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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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erste Corps sich in Marsch und stellte sich, seinen linken Flügel auf der Straße
von Brüssel und gegenüber dem Dorfe von Mont-Saint-Jean, auf, welches das
Centrum der feindlichen Stellung schien. Das zweite Corps stützte seinen rechten
Flügel ans die Straße von Brüssel und seinen linken auf ein kleines Gehölz, in
Kanvueuschußweite von der englischen Armee. Die Kürassiere begaben sich da¬
hinter in Reserve und die Garde in Reserve auf die Anhöhen. Das sechste
Corps mit der Cavalerie des Generals d'Armont, unter den Befehlen des
Grafen Lobau, wurde bestimmt, sich hinter unseren rechten Flügel zu
begeben, um einem preußischen Corps sich entgegen zu stellen, das
dem Marschall Grouchy entschlüpft zu sein und die Absicht zu hegen schien,
in unsere rechte Flanke zu fallen, eine Absicht, von der uns unsere Be¬
richte und der Brief eines preußischen Generals in Kenntniß gesetzt hatten, den
eine durch unsere Streifscharen aufgefangene Ordonnanz bei sich trug.

Die Truppen waren voll Eifers. Man schätzte die Stärke der feind¬
lichen Armee auf 80,000 Mann; man vermuthete, daß ein preußi¬
sches Corps, das gegen Abend in der Schlachtlinie sein konnte,
-Is,000 Mann betragen möge. Die feindlichen Kräfte waren somit
über 90,000 Mann stark; die unserigen waren weniger zahlreich.

Um Mittag, nach Beendigung aller Vorbereitungen, setzte sich der Prinz
Jerome, Commandant einer Division des zweiten Corps, und bestimmt, dessen
äußersten linken Flügel zu bilden, gegen das Gehölz in Bewegung, dessen einen
Theil der Feind besetzt hielt. Die Kanonade begann; der Feind unterstützte mit
30 Kanonen die Truppen, die er zur Behauptung des Gehölzes geschickt hatte.
Um 1 Uhr war der Prinz Jerome Meister des Gehölzes und die ganze englische
Armee zog sich hinter eine Anhöhe zurück. Der Graf d'Erlon griff hierauf das
Dorf Mont-Saint-Jean an und unterstützte seinen Angriff mit 80 Kanonen.
Eine furchtbare Kanonade entspann sich daselbst, unter der die englische Armee
sehr litt. Alle Schüsse richteten sich gegen das Plateau. Eine Brigade der
ersten Division des Grafen d'Erlon bemächtigte sich des Dorfes Mont-Saiut-
Jean; eine zweite Brigade wurde durch ein Corps englischer Cava¬
lerie angegriffen "ut erlitt starken Verlust. In demselben Augenblick
griff eine Division englischer Cavalerie die Batterie des Grafen d'Erlon von der
rechten Seite an und brachte mehre Geschütze in Unordnung; aber die
Kürassiere des Generals Milhaud griffen diese Division an, von der drei Regi¬
menter gebrochen nud zusammengehalten wurden.

Es war drei Uhr Nachmittags. Der Kaiser ließ die Garde vor¬
rücke", um sie in der Ebene auf dem Terrain aufzustellen, welches das erste
Corps im Beginn der Schlacht occupirt halte, indem dieses Corps bereits weiter
vorn sich befand. Die preußische Division, deren Bewegung man
v'oransgesehen hatte, wurde darauf mit deu Tircnlleurs des Grafen


erste Corps sich in Marsch und stellte sich, seinen linken Flügel auf der Straße
von Brüssel und gegenüber dem Dorfe von Mont-Saint-Jean, auf, welches das
Centrum der feindlichen Stellung schien. Das zweite Corps stützte seinen rechten
Flügel ans die Straße von Brüssel und seinen linken auf ein kleines Gehölz, in
Kanvueuschußweite von der englischen Armee. Die Kürassiere begaben sich da¬
hinter in Reserve und die Garde in Reserve auf die Anhöhen. Das sechste
Corps mit der Cavalerie des Generals d'Armont, unter den Befehlen des
Grafen Lobau, wurde bestimmt, sich hinter unseren rechten Flügel zu
begeben, um einem preußischen Corps sich entgegen zu stellen, das
dem Marschall Grouchy entschlüpft zu sein und die Absicht zu hegen schien,
in unsere rechte Flanke zu fallen, eine Absicht, von der uns unsere Be¬
richte und der Brief eines preußischen Generals in Kenntniß gesetzt hatten, den
eine durch unsere Streifscharen aufgefangene Ordonnanz bei sich trug.

Die Truppen waren voll Eifers. Man schätzte die Stärke der feind¬
lichen Armee auf 80,000 Mann; man vermuthete, daß ein preußi¬
sches Corps, das gegen Abend in der Schlachtlinie sein konnte,
-Is,000 Mann betragen möge. Die feindlichen Kräfte waren somit
über 90,000 Mann stark; die unserigen waren weniger zahlreich.

