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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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-- Von Ewigkeit zu Ewigkeit! antwortete der Chor der Hausbewohner und
eins der Mädchen ging zu öffnen.

Eine bleiche junge Frau trat ein; ihre Kleidung verrieth Dürftigkeit und
triefte vom Regen. Mit gekreuzten Armen verneigte sie sich, trat aber nicht ans
Feuer und flüsterte mit schnellem Aufschlag der dunklen Augen:

-- Darf ich in deinem Stalle bleiben, bis das Unwetter vorüber ist?

-- Das kannst du thun, Malta, sagte der Alte, aber berühre das Vieh nicht
und bete, daß durch dich kein Unheil in mein Hans kommt. Gebt ihr zu essen,
was übrig ist.

Die zitternde Maita nahm die Schüssel aus den Händen der Hausfrau und
ging. Wir sahen den Etcheco-yana erstaunt und fragend an.

-- Sie ist eine Gothe, sagte er, von ihrem Stamme ist alles Unheil über
das Baskenvolk gekommen.

-- Und weil sie unrein ist, wie die Heiden und Juden, solltest du sie uicht
im Hanse dulden, meinte Urraca.

-- Wir stammen ja alle von Juden und Heiden ab, fiel die Hansfrau
schüchtern ein. Urraca erhob sich mit funkelnden Augen, schlug ein Kreuz, wie
immer wenn sie zornig war und rief:

-- Die Heiligen mögen dir verzeihen, daß du ein offenes Ohr und Herz
hast für die Reden der Leichtfinnnigcn. Die Basken sind niemals Juden oder
Heiden gewesen. -- Und als sie unser spöttisches Lächeln sah, fügte sie hinzu:
Vater erzähle den Fremden vom Ursprung des Baskenvolkes!

Der Etcheco-yauna blickte eine Weile in die knisternde Glut und sing dann
in singenden Tone an zu sprechen. Wahrscheinlich war es eine oft wiederholte
Sage, die er uns in hergebrachter Form erzählte.

-- Wir alle wissen, begann der Greis, daß Jaungoicou (Herr der Höhe)
die Menschen bestrafte, als sie den Thurm zu Babel wie ein Denkmal ihrer
Macht und Weisheit aufrichten wollten. Sie mußten wandern, wohin des Herrn
nustchtbare Hand sie führte. Es war ein Volksstamm unter ihnen, der fromm
und treu dem Herrn gedient hatte, darum wurde er durch Wüste" und Meere
von Jaungoicou in ein schönes Gebirgsland geleitet, er gab es ihm zu eigen,
sprach mit den Vätern vom Recht und Gesetz und sagte den Söhnen, hier sollt
ihr arbeiten und glücklich sein.

Das waren die Urältern des Vaskenvolkes. Von Geschlecht zu Geschlecht
vererbte sich der Besitz und das Gesetz, sie waren glücklich, arbeiteten und
starben in Frieden und hatten keinen Herrscher, als Jauugoicou, der sie gnädig
beschützte.

Viele Fremde sind durch ihr Land gezogen, Heiden ans Phönizien und Rom,
die falsche Götzenbilder anbeteten, aber sie haben die Sitten des Vaskenvolkes,
seine Freiheit und sein Gesetz nicht angegriffen.


— Von Ewigkeit zu Ewigkeit! antwortete der Chor der Hausbewohner und
eins der Mädchen ging zu öffnen.

Eine bleiche junge Frau trat ein; ihre Kleidung verrieth Dürftigkeit und
triefte vom Regen. Mit gekreuzten Armen verneigte sie sich, trat aber nicht ans
Feuer und flüsterte mit schnellem Aufschlag der dunklen Augen:

— Darf ich in deinem Stalle bleiben, bis das Unwetter vorüber ist?

— Das kannst du thun, Malta, sagte der Alte, aber berühre das Vieh nicht
und bete, daß durch dich kein Unheil in mein Hans kommt. Gebt ihr zu essen,
was übrig ist.

Die zitternde Maita nahm die Schüssel aus den Händen der Hausfrau und
ging. Wir sahen den Etcheco-yana erstaunt und fragend an.

— Sie ist eine Gothe, sagte er, von ihrem Stamme ist alles Unheil über
das Baskenvolk gekommen.

— Und weil sie unrein ist, wie die Heiden und Juden, solltest du sie uicht
im Hanse dulden, meinte Urraca.

— Wir stammen ja alle von Juden und Heiden ab, fiel die Hansfrau
schüchtern ein. Urraca erhob sich mit funkelnden Augen, schlug ein Kreuz, wie
immer wenn sie zornig war und rief:

— Die Heiligen mögen dir verzeihen, daß du ein offenes Ohr und Herz
hast für die Reden der Leichtfinnnigcn. Die Basken sind niemals Juden oder
Heiden gewesen. — Und als sie unser spöttisches Lächeln sah, fügte sie hinzu:
Vater erzähle den Fremden vom Ursprung des Baskenvolkes!

