihm sreie Hand je nach deu Umständen eine Conversion von ^ zu ^"em Cours
von 99 oder von ^ '/s zu einem Cours von 97 vorzunehmen ; im ersteren Falle sollte
vor 1856 und im zweiten vor 1860 keine neue Couverston stattfinde". Man
hoffte für ein Opfer von höchstens ö Millionen ans eine jährliche Rentenvermin¬
derung von circa 1 Million. So beifällig der Entwurf im Ganzen von der
Kammer aufgenommen wurde, so fehlte es doch auch nicht, daß die Ansichten der
Kammern über die Nothwendigkeit, gegenwärtige Ausführbarkeit und noch mehr
über die Ausführungswcise dieser große Geldopfer erheischenden Maßregel weit
aus einander gingen, und es wurde schon das Princip der Einwechselung al pari
statt der von vielen gewünschten g, 90 Procent genehmigt, der Entwurf selbst
aber verworfen, damit aber nur verschoben bis auf die 18os bevorstehende Ent¬
scheidungsdebatte über die ostindischen Angelegenheiten.

Endlich hörte auch die Miuisterkrisis, vor der man schon damals den völligen
Sturz des Ministerium Thorbecke prophezeite, auf, indem in der Person des
Herrn Strens, und des Barons Forster de Dambenoy neue Minister der Justiz
und des Krieges ernannt wurden. Vom ersten war die echt constitutionelle Ge¬
sinnung bekannt, vom zweiten dagegen sollte sie bald mit Recht angezweifelt
werden.

Als die zweite Kammer im Julius das Ende ihrer Sitzungen herankommen
sah, hoffte sie auf längere Ferien, ward aber enttäuscht, als ihr kurz vor dem Schlüsse


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ignorirt werden konnte, trotzdem aber doch nur gegen 22 Stimmen angenommen;
von da an war der Rücktritt des Ministers des Auswärtigen entschieden.

Bei der Debatte über das Budget kamen fast alle bedeutenden niederländischen
Staatsfragen wieder auf das Tapet, vor allem die Revision des Besteueruugs-
systems, welche, wie viele andere Reformen, zumal die Justizorganisationen, von
dem Ministerium in nächste Aussicht gestellt wurde; hinsichtlich des ersteren möge
man sich nnr gedulden, sagte es, bis zur glücklich vollbrachten Rentenconversion.

Zur Rechtfertigung des vorherigen angegriffenen Gemeindegesetzes berichtete
der Minister des Innern, daß dasselbe schon während seiner einjährigen Wirksam¬
keit eine solche Thätigkeit in den Gemeinden hervorgerufen habe, Haß ^ oller s
Gemeinden Veränderungen in ihren Gemeindesteuern vorgenommen, welche fast alle
die Bestätigung des Ministeriums hätten erhalten können; — sehr viele Gemein¬
den hätten die Gemeindesteuern auf die ersten Lebensbedürfnisse abgeschafft. —

Die gänzliche Aufhebung der Ministerien für die beiden Cultus wurde in
Aussicht gestellt nach erfolgter völliger Constituirung der beiden Kircheuverfas-
suugcn.

Schon während der Debatten über das Budget reichte der Finanzminister
den längst erwarteten Gesetzesentwurf über die Converston der vierproceutigcu
Staatsschuld ein, und die Kammer bewies durch ihre Beschlüsse das große Ver¬
trauen, welches sie in die Tüchtigkeit und Ehrlichkeit des Ministers setzte; sie ließ
ihm sreie Hand je nach deu Umständen eine Conversion von ^ zu ^»em Cours
von 99 oder von ^ '/s zu einem Cours von 97 vorzunehmen ; im ersteren Falle sollte
vor 1856 und im zweiten vor 1860 keine neue Couverston stattfinde». Man
hoffte für ein Opfer von höchstens ö Millionen ans eine jährliche Rentenvermin¬
derung von circa 1 Million. So beifällig der Entwurf im Ganzen von der
Kammer aufgenommen wurde, so fehlte es doch auch nicht, daß die Ansichten der
Kammern über die Nothwendigkeit, gegenwärtige Ausführbarkeit und noch mehr
über die Ausführungswcise dieser große Geldopfer erheischenden Maßregel weit
aus einander gingen, und es wurde schon das Princip der Einwechselung al pari
statt der von vielen gewünschten g, 90 Procent genehmigt, der Entwurf selbst
aber verworfen, damit aber nur verschoben bis auf die 18os bevorstehende Ent¬
scheidungsdebatte über die ostindischen Angelegenheiten.

Endlich hörte auch die Miuisterkrisis, vor der man schon damals den völligen
Sturz des Ministerium Thorbecke prophezeite, auf, indem in der Person des
Herrn Strens, und des Barons Forster de Dambenoy neue Minister der Justiz
und des Krieges ernannt wurden. Vom ersten war die echt constitutionelle Ge¬
sinnung bekannt, vom zweiten dagegen sollte sie bald mit Recht angezweifelt
werden.

Als die zweite Kammer im Julius das Ende ihrer Sitzungen herankommen
sah, hoffte sie auf längere Ferien, ward aber enttäuscht, als ihr kurz vor dem Schlüsse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/99>, abgerufen am 23.07.2024.