Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

singen, und das Licht verlöschte. Es war, als hätte ihn Mejra gar nicht bemerkt.
Drei Nächte kam Omer also an Mejras Fenster und schlich jedesmal traurig und
niedergeschlagen davon. Mejra hatte sich ihm nicht ein einziges Mal gezeigt.

Am vierten Abend kam der junge Freier wieder und sprach: "Nun so werde
ich zum letzten Male noch etwas singen, aber von nun an soll mein Fuß nie wie¬
der ihrem Fenster nahen!" -- Er schlug seine Tambnrica gar lieblich und sang
mit klagender Stimme dazu. Die zweite Strophe endete also:


"Mag ich Tag und Rache vergeuden,
Unter Mejras Fenster singend,
Mejra will mich doch nicht hören!"

Nach dieser Strophe verlöschte das Licht in der Stube und ein Fenster öff¬
nete sich. Omer wußte sich vor Freude kaum zu fassen bei dem Gedanken, daß
er endlich erworben, um was er solange geworben.

Mejra begann: ,,Es hat den Anschein, als habest du allen Verstand ver¬
loren, Omer. Ich kann mich über deine Narrheit uicht satt wundern. Was
suchst Du uuter meinen Fenstern? Ich sage dir: daraus wird nichts, damit du
es wissest."

Omers Freude war plötzlich zu Ende und eine Betrübniß, größer als je,
überkam ihn.

Mejra bemerkte die Verstörtheit Omers und redete ihn wieder an: "Mein
Närrchen, du willst mich zum Weibe? Jsts nicht so, Omer?"

"So ist es" -- war Omers Antwort.

"Das also ist dein Begehr?" -- fuhr sie fort -- "das kaun nicht sein;
Du hast ja keinen Bissen Brod im Hause und träumst doch von einer Heirath?
Ich weiß, was du mir antworten willst: gleich und gleich gesellt sich. Ja, es
ist wahr, ich bin die Tochter armer Eltern; aber bedenke zugleich, daß es in
ganz Sarajevo kein Mädchen gibt, das hübscher wäre, als ich bin. Durch meine
Schönheit kann ich mein Glück macheu; ich kaun im Harem des reichsten Handels¬
herren in Sarajevo einen Platz finden. Aber verstehe mich wol, Omer: wahrer
Reichthum besteht nicht in Gold und nicht in Silber, sonder" in dem, was dem
Herzen theuer ist. Ich wollte dich lieber wähle", als ganz Sarajevo. Aber
heilig ist mir meiner Eltern Wunsch. Ich darf demselben nicht entgegenhan¬
deln und bin verpflichtet, einen solchen Mann zu heirathen, welcher im Stande ist,
nicht allein mich, sondern auch meine Eltern glücklich zu machen und bis aus
Lebensende ehrlich zu ernähren."

Als dies Omer gehört, ermannte er sich und sprach: "Wenn es so ist, so
sage mir doch, wieviel deine Eltern dafür verlangen würden, daß du mein
würdest und ich dich von ihnen kaufen könnte?"

" Gar soviel wäre eben nicht nöthig" -- meinte Mejra. "Wenn dn ir¬
gend einen Kramladen eröffnetest und zu handeln anfingst, könntest du meine


singen, und das Licht verlöschte. Es war, als hätte ihn Mejra gar nicht bemerkt.
Drei Nächte kam Omer also an Mejras Fenster und schlich jedesmal traurig und
niedergeschlagen davon. Mejra hatte sich ihm nicht ein einziges Mal gezeigt.

Am vierten Abend kam der junge Freier wieder und sprach: „Nun so werde
ich zum letzten Male noch etwas singen, aber von nun an soll mein Fuß nie wie¬
der ihrem Fenster nahen!" — Er schlug seine Tambnrica gar lieblich und sang
mit klagender Stimme dazu. Die zweite Strophe endete also:


„Mag ich Tag und Rache vergeuden,
Unter Mejras Fenster singend,
Mejra will mich doch nicht hören!"

Nach dieser Strophe verlöschte das Licht in der Stube und ein Fenster öff¬
nete sich. Omer wußte sich vor Freude kaum zu fassen bei dem Gedanken, daß
er endlich erworben, um was er solange geworben.

Mejra begann: ,,Es hat den Anschein, als habest du allen Verstand ver¬
loren, Omer. Ich kann mich über deine Narrheit uicht satt wundern. Was
suchst Du uuter meinen Fenstern? Ich sage dir: daraus wird nichts, damit du
es wissest."

