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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Fleisch, Mehl, Salz und Torf, während die höchsten Classen verhältnißmäßig sehr
wenig zu den Staatslasten beitrügen, indem der bei weitem größte Theil ihres
Vermögens in Staatspapieren angelegt sei. Unter dem Einflüsse dieser gewiß
z"in Theil sehr begründeten Klage und gemäß der holländischen Politik, der Revo¬
lution durch Reformen von oben vorzubeugen, brachte das Ministerium einen
Gesetzesentwurf ein, nach welchem die Accise aus den Torf aufgehoben und dafür
eine Steuer ans Capitalien in Staatspapieren eingeführt werden solle, nämlich
aus alle Capitalien, die nicht in festen Gütern oder in Industriezweigen angelegt
seien. Die Majorität der Kammer zeigte sich dem Entwürfe günstig, der dagegen
von der Minorität in der hitzigsten Weise angegriffen ward, sowol im Princip
als in seinen Folgen, welche nach den Ansichten der Minorität selbst für die un¬
teren Classen nur nachtheilig sein würden; der angesehenste Nationalökonom der
Niederlande, Baron Stock tot Oldhuis, ging in seinem Eiser sogar soweit, daß
er den Entwurf ein Proudhougcsetz nannte. Trotzdem nahm aber die Kammer
Artikel -I, welcher das Princip des Gesetzes enthielt, mit 33 gegen 34 Stimmen
an, verwarf dagegen Art. 3, welcher die Ausführung enthielt, mit 33 gegen 29;
denn man konnte sich über die höchst schwierige Frage der Erhebnngswcise nicht
einigen, und der Vorschlag des Ministers,^ die Steuern von den Coupons ein¬
zubehalten, fand fast gar keinen Beifall.

Da um der Minister das ganze Gesetz über die Steuern auf Staatspapiere
sammt den damit verbundenen über die Abschaffung der Torfaccise und der Ver¬
minderung des Tonnengeldes der Seeschiffe einzog, fühlten doch selbst die Geg¬
ner, daß ihr Sieg ein Pyrrhussieg werden könne, wenn sie .nicht ihre Geneigt¬
heit, den nach allgemeiner Meinung überlasteten untern Classen einen Theil ihrer
Bürde abzunehmen, thatsächlich bewiesen, und so kam plötzlich aus der Mitte
dieser Partei der Antrag, die Accise aus Schweine- und Schaffleisch als Haupt-
nahrungsmittel der untern Classen abzuschaffen. Er ward, als der Minister sich
thu aneignete, nach kurzer Debatte angenommen. Der dadurch entstandene Aus¬
fall in den Staatseinnahmen war gedeckt worden dnrch die Verbesserungen, welche
durch die von den Kammern angenommenen Gesetzesvorschläge in der Erhebung
der Zucker-, Salz- und Patentstener eingeführt waren; ein Versuch, auch die
Advocaten der Patentsteuer zu unterwerfen, ward mit 27 gegen 26 Stimmen
abgeschlagen.

Die Debatte über die Salzsteuer hatte das Niedersetzen einer Enqnöte-Com¬
mission zur Folge, eine constitutionelle Einrichtung, die mit solchen ausgedehnten
Befugnissen der Commission unseres Wissens nur in England ähnlich besteht.

Bevor die Kammer auseinanderging, um am 4. Mai wieder zusammenzu¬
treten, behandelte sie noch 3 Gesetzesentwürfe, von denen der erste, über die
Pnblicirungen der Verordnungen des Ministeriums des Jnnern, ohne Widerspruch
angenommen ward; der zweite, über die Reichspvlizei, zu einem Conflicte mit der


Grenzboten. III. i8!53. 12

Fleisch, Mehl, Salz und Torf, während die höchsten Classen verhältnißmäßig sehr
wenig zu den Staatslasten beitrügen, indem der bei weitem größte Theil ihres
Vermögens in Staatspapieren angelegt sei. Unter dem Einflüsse dieser gewiß
z»in Theil sehr begründeten Klage und gemäß der holländischen Politik, der Revo¬
lution durch Reformen von oben vorzubeugen, brachte das Ministerium einen
Gesetzesentwurf ein, nach welchem die Accise aus den Torf aufgehoben und dafür
eine Steuer ans Capitalien in Staatspapieren eingeführt werden solle, nämlich
aus alle Capitalien, die nicht in festen Gütern oder in Industriezweigen angelegt
seien. Die Majorität der Kammer zeigte sich dem Entwürfe günstig, der dagegen
von der Minorität in der hitzigsten Weise angegriffen ward, sowol im Princip
als in seinen Folgen, welche nach den Ansichten der Minorität selbst für die un¬
teren Classen nur nachtheilig sein würden; der angesehenste Nationalökonom der
Niederlande, Baron Stock tot Oldhuis, ging in seinem Eiser sogar soweit, daß
er den Entwurf ein Proudhougcsetz nannte. Trotzdem nahm aber die Kammer
Artikel -I, welcher das Princip des Gesetzes enthielt, mit 33 gegen 34 Stimmen
an, verwarf dagegen Art. 3, welcher die Ausführung enthielt, mit 33 gegen 29;
denn man konnte sich über die höchst schwierige Frage der Erhebnngswcise nicht
einigen, und der Vorschlag des Ministers,^ die Steuern von den Coupons ein¬
zubehalten, fand fast gar keinen Beifall.

