Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

In England herrschte zwar Karl II., ein Regent, der Ludwig XIV. aus¬
nehmend günstig gesinnt war, aber zum Glück für ihn selbst und für sein Land
war er von der öffentlichen Meinung weniger unabhängig, als der französische
Monarch. Er konnte daher nicht umhin, durch das Edict von Hamptoncourt den
französischen Einwanderern Naturalisationspatente und ausgedehnte Vorrechte zu
