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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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300,000 Mann und 300 Millionen zu fordern! 300,000 Mann und
300 Millionen, dies ist das Losungswort des Kaiserreichs. Sieger oder be¬
siegt, Bonaparte braucht immer 300,000 Mann und 300 Millionen! Er ist
niemals daraus hinausgekommen.

Man wird überdies bemerken, mit welchem Wohlgefallen er die Bewegungen
des preußischen Corps erzählt, das der General Bülow commandirte. In der
Schlacke hatte er den Anmarsch dieser Truppen erfahren; er kannte ihre Zahl;
er sah die Rolle vorher,' die Bülow wahrend des Kampfes spielen sollte. Nichts
von allem diesen erscheint ihm bedenklich; er hält seine Aussichten nicht für ge¬
schmälert; er sah die Partie nicht für zu ungleich an und ergriff entschlossen die
Offensive. Das gleicht wenig jenen Berichten, wo die Anlaufe des General
Bülow gegen vier Uhr Nachmittags wie ein wahrer Theaterconp dargestellt ist.

Sobald die Preußen unter Bülow in die Schlachtreihe getreten sein werden,
schlägt Bonaparte die Masse der feindlichen Streitkräfte auf 90,000 Mann an.
Er begnügt sich hinzuzufügen: unsere Truppen waren weniger zahlreich.
Wenn er unter seinen Befehlen nicht mehr als 60 oder 63,000 Mann gehabt
hätte, wie einige Historiker behauptet haben, würde er sich mit weniger Zurück¬
haltung ausgedrückt haben, würde er mit Grund ein so großes Mißverhältniß
der Kräfte hervorgehoben haben. Eine um die Hälfte stärkere Armee angreifen
ist ein wesentlicher Nachtheil: der Kaiser hätte sich nicht darauf beschränkt, zu
sagen: unsere Truppen wären weniger zahlreich. Man kommt daher der Wahr¬
heit nahe, wenn man die Streitkräfte, die Bonaparte am 18. Juni befehligte,
auf 7S bis 76,000 Maun anschlägt.

Das Bulletin von Mont-Saint-Jean erwähnt die Besetzung eines Gehölzes,
welches den rechten Flügel der feindlichen Armee deckte; und hierin ist es im
Einklang mit den englischen Berichten Nur unterläßt Bonaparte zu sagen, daß die
Meierei, der Garten, die verschiedenen Einzäunungen und das kleine Schloß von
Hugomont, in ver Mitte des Gehölzes gelegen, in den Händen der englischen
Garden blieben, und diesen Erfolg völlig unnütz machten. Dies ist aber nur eine
Verschweigung.

Die verschiedenen Angriffe, die zwischen II Uhr Morgens und 3 Uhr Nach¬
mittags stattfanden, sind mit wenig Ausnahme auf dieselbe Weise in dem Bulletin
vom -l. Juni und in den Bulletins des Feindes erzählt. Man sieht, daß die
Division des General Erlvn große Verluste an Infanterie und Artillerie erlitten
hat, und daß die Kürassiere des General Milhaud diesem Unglück Einhalt ge¬
than und einen Theil der englischen Cavalerie übel zugerichtet haben. Nichts
vou dem allen entfernt sich von der Wahrheit.

Das Bulletin erzählt hierauf jene" wüthenden Angriff der französischen
Cavalerie und die kühnen und unaufhörlichen Angriffe der Lanciers und Küras¬
siere auf dem Plateau von Mont-Saint-Jcan. Bonaparte drückt sich ans eine


300,000 Mann und 300 Millionen zu fordern! 300,000 Mann und
300 Millionen, dies ist das Losungswort des Kaiserreichs. Sieger oder be¬
siegt, Bonaparte braucht immer 300,000 Mann und 300 Millionen! Er ist
niemals daraus hinausgekommen.

Man wird überdies bemerken, mit welchem Wohlgefallen er die Bewegungen
des preußischen Corps erzählt, das der General Bülow commandirte. In der
Schlacke hatte er den Anmarsch dieser Truppen erfahren; er kannte ihre Zahl;
er sah die Rolle vorher,' die Bülow wahrend des Kampfes spielen sollte. Nichts
von allem diesen erscheint ihm bedenklich; er hält seine Aussichten nicht für ge¬
schmälert; er sah die Partie nicht für zu ungleich an und ergriff entschlossen die
Offensive. Das gleicht wenig jenen Berichten, wo die Anlaufe des General
Bülow gegen vier Uhr Nachmittags wie ein wahrer Theaterconp dargestellt ist.

Sobald die Preußen unter Bülow in die Schlachtreihe getreten sein werden,
schlägt Bonaparte die Masse der feindlichen Streitkräfte auf 90,000 Mann an.
Er begnügt sich hinzuzufügen: unsere Truppen waren weniger zahlreich.
Wenn er unter seinen Befehlen nicht mehr als 60 oder 63,000 Mann gehabt
hätte, wie einige Historiker behauptet haben, würde er sich mit weniger Zurück¬
haltung ausgedrückt haben, würde er mit Grund ein so großes Mißverhältniß
der Kräfte hervorgehoben haben. Eine um die Hälfte stärkere Armee angreifen
ist ein wesentlicher Nachtheil: der Kaiser hätte sich nicht darauf beschränkt, zu
sagen: unsere Truppen wären weniger zahlreich. Man kommt daher der Wahr¬
heit nahe, wenn man die Streitkräfte, die Bonaparte am 18. Juni befehligte,
auf 7S bis 76,000 Maun anschlägt.

