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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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und erfand unaufhörlich, bald eine Sonne, bald einen Kometen. Man sagte ihm:
aber schreiben Sie doch Ihre Erfindungen ans! Es wäre Schade, wenn das zu
Grunde ginge. Nein, antwortete er, nichts ist noch bis zu dem Punkte gediehen,
wo ich es'haben möchte. Lasset mich meine Entdeckungen vervollkommnen und
dann .... Eines schönen Tages starb er plötzlich. Man holte schnell seinen ein¬
zigen Sohn, der bei den Jesuiten studirte. Es war ein sanfter, fleißiger Junge,
der nichts von Mechanik verstand. Man führte ihn ins Atelier seines seligen
Vaters. ""Schnell ans Werk, es gilt die Welt zu leiten!"" Der Arme war
sehr verlegen und fragte: ""Wie that mein Vater?"" ""Er drehte dieses Rad,
er machte dies, er machte jenes."" Der Sohn dreht an den Rädern und alle
Maschinen gehen in die Krumme und in die Quere.

Beyle sagte mir, er habe ein Drama aus dem Leben von gemacht. Er
hatte ihn als ein einfaches reines Gemüth dargestellt voll Empfindsamkeit und
Zärtlichkeit, aber unfähig, den Menschen zu gebieten. " beutete im Drama
die Lehren von X zu seinem Vortheil aus. "Kommt Liebe darin vor?" fragte
ich ihn. "Viel". "Und der theure Jünger?" Beyle behauptete, daß alle
großen Männer bizarre Gelüste hatten, er citirte Alexander, Cäsar, zwanzig
italienische Päpste, und er wollte wisse", daß selbst Napoleon Neigung für einen
seiner Adjutanten gefühlt.

Es war schwer zu wissen, was er eigentlich von Napoleon hielt. Er war
stets der entgegengesetzten Meinung mit jener, die man von ihm aufstellte. Bald
sprach er von ihm als von einem Emporkömmling, der durch seinen Flitter ver¬
blendet stets gegen die Gesetze der Lo -- git verstieß. Ein anderes Mal legte
er fast vergötternde Bewunderung an den Tag. Er war bald Frondeur wie
Courier, bald servil wie Las Casas. Die Männer des Kaiserreichs wurden eben¬
so verschieden behandelt wie ihr Gebieter.

Er gestand die Bezauberung zu, welche der Kaiser auf alles ausübte, was
ihm nahe kam. "Und auch ich war von heiligem Feuer entbrannt" sagte er,
"man hatte mich nach Braunschweig geschickt, um eine außerordentliche Abgabe von
fünf Millionen zu erhebe"; ich hatte sieben eingetrieben und war "abe daran, von
der Canaille, welche mein übertriebener Eifer in Aufruhr setzte, todtgeschlagen zu
werden. Allein der Kaiser fragte, wer der Auditeur gewesen, der das gethan und
er sagte: "das ist gut."

Wir hörten ihn gern von den Feldzügen sprechen, die er mit dem Kaiser ge¬
macht. Seine Erzählungen glichen selten den officiellen Berichten. In einer sehr
warmen Affaire redete Napoleon seine Soldaten an, welche im Begriff waren aus¬
einander zu stäuben; es geschah in folgenden Ausdrücken: "vorwärts! Laere nom us
vieu. ich habe einen H-- rund wie ein Apfel!" "Im Augenblicke der Gefahr,"
meinte Beyle, "erschien das als eine gewöhnliche Anrede und ich binüberzeugt, daß
Cäsar und Alexander bei solchen Gelegenheiten ebenso große Dummheiten gesagt."


und erfand unaufhörlich, bald eine Sonne, bald einen Kometen. Man sagte ihm:
aber schreiben Sie doch Ihre Erfindungen ans! Es wäre Schade, wenn das zu
Grunde ginge. Nein, antwortete er, nichts ist noch bis zu dem Punkte gediehen,
wo ich es'haben möchte. Lasset mich meine Entdeckungen vervollkommnen und
dann .... Eines schönen Tages starb er plötzlich. Man holte schnell seinen ein¬
zigen Sohn, der bei den Jesuiten studirte. Es war ein sanfter, fleißiger Junge,
der nichts von Mechanik verstand. Man führte ihn ins Atelier seines seligen
Vaters. „„Schnell ans Werk, es gilt die Welt zu leiten!"" Der Arme war
sehr verlegen und fragte: „„Wie that mein Vater?"" „„Er drehte dieses Rad,
er machte dies, er machte jenes."" Der Sohn dreht an den Rädern und alle
Maschinen gehen in die Krumme und in die Quere.

Beyle sagte mir, er habe ein Drama aus dem Leben von gemacht. Er
hatte ihn als ein einfaches reines Gemüth dargestellt voll Empfindsamkeit und
Zärtlichkeit, aber unfähig, den Menschen zu gebieten. " beutete im Drama
die Lehren von X zu seinem Vortheil aus. „Kommt Liebe darin vor?" fragte
ich ihn. „Viel". „Und der theure Jünger?" Beyle behauptete, daß alle
großen Männer bizarre Gelüste hatten, er citirte Alexander, Cäsar, zwanzig
italienische Päpste, und er wollte wisse», daß selbst Napoleon Neigung für einen
seiner Adjutanten gefühlt.

Es war schwer zu wissen, was er eigentlich von Napoleon hielt. Er war
stets der entgegengesetzten Meinung mit jener, die man von ihm aufstellte. Bald
sprach er von ihm als von einem Emporkömmling, der durch seinen Flitter ver¬
blendet stets gegen die Gesetze der Lo — git verstieß. Ein anderes Mal legte
er fast vergötternde Bewunderung an den Tag. Er war bald Frondeur wie
Courier, bald servil wie Las Casas. Die Männer des Kaiserreichs wurden eben¬
so verschieden behandelt wie ihr Gebieter.

Er gestand die Bezauberung zu, welche der Kaiser auf alles ausübte, was
ihm nahe kam. „Und auch ich war von heiligem Feuer entbrannt" sagte er,
„man hatte mich nach Braunschweig geschickt, um eine außerordentliche Abgabe von
fünf Millionen zu erhebe»; ich hatte sieben eingetrieben und war »abe daran, von
der Canaille, welche mein übertriebener Eifer in Aufruhr setzte, todtgeschlagen zu
werden. Allein der Kaiser fragte, wer der Auditeur gewesen, der das gethan und
er sagte: „das ist gut."

Wir hörten ihn gern von den Feldzügen sprechen, die er mit dem Kaiser ge¬
macht. Seine Erzählungen glichen selten den officiellen Berichten. In einer sehr
warmen Affaire redete Napoleon seine Soldaten an, welche im Begriff waren aus¬
einander zu stäuben; es geschah in folgenden Ausdrücken: „vorwärts! Laere nom us
vieu. ich habe einen H— rund wie ein Apfel!" „Im Augenblicke der Gefahr,"
meinte Beyle, „erschien das als eine gewöhnliche Anrede und ich binüberzeugt, daß
Cäsar und Alexander bei solchen Gelegenheiten ebenso große Dummheiten gesagt."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/342>, abgerufen am 23.07.2024.