Der Etcheco-yauna blickte eine Weile in die knisternde Glut und sing dann
in singenden Tone an zu sprechen. Wahrscheinlich war es eine oft wiederholte
Sage, die er uns in hergebrachter Form erzählte.

— Wir alle wissen, begann der Greis, daß Jaungoicou (Herr der Höhe)
die Menschen bestrafte, als sie den Thurm zu Babel wie ein Denkmal ihrer
Macht und Weisheit aufrichten wollten. Sie mußten wandern, wohin des Herrn
nustchtbare Hand sie führte. Es war ein Volksstamm unter ihnen, der fromm
und treu dem Herrn gedient hatte, darum wurde er durch Wüste» und Meere
von Jaungoicou in ein schönes Gebirgsland geleitet, er gab es ihm zu eigen,
sprach mit den Vätern vom Recht und Gesetz und sagte den Söhnen, hier sollt
ihr arbeiten und glücklich sein.

Das waren die Urältern des Vaskenvolkes. Von Geschlecht zu Geschlecht
vererbte sich der Besitz und das Gesetz, sie waren glücklich, arbeiteten und
starben in Frieden und hatten keinen Herrscher, als Jauugoicou, der sie gnädig
beschützte.

Viele Fremde sind durch ihr Land gezogen, Heiden ans Phönizien und Rom,
die falsche Götzenbilder anbeteten, aber sie haben die Sitten des Vaskenvolkes,
seine Freiheit und sein Gesetz nicht angegriffen.


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[0333] — Von Ewigkeit zu Ewigkeit! antwortete der Chor der Hausbewohner und eins der Mädchen ging zu öffnen. Eine bleiche junge Frau trat ein; ihre Kleidung verrieth Dürftigkeit und triefte vom Regen. Mit gekreuzten Armen verneigte sie sich, trat aber nicht ans Feuer und flüsterte mit schnellem Aufschlag der dunklen Augen: — Darf ich in deinem Stalle bleiben, bis das Unwetter vorüber ist? — Das kannst du thun, Malta, sagte der Alte, aber berühre das Vieh nicht und bete, daß durch dich kein Unheil in mein Hans kommt. Gebt ihr zu essen, was übrig ist. Die zitternde Maita nahm die Schüssel aus den Händen der Hausfrau und ging. Wir sahen den Etcheco-yana erstaunt und fragend an. — Sie ist eine Gothe, sagte er, von ihrem Stamme ist alles Unheil über das Baskenvolk gekommen. — Und weil sie unrein ist, wie die Heiden und Juden, solltest du sie uicht im Hanse dulden, meinte Urraca. — Wir stammen ja alle von Juden und Heiden ab, fiel die Hansfrau schüchtern ein. Urraca erhob sich mit funkelnden Augen, schlug ein Kreuz, wie immer wenn sie zornig war und rief: — Die Heiligen mögen dir verzeihen, daß du ein offenes Ohr und Herz hast für die Reden der Leichtfinnnigcn. Die Basken sind niemals Juden oder Heiden gewesen. — Und als sie unser spöttisches Lächeln sah, fügte sie hinzu: Vater erzähle den Fremden vom Ursprung des Baskenvolkes! Der Etcheco-yauna blickte eine Weile in die knisternde Glut und sing dann in singenden Tone an zu sprechen. Wahrscheinlich war es eine oft wiederholte Sage, die er uns in hergebrachter Form erzählte. — Wir alle wissen, begann der Greis, daß Jaungoicou (Herr der Höhe) die Menschen bestrafte, als sie den Thurm zu Babel wie ein Denkmal ihrer Macht und Weisheit aufrichten wollten. Sie mußten wandern, wohin des Herrn nustchtbare Hand sie führte. Es war ein Volksstamm unter ihnen, der fromm und treu dem Herrn gedient hatte, darum wurde er durch Wüste» und Meere von Jaungoicou in ein schönes Gebirgsland geleitet, er gab es ihm zu eigen, sprach mit den Vätern vom Recht und Gesetz und sagte den Söhnen, hier sollt ihr arbeiten und glücklich sein. Das waren die Urältern des Vaskenvolkes. Von Geschlecht zu Geschlecht vererbte sich der Besitz und das Gesetz, sie waren glücklich, arbeiteten und starben in Frieden und hatten keinen Herrscher, als Jauugoicou, der sie gnädig beschützte. Viele Fremde sind durch ihr Land gezogen, Heiden ans Phönizien und Rom, die falsche Götzenbilder anbeteten, aber sie haben die Sitten des Vaskenvolkes, seine Freiheit und sein Gesetz nicht angegriffen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/333>, abgerufen am 23.07.2024.