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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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berannten drei Monate verstrichen, ohne daß Oldenburg publicirt, so kann die
Bundesversammlung die Sache entweder ganz fallen und auf sich beruhen lassen,
oder es wird ein Antrag auf Zwangsmaßregeln gegen Oldenburg an sie gestellt
werden. Dann tritt die Frage ein, ob ein solcher Antrag die Stimmenmehrheit
erlangen und somit zum Beschluß erhoben werden würde, und das ist sehr zu be¬
zweifeln, sowol weil einige Regierungen, wie Württemberg und die großherzoglich
und herzoglich sächsische" Häuser, obgleich sie für den Mehrheitsbeschluß von
18is gestimmt hatten, doch dem vom 12. Mai dieses Jahres nicht beigetreten
sind, als weil andere, wie Kurhessen und Königreich Sachsen, zwar für den letz¬
tern, aber gegen den erstem gestimmt haben und also auch nicht die äußersten
Consequenzen eines Beschlusses werden mitziehen wollen, den sie nicht angefaßt
haben. Zudem hat Preußen, welches gleichfalls für den Beschluß vom 12. Juni
1845 gestimmt hatte, dem den Regierungen eine Frist von drei Monaten, also
eine Nöthigung, auferlegenden Theile des Beschlusses vom 12. Mai dieses Jahres
schon nicht beigestimmt und dadurch dem letztem die Spitze abgebrochen. Der
Hauptgrund aber, weshalb aus dem Bundesbcschlusse vom 12. Mai keine Zwangs-
maßregeln seitens des deutschen Bundes und keine, von der einen Partei aller¬
dings bezweckten Eingriffe desselben in die Entscheidung des bei dem competenten
Gerichte anhängigen Rechtsstreites hervorgehen werden, liegt in der Natur
der Sache.

Im Jahre 1826 übernahm der deutsche Bund durch Bundesbeschluß vom
9. März die Garantie des von Preußen, Oestreich und Rußland zwischen dem
damaligen Herzog von Oldenburg und dem damaligen Grafen Bentinck vermit¬
telten "Berliner Abkommens wegen der freien Herrschaft Kniphausen" vom
8. Juni 1823, im Jahre 1828 verwies die Bundesversammlung durch einstim¬
migen Beschluß vom 2 i . Juli die Entscheidung der Frage über die Successions-
sähigkeit der Söhne des damals regierenden Grafen Bentinck, d. h. des jetzigen
factischen Besitzers von Kniphausen und seiner Brüder, unter Berufung auf die
Bestimmungen des vom deutschen Bunde garantirten Berliner Abkommens an das
OberapellationSgericht zu Oldenburg, erklärte sich selbst für "in keiner Hinsicht
competent" und sprach ausdrücklich aus: "daß sie durch keine bundcsrechtliche
Norm dazu autoristrt sei, sich das Interesse der Legitimität und Ebenbürtigkeit
in der gräflichen Familie von Bentinck als Motiv einer deren Erhaltung bezielen¬
den Verfügung dienen zu lassen." Zu gleicher Zeit erklärte sie dem Vater des
jetzigen Klägers, "wem, er bei dem Oberappellationsgerichte zu Oldenburg gegen
seinen Herrn Bruder klagend auftrete, so müsse er sich, gemäß Art. 6. lit. g.
des ""Berliner Abkommens"" gefallen lassen, daß, falls sein Gegner darauf an.
trüge, die Acten zur Abfassung eines Urtheils an eine deutsche Jnristensacultät
versendet würden." Diesen Weg schlug der jetzige Kläger denn auch ein, aber
kaum hatte ihn die juristische Facultät von Jena durch erstinstanzliches Urtheil


berannten drei Monate verstrichen, ohne daß Oldenburg publicirt, so kann die
Bundesversammlung die Sache entweder ganz fallen und auf sich beruhen lassen,
oder es wird ein Antrag auf Zwangsmaßregeln gegen Oldenburg an sie gestellt
werden. Dann tritt die Frage ein, ob ein solcher Antrag die Stimmenmehrheit
erlangen und somit zum Beschluß erhoben werden würde, und das ist sehr zu be¬
zweifeln, sowol weil einige Regierungen, wie Württemberg und die großherzoglich
und herzoglich sächsische» Häuser, obgleich sie für den Mehrheitsbeschluß von
18is gestimmt hatten, doch dem vom 12. Mai dieses Jahres nicht beigetreten
sind, als weil andere, wie Kurhessen und Königreich Sachsen, zwar für den letz¬
tern, aber gegen den erstem gestimmt haben und also auch nicht die äußersten
Consequenzen eines Beschlusses werden mitziehen wollen, den sie nicht angefaßt
haben. Zudem hat Preußen, welches gleichfalls für den Beschluß vom 12. Juni
1845 gestimmt hatte, dem den Regierungen eine Frist von drei Monaten, also
eine Nöthigung, auferlegenden Theile des Beschlusses vom 12. Mai dieses Jahres
schon nicht beigestimmt und dadurch dem letztem die Spitze abgebrochen. Der
Hauptgrund aber, weshalb aus dem Bundesbcschlusse vom 12. Mai keine Zwangs-
maßregeln seitens des deutschen Bundes und keine, von der einen Partei aller¬
dings bezweckten Eingriffe desselben in die Entscheidung des bei dem competenten
Gerichte anhängigen Rechtsstreites hervorgehen werden, liegt in der Natur
der Sache.

Im Jahre 1826 übernahm der deutsche Bund durch Bundesbeschluß vom
9. März die Garantie des von Preußen, Oestreich und Rußland zwischen dem
damaligen Herzog von Oldenburg und dem damaligen Grafen Bentinck vermit¬
telten „Berliner Abkommens wegen der freien Herrschaft Kniphausen" vom
8. Juni 1823, im Jahre 1828 verwies die Bundesversammlung durch einstim¬
migen Beschluß vom 2 i . Juli die Entscheidung der Frage über die Successions-
sähigkeit der Söhne des damals regierenden Grafen Bentinck, d. h. des jetzigen
factischen Besitzers von Kniphausen und seiner Brüder, unter Berufung auf die
Bestimmungen des vom deutschen Bunde garantirten Berliner Abkommens an das
OberapellationSgericht zu Oldenburg, erklärte sich selbst für „in keiner Hinsicht
competent" und sprach ausdrücklich aus: „daß sie durch keine bundcsrechtliche
Norm dazu autoristrt sei, sich das Interesse der Legitimität und Ebenbürtigkeit
in der gräflichen Familie von Bentinck als Motiv einer deren Erhaltung bezielen¬
den Verfügung dienen zu lassen." Zu gleicher Zeit erklärte sie dem Vater des
jetzigen Klägers, „wem, er bei dem Oberappellationsgerichte zu Oldenburg gegen
seinen Herrn Bruder klagend auftrete, so müsse er sich, gemäß Art. 6. lit. g.
des „„Berliner Abkommens"" gefallen lassen, daß, falls sein Gegner darauf an.
trüge, die Acten zur Abfassung eines Urtheils an eine deutsche Jnristensacultät
versendet würden." Diesen Weg schlug der jetzige Kläger denn auch ein, aber
kaum hatte ihn die juristische Facultät von Jena durch erstinstanzliches Urtheil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/70>, abgerufen am 23.07.2024.