Da um der Minister das ganze Gesetz über die Steuern auf Staatspapiere
sammt den damit verbundenen über die Abschaffung der Torfaccise und der Ver¬
minderung des Tonnengeldes der Seeschiffe einzog, fühlten doch selbst die Geg¬
ner, daß ihr Sieg ein Pyrrhussieg werden könne, wenn sie .nicht ihre Geneigt¬
heit, den nach allgemeiner Meinung überlasteten untern Classen einen Theil ihrer
Bürde abzunehmen, thatsächlich bewiesen, und so kam plötzlich aus der Mitte
dieser Partei der Antrag, die Accise aus Schweine- und Schaffleisch als Haupt-
nahrungsmittel der untern Classen abzuschaffen. Er ward, als der Minister sich
thu aneignete, nach kurzer Debatte angenommen. Der dadurch entstandene Aus¬
fall in den Staatseinnahmen war gedeckt worden dnrch die Verbesserungen, welche
durch die von den Kammern angenommenen Gesetzesvorschläge in der Erhebung
der Zucker-, Salz- und Patentstener eingeführt waren; ein Versuch, auch die
Advocaten der Patentsteuer zu unterwerfen, ward mit 27 gegen 26 Stimmen
abgeschlagen.

Die Debatte über die Salzsteuer hatte das Niedersetzen einer Enqnöte-Com¬
mission zur Folge, eine constitutionelle Einrichtung, die mit solchen ausgedehnten
Befugnissen der Commission unseres Wissens nur in England ähnlich besteht.

Bevor die Kammer auseinanderging, um am 4. Mai wieder zusammenzu¬
treten, behandelte sie noch 3 Gesetzesentwürfe, von denen der erste, über die
Pnblicirungen der Verordnungen des Ministeriums des Jnnern, ohne Widerspruch
angenommen ward; der zweite, über die Reichspvlizei, zu einem Conflicte mit der


Grenzboten. III. i8!53. 12
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[0097] Fleisch, Mehl, Salz und Torf, während die höchsten Classen verhältnißmäßig sehr wenig zu den Staatslasten beitrügen, indem der bei weitem größte Theil ihres Vermögens in Staatspapieren angelegt sei. Unter dem Einflüsse dieser gewiß z»in Theil sehr begründeten Klage und gemäß der holländischen Politik, der Revo¬ lution durch Reformen von oben vorzubeugen, brachte das Ministerium einen Gesetzesentwurf ein, nach welchem die Accise aus den Torf aufgehoben und dafür eine Steuer ans Capitalien in Staatspapieren eingeführt werden solle, nämlich aus alle Capitalien, die nicht in festen Gütern oder in Industriezweigen angelegt seien. Die Majorität der Kammer zeigte sich dem Entwürfe günstig, der dagegen von der Minorität in der hitzigsten Weise angegriffen ward, sowol im Princip als in seinen Folgen, welche nach den Ansichten der Minorität selbst für die un¬ teren Classen nur nachtheilig sein würden; der angesehenste Nationalökonom der Niederlande, Baron Stock tot Oldhuis, ging in seinem Eiser sogar soweit, daß er den Entwurf ein Proudhougcsetz nannte. Trotzdem nahm aber die Kammer Artikel -I, welcher das Princip des Gesetzes enthielt, mit 33 gegen 34 Stimmen an, verwarf dagegen Art. 3, welcher die Ausführung enthielt, mit 33 gegen 29; denn man konnte sich über die höchst schwierige Frage der Erhebnngswcise nicht einigen, und der Vorschlag des Ministers,^ die Steuern von den Coupons ein¬ zubehalten, fand fast gar keinen Beifall. Da um der Minister das ganze Gesetz über die Steuern auf Staatspapiere sammt den damit verbundenen über die Abschaffung der Torfaccise und der Ver¬ minderung des Tonnengeldes der Seeschiffe einzog, fühlten doch selbst die Geg¬ ner, daß ihr Sieg ein Pyrrhussieg werden könne, wenn sie .nicht ihre Geneigt¬ heit, den nach allgemeiner Meinung überlasteten untern Classen einen Theil ihrer Bürde abzunehmen, thatsächlich bewiesen, und so kam plötzlich aus der Mitte dieser Partei der Antrag, die Accise aus Schweine- und Schaffleisch als Haupt- nahrungsmittel der untern Classen abzuschaffen. Er ward, als der Minister sich thu aneignete, nach kurzer Debatte angenommen. Der dadurch entstandene Aus¬ fall in den Staatseinnahmen war gedeckt worden dnrch die Verbesserungen, welche durch die von den Kammern angenommenen Gesetzesvorschläge in der Erhebung der Zucker-, Salz- und Patentstener eingeführt waren; ein Versuch, auch die Advocaten der Patentsteuer zu unterwerfen, ward mit 27 gegen 26 Stimmen abgeschlagen. Die Debatte über die Salzsteuer hatte das Niedersetzen einer Enqnöte-Com¬ mission zur Folge, eine constitutionelle Einrichtung, die mit solchen ausgedehnten Befugnissen der Commission unseres Wissens nur in England ähnlich besteht. Bevor die Kammer auseinanderging, um am 4. Mai wieder zusammenzu¬ treten, behandelte sie noch 3 Gesetzesentwürfe, von denen der erste, über die Pnblicirungen der Verordnungen des Ministeriums des Jnnern, ohne Widerspruch angenommen ward; der zweite, über die Reichspvlizei, zu einem Conflicte mit der Grenzboten. III. i8!53. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/97>, abgerufen am 23.07.2024.