Omers Freude war plötzlich zu Ende und eine Betrübniß, größer als je,
überkam ihn.

Mejra bemerkte die Verstörtheit Omers und redete ihn wieder an: „Mein
Närrchen, du willst mich zum Weibe? Jsts nicht so, Omer?"

„So ist es" — war Omers Antwort.

„Das also ist dein Begehr?" — fuhr sie fort — „das kaun nicht sein;
Du hast ja keinen Bissen Brod im Hause und träumst doch von einer Heirath?
Ich weiß, was du mir antworten willst: gleich und gleich gesellt sich. Ja, es
ist wahr, ich bin die Tochter armer Eltern; aber bedenke zugleich, daß es in
ganz Sarajevo kein Mädchen gibt, das hübscher wäre, als ich bin. Durch meine
Schönheit kann ich mein Glück macheu; ich kaun im Harem des reichsten Handels¬
herren in Sarajevo einen Platz finden. Aber verstehe mich wol, Omer: wahrer
Reichthum besteht nicht in Gold und nicht in Silber, sonder» in dem, was dem
Herzen theuer ist. Ich wollte dich lieber wähle», als ganz Sarajevo. Aber
heilig ist mir meiner Eltern Wunsch. Ich darf demselben nicht entgegenhan¬
deln und bin verpflichtet, einen solchen Mann zu heirathen, welcher im Stande ist,
nicht allein mich, sondern auch meine Eltern glücklich zu machen und bis aus
Lebensende ehrlich zu ernähren."

Als dies Omer gehört, ermannte er sich und sprach: „Wenn es so ist, so
sage mir doch, wieviel deine Eltern dafür verlangen würden, daß du mein
würdest und ich dich von ihnen kaufen könnte?"

„ Gar soviel wäre eben nicht nöthig" — meinte Mejra. „Wenn dn ir¬
gend einen Kramladen eröffnetest und zu handeln anfingst, könntest du meine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96637"/>
            <p xml:id="ID_1592" prev="#ID_1591"> singen, und das Licht verlöschte. Es war, als hätte ihn Mejra gar nicht bemerkt.<lb/>
Drei Nächte kam Omer also an Mejras Fenster und schlich jedesmal traurig und<lb/>
niedergeschlagen davon.  Mejra hatte sich ihm nicht ein einziges Mal gezeigt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1593"> Am vierten Abend kam der junge Freier wieder und sprach: &#x201E;Nun so werde<lb/>
ich zum letzten Male noch etwas singen, aber von nun an soll mein Fuß nie wie¬<lb/>
der ihrem Fenster nahen!" &#x2014; Er schlug seine Tambnrica gar lieblich und sang<lb/>
mit klagender Stimme dazu. Die zweite Strophe endete also:</p><lb/>
            <quote> &#x201E;Mag ich Tag und Rache vergeuden,<lb/>
Unter Mejras Fenster singend,<lb/>
Mejra will mich doch nicht hören!"</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_1594"> Nach dieser Strophe verlöschte das Licht in der Stube und ein Fenster öff¬<lb/>
nete sich. Omer wußte sich vor Freude kaum zu fassen bei dem Gedanken, daß<lb/>
er endlich erworben, um was er solange geworben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1595"> Mejra begann: ,,Es hat den Anschein, als habest du allen Verstand ver¬<lb/>
loren, Omer. Ich kann mich über deine Narrheit uicht satt wundern. Was<lb/>
suchst Du uuter meinen Fenstern? Ich sage dir: daraus wird nichts, damit du<lb/>
es wissest."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1596"> Omers Freude war plötzlich zu Ende und eine Betrübniß, größer als je,<lb/>
überkam ihn.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1597"> Mejra bemerkte die Verstörtheit Omers und redete ihn wieder an: &#x201E;Mein<lb/>
Närrchen, du willst mich zum Weibe? Jsts nicht so, Omer?"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1598"> &#x201E;So ist es" &#x2014; war Omers Antwort.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1599"> &#x201E;Das also ist dein Begehr?" &#x2014; fuhr sie fort &#x2014; &#x201E;das kaun nicht sein;<lb/>
Du hast ja keinen Bissen Brod im Hause und träumst doch von einer Heirath?<lb/>
Ich weiß, was du mir antworten willst: gleich und gleich gesellt sich. Ja, es<lb/>
ist wahr, ich bin die Tochter armer Eltern; aber bedenke zugleich, daß es in<lb/>
ganz Sarajevo kein Mädchen gibt, das hübscher wäre, als ich bin. Durch meine<lb/>
Schönheit kann ich mein Glück macheu; ich kaun im Harem des reichsten Handels¬<lb/>
herren in Sarajevo einen Platz finden. Aber verstehe mich wol, Omer: wahrer<lb/>
Reichthum besteht nicht in Gold und nicht in Silber, sonder» in dem, was dem<lb/>
Herzen theuer ist. Ich wollte dich lieber wähle», als ganz Sarajevo. Aber<lb/>
heilig ist mir meiner Eltern Wunsch. Ich darf demselben nicht entgegenhan¬<lb/>
deln und bin verpflichtet, einen solchen Mann zu heirathen, welcher im Stande ist,<lb/>
nicht allein mich, sondern auch meine Eltern glücklich zu machen und bis aus<lb/>
Lebensende ehrlich zu ernähren."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1600"> Als dies Omer gehört, ermannte er sich und sprach: &#x201E;Wenn es so ist, so<lb/>
sage mir doch, wieviel deine Eltern dafür verlangen würden, daß du mein<lb/>
würdest und ich dich von ihnen kaufen könnte?"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1601" next="#ID_1602"> &#x201E; Gar soviel wäre eben nicht nöthig" &#x2014; meinte Mejra. &#x201E;Wenn dn ir¬<lb/>
gend einen Kramladen eröffnetest und zu handeln anfingst, könntest du meine</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0462] singen, und das Licht verlöschte. Es war, als hätte ihn Mejra gar nicht bemerkt. Drei Nächte kam Omer also an Mejras Fenster und schlich jedesmal traurig und niedergeschlagen davon. Mejra hatte sich ihm nicht ein einziges Mal gezeigt. Am vierten Abend kam der junge Freier wieder und sprach: „Nun so werde ich zum letzten Male noch etwas singen, aber von nun an soll mein Fuß nie wie¬ der ihrem Fenster nahen!" — Er schlug seine Tambnrica gar lieblich und sang mit klagender Stimme dazu. Die zweite Strophe endete also: „Mag ich Tag und Rache vergeuden, Unter Mejras Fenster singend, Mejra will mich doch nicht hören!" Nach dieser Strophe verlöschte das Licht in der Stube und ein Fenster öff¬ nete sich. Omer wußte sich vor Freude kaum zu fassen bei dem Gedanken, daß er endlich erworben, um was er solange geworben. Mejra begann: ,,Es hat den Anschein, als habest du allen Verstand ver¬ loren, Omer. Ich kann mich über deine Narrheit uicht satt wundern. Was suchst Du uuter meinen Fenstern? Ich sage dir: daraus wird nichts, damit du es wissest." Omers Freude war plötzlich zu Ende und eine Betrübniß, größer als je, überkam ihn. Mejra bemerkte die Verstörtheit Omers und redete ihn wieder an: „Mein Närrchen, du willst mich zum Weibe? Jsts nicht so, Omer?" „So ist es" — war Omers Antwort. „Das also ist dein Begehr?" — fuhr sie fort — „das kaun nicht sein; Du hast ja keinen Bissen Brod im Hause und träumst doch von einer Heirath? Ich weiß, was du mir antworten willst: gleich und gleich gesellt sich. Ja, es ist wahr, ich bin die Tochter armer Eltern; aber bedenke zugleich, daß es in ganz Sarajevo kein Mädchen gibt, das hübscher wäre, als ich bin. Durch meine Schönheit kann ich mein Glück macheu; ich kaun im Harem des reichsten Handels¬ herren in Sarajevo einen Platz finden. Aber verstehe mich wol, Omer: wahrer Reichthum besteht nicht in Gold und nicht in Silber, sonder» in dem, was dem Herzen theuer ist. Ich wollte dich lieber wähle», als ganz Sarajevo. Aber heilig ist mir meiner Eltern Wunsch. Ich darf demselben nicht entgegenhan¬ deln und bin verpflichtet, einen solchen Mann zu heirathen, welcher im Stande ist, nicht allein mich, sondern auch meine Eltern glücklich zu machen und bis aus Lebensende ehrlich zu ernähren." Als dies Omer gehört, ermannte er sich und sprach: „Wenn es so ist, so sage mir doch, wieviel deine Eltern dafür verlangen würden, daß du mein würdest und ich dich von ihnen kaufen könnte?" „ Gar soviel wäre eben nicht nöthig" — meinte Mejra. „Wenn dn ir¬ gend einen Kramladen eröffnetest und zu handeln anfingst, könntest du meine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/462
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/462>, abgerufen am 23.07.2024.