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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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dem muthmaßlichen Kriegsschauplatze, d. h. in der Bulgarei. Rechnet man,
daß davon dreißig als Festuugsbesatzungen in Abzug zu bringen sind, so ver¬
bleiben immer noch 70 für die großen Operationen. Diesen siebenzig haben Sie
etwa neun Cavalerie-Regimenter (von den genannten zwölf) und gegen zweihundert
bespannte Kanonen beizuzählen.

Die Hauptarmee wird unter dem Kommando Omer Paschas stehen. Diesen
Mann Ihnen zu schildern, war schon längst meine Absicht, indeß hatte ich kaum
noch Muße dazu. Was nachfolgt, ist darum nur eine flüchtige Skizze und als
solche bitte ich Sie, es aufzufassen.

Omer Pascha ist, seinen eigenen Angaben nach, gegenwärtig 46 Jahre alt.
Seine Figur ist schlank, und etwas mehr wie Mittelmaß. Er hält sich sehr
gerade, hat dunkles Haar, einen schneeweißen Backenbart, der nach türkischer
Vorschrift um das untere Kinn herum sich fortsetzt und aus dem grauen Auge
blitzt ein zündendes Feuer. Seine Manieren sind die eines feinen Weidmanns.
Er gesticulirt bei der Unterredung viel, aber mit Grazie und unterstützt feine
mündlichen Mittheilungen durch lebhafte Wendungen des Kopfes, wenn er erregt
ist und zornig erscheinen will, -- denn er hat sich sehr in der Gewalt und wird
es thatsächlich wol selteu -- durch Stampfen mit dem Fuß. Das Deutsche redet
er vollkommen und ohne provinzialen Accent. Seine Formen in dieser Sprache
sind sehr höflich und tragen nichts Fremdes an sich. Ueber seiue militärischen
Eigenschaften will ich mir hier kein Urtheil erlauben. Man sollte dies überhaupt
bei jedem Führer vermeiden, der im Begriff steht, ins Feld zu treten. Außerdem
komme ich in meinen späteren Mittheilungen an Sie wol noch auf diesen Mann
und zwar behufs einer umfassenderen Charakterisirung zurück.

Wie auch bereits aus dem vorher Angeführten zu schließen ist, dauern die
Rüstungen.ununterbrochen fort, und werden in stets wachsender Ausdehnung be¬
trieben. Bereits sind englische Militärs mit den türkischen in Verbindung ge¬
treten und namentlich bereiset ein britischer General, in Begleitung einiger Adju¬
tanten, den niederen Balkan und das linke Ufer der Donau. Inzwischen richten
sich die Russen in der Wallachei und Moldau ein, und zwar in einer Weise, die
man eher eine defensive wie eine offensive nennen könnte. Man bessert die
Straßen behufs einer schnelleren Communication aus, legt über die vielen kleineren
Flüsse portative Brücken, und befestigt namentlich die strategischen Hauptpunkte
des Landes. Bereits soll Jassy mit einem weiten Kreise von Befestigungen um¬
geben sein. Aehnliches scheint man in Betreff Bnkarests zu beabsichtige" und
bereits auszuführen begonnen zu haben. Der Zweck leuchtet ein. Wenn Jassy
bedeutendster Verbindungspunkt zwischen der großen wallachischen Ebene und den
russischen Provinzen Bessarabien und Podolien ist, so beansprucht Bukarest als
Mittelpunkt eines Communicationssystems und als Centrum, in welchem ungeheuere
Subftstenzmittel sich häufen, eine besondere Beachtung. Außerdem gibt es in


Grenzboten. III. 1863. 60

dem muthmaßlichen Kriegsschauplatze, d. h. in der Bulgarei. Rechnet man,
daß davon dreißig als Festuugsbesatzungen in Abzug zu bringen sind, so ver¬
bleiben immer noch 70 für die großen Operationen. Diesen siebenzig haben Sie
etwa neun Cavalerie-Regimenter (von den genannten zwölf) und gegen zweihundert
bespannte Kanonen beizuzählen.

Die Hauptarmee wird unter dem Kommando Omer Paschas stehen. Diesen
Mann Ihnen zu schildern, war schon längst meine Absicht, indeß hatte ich kaum
noch Muße dazu. Was nachfolgt, ist darum nur eine flüchtige Skizze und als
solche bitte ich Sie, es aufzufassen.

Omer Pascha ist, seinen eigenen Angaben nach, gegenwärtig 46 Jahre alt.
Seine Figur ist schlank, und etwas mehr wie Mittelmaß. Er hält sich sehr
gerade, hat dunkles Haar, einen schneeweißen Backenbart, der nach türkischer
Vorschrift um das untere Kinn herum sich fortsetzt und aus dem grauen Auge
blitzt ein zündendes Feuer. Seine Manieren sind die eines feinen Weidmanns.
Er gesticulirt bei der Unterredung viel, aber mit Grazie und unterstützt feine
mündlichen Mittheilungen durch lebhafte Wendungen des Kopfes, wenn er erregt
ist und zornig erscheinen will, — denn er hat sich sehr in der Gewalt und wird
es thatsächlich wol selteu — durch Stampfen mit dem Fuß. Das Deutsche redet
er vollkommen und ohne provinzialen Accent. Seine Formen in dieser Sprache
sind sehr höflich und tragen nichts Fremdes an sich. Ueber seiue militärischen
Eigenschaften will ich mir hier kein Urtheil erlauben. Man sollte dies überhaupt
bei jedem Führer vermeiden, der im Begriff steht, ins Feld zu treten. Außerdem
komme ich in meinen späteren Mittheilungen an Sie wol noch auf diesen Mann
und zwar behufs einer umfassenderen Charakterisirung zurück.

Wie auch bereits aus dem vorher Angeführten zu schließen ist, dauern die
Rüstungen.ununterbrochen fort, und werden in stets wachsender Ausdehnung be¬
trieben. Bereits sind englische Militärs mit den türkischen in Verbindung ge¬
treten und namentlich bereiset ein britischer General, in Begleitung einiger Adju¬
tanten, den niederen Balkan und das linke Ufer der Donau. Inzwischen richten
sich die Russen in der Wallachei und Moldau ein, und zwar in einer Weise, die
man eher eine defensive wie eine offensive nennen könnte. Man bessert die
Straßen behufs einer schnelleren Communication aus, legt über die vielen kleineren
Flüsse portative Brücken, und befestigt namentlich die strategischen Hauptpunkte
des Landes. Bereits soll Jassy mit einem weiten Kreise von Befestigungen um¬
geben sein. Aehnliches scheint man in Betreff Bnkarests zu beabsichtige» und
bereits auszuführen begonnen zu haben. Der Zweck leuchtet ein. Wenn Jassy
bedeutendster Verbindungspunkt zwischen der großen wallachischen Ebene und den
russischen Provinzen Bessarabien und Podolien ist, so beansprucht Bukarest als
Mittelpunkt eines Communicationssystems und als Centrum, in welchem ungeheuere
Subftstenzmittel sich häufen, eine besondere Beachtung. Außerdem gibt es in


Grenzboten. III. 1863. 60
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/479>, abgerufen am 03.07.2024.