Das Bulletin von Mont-Saint-Jean erwähnt die Besetzung eines Gehölzes,
welches den rechten Flügel der feindlichen Armee deckte; und hierin ist es im
Einklang mit den englischen Berichten Nur unterläßt Bonaparte zu sagen, daß die
Meierei, der Garten, die verschiedenen Einzäunungen und das kleine Schloß von
Hugomont, in ver Mitte des Gehölzes gelegen, in den Händen der englischen
Garden blieben, und diesen Erfolg völlig unnütz machten. Dies ist aber nur eine
Verschweigung.

Die verschiedenen Angriffe, die zwischen II Uhr Morgens und 3 Uhr Nach¬
mittags stattfanden, sind mit wenig Ausnahme auf dieselbe Weise in dem Bulletin
vom -l. Juni und in den Bulletins des Feindes erzählt. Man sieht, daß die
Division des General Erlvn große Verluste an Infanterie und Artillerie erlitten
hat, und daß die Kürassiere des General Milhaud diesem Unglück Einhalt ge¬
than und einen Theil der englischen Cavalerie übel zugerichtet haben. Nichts
vou dem allen entfernt sich von der Wahrheit.

Das Bulletin erzählt hierauf jene» wüthenden Angriff der französischen
Cavalerie und die kühnen und unaufhörlichen Angriffe der Lanciers und Küras¬
siere auf dem Plateau von Mont-Saint-Jcan. Bonaparte drückt sich ans eine


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[0440] 300,000 Mann und 300 Millionen zu fordern! 300,000 Mann und 300 Millionen, dies ist das Losungswort des Kaiserreichs. Sieger oder be¬ siegt, Bonaparte braucht immer 300,000 Mann und 300 Millionen! Er ist niemals daraus hinausgekommen. Man wird überdies bemerken, mit welchem Wohlgefallen er die Bewegungen des preußischen Corps erzählt, das der General Bülow commandirte. In der Schlacke hatte er den Anmarsch dieser Truppen erfahren; er kannte ihre Zahl; er sah die Rolle vorher,' die Bülow wahrend des Kampfes spielen sollte. Nichts von allem diesen erscheint ihm bedenklich; er hält seine Aussichten nicht für ge¬ schmälert; er sah die Partie nicht für zu ungleich an und ergriff entschlossen die Offensive. Das gleicht wenig jenen Berichten, wo die Anlaufe des General Bülow gegen vier Uhr Nachmittags wie ein wahrer Theaterconp dargestellt ist. Sobald die Preußen unter Bülow in die Schlachtreihe getreten sein werden, schlägt Bonaparte die Masse der feindlichen Streitkräfte auf 90,000 Mann an. Er begnügt sich hinzuzufügen: unsere Truppen waren weniger zahlreich. Wenn er unter seinen Befehlen nicht mehr als 60 oder 63,000 Mann gehabt hätte, wie einige Historiker behauptet haben, würde er sich mit weniger Zurück¬ haltung ausgedrückt haben, würde er mit Grund ein so großes Mißverhältniß der Kräfte hervorgehoben haben. Eine um die Hälfte stärkere Armee angreifen ist ein wesentlicher Nachtheil: der Kaiser hätte sich nicht darauf beschränkt, zu sagen: unsere Truppen wären weniger zahlreich. Man kommt daher der Wahr¬ heit nahe, wenn man die Streitkräfte, die Bonaparte am 18. Juni befehligte, auf 7S bis 76,000 Maun anschlägt. Das Bulletin von Mont-Saint-Jean erwähnt die Besetzung eines Gehölzes, welches den rechten Flügel der feindlichen Armee deckte; und hierin ist es im Einklang mit den englischen Berichten Nur unterläßt Bonaparte zu sagen, daß die Meierei, der Garten, die verschiedenen Einzäunungen und das kleine Schloß von Hugomont, in ver Mitte des Gehölzes gelegen, in den Händen der englischen Garden blieben, und diesen Erfolg völlig unnütz machten. Dies ist aber nur eine Verschweigung. Die verschiedenen Angriffe, die zwischen II Uhr Morgens und 3 Uhr Nach¬ mittags stattfanden, sind mit wenig Ausnahme auf dieselbe Weise in dem Bulletin vom -l. Juni und in den Bulletins des Feindes erzählt. Man sieht, daß die Division des General Erlvn große Verluste an Infanterie und Artillerie erlitten hat, und daß die Kürassiere des General Milhaud diesem Unglück Einhalt ge¬ than und einen Theil der englischen Cavalerie übel zugerichtet haben. Nichts vou dem allen entfernt sich von der Wahrheit. Das Bulletin erzählt hierauf jene» wüthenden Angriff der französischen Cavalerie und die kühnen und unaufhörlichen Angriffe der Lanciers und Küras¬ siere auf dem Plateau von Mont-Saint-Jcan. Bonaparte drückt sich ans eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/440>, abgerufen am 23.07.2024.