Um Mittag, nach Beendigung aller Vorbereitungen, setzte sich der Prinz
Jerome, Commandant einer Division des zweiten Corps, und bestimmt, dessen
äußersten linken Flügel zu bilden, gegen das Gehölz in Bewegung, dessen einen
Theil der Feind besetzt hielt. Die Kanonade begann; der Feind unterstützte mit
30 Kanonen die Truppen, die er zur Behauptung des Gehölzes geschickt hatte.
Um 1 Uhr war der Prinz Jerome Meister des Gehölzes und die ganze englische
Armee zog sich hinter eine Anhöhe zurück. Der Graf d'Erlon griff hierauf das
Dorf Mont-Saint-Jean an und unterstützte seinen Angriff mit 80 Kanonen.
Eine furchtbare Kanonade entspann sich daselbst, unter der die englische Armee
sehr litt. Alle Schüsse richteten sich gegen das Plateau. Eine Brigade der
ersten Division des Grafen d'Erlon bemächtigte sich des Dorfes Mont-Saiut-
Jean; eine zweite Brigade wurde durch ein Corps englischer Cava¬
lerie angegriffen »ut erlitt starken Verlust. In demselben Augenblick
griff eine Division englischer Cavalerie die Batterie des Grafen d'Erlon von der
rechten Seite an und brachte mehre Geschütze in Unordnung; aber die
Kürassiere des Generals Milhaud griffen diese Division an, von der drei Regi¬
menter gebrochen nud zusammengehalten wurden.

Es war drei Uhr Nachmittags. Der Kaiser ließ die Garde vor¬
rücke», um sie in der Ebene auf dem Terrain aufzustellen, welches das erste
Corps im Beginn der Schlacht occupirt halte, indem dieses Corps bereits weiter
vorn sich befand. Die preußische Division, deren Bewegung man
v'oransgesehen hatte, wurde darauf mit deu Tircnlleurs des Grafen


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[0434] erste Corps sich in Marsch und stellte sich, seinen linken Flügel auf der Straße von Brüssel und gegenüber dem Dorfe von Mont-Saint-Jean, auf, welches das Centrum der feindlichen Stellung schien. Das zweite Corps stützte seinen rechten Flügel ans die Straße von Brüssel und seinen linken auf ein kleines Gehölz, in Kanvueuschußweite von der englischen Armee. Die Kürassiere begaben sich da¬ hinter in Reserve und die Garde in Reserve auf die Anhöhen. Das sechste Corps mit der Cavalerie des Generals d'Armont, unter den Befehlen des Grafen Lobau, wurde bestimmt, sich hinter unseren rechten Flügel zu begeben, um einem preußischen Corps sich entgegen zu stellen, das dem Marschall Grouchy entschlüpft zu sein und die Absicht zu hegen schien, in unsere rechte Flanke zu fallen, eine Absicht, von der uns unsere Be¬ richte und der Brief eines preußischen Generals in Kenntniß gesetzt hatten, den eine durch unsere Streifscharen aufgefangene Ordonnanz bei sich trug. Die Truppen waren voll Eifers. Man schätzte die Stärke der feind¬ lichen Armee auf 80,000 Mann; man vermuthete, daß ein preußi¬ sches Corps, das gegen Abend in der Schlachtlinie sein konnte, -Is,000 Mann betragen möge. Die feindlichen Kräfte waren somit über 90,000 Mann stark; die unserigen waren weniger zahlreich. Um Mittag, nach Beendigung aller Vorbereitungen, setzte sich der Prinz Jerome, Commandant einer Division des zweiten Corps, und bestimmt, dessen äußersten linken Flügel zu bilden, gegen das Gehölz in Bewegung, dessen einen Theil der Feind besetzt hielt. Die Kanonade begann; der Feind unterstützte mit 30 Kanonen die Truppen, die er zur Behauptung des Gehölzes geschickt hatte. Um 1 Uhr war der Prinz Jerome Meister des Gehölzes und die ganze englische Armee zog sich hinter eine Anhöhe zurück. Der Graf d'Erlon griff hierauf das Dorf Mont-Saint-Jean an und unterstützte seinen Angriff mit 80 Kanonen. Eine furchtbare Kanonade entspann sich daselbst, unter der die englische Armee sehr litt. Alle Schüsse richteten sich gegen das Plateau. Eine Brigade der ersten Division des Grafen d'Erlon bemächtigte sich des Dorfes Mont-Saiut- Jean; eine zweite Brigade wurde durch ein Corps englischer Cava¬ lerie angegriffen »ut erlitt starken Verlust. In demselben Augenblick griff eine Division englischer Cavalerie die Batterie des Grafen d'Erlon von der rechten Seite an und brachte mehre Geschütze in Unordnung; aber die Kürassiere des Generals Milhaud griffen diese Division an, von der drei Regi¬ menter gebrochen nud zusammengehalten wurden. Es war drei Uhr Nachmittags. Der Kaiser ließ die Garde vor¬ rücke», um sie in der Ebene auf dem Terrain aufzustellen, welches das erste Corps im Beginn der Schlacht occupirt halte, indem dieses Corps bereits weiter vorn sich befand. Die preußische Division, deren Bewegung man v'oransgesehen hatte, wurde darauf mit deu Tircnlleurs des Grafen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/434>, abgerufen am 23.07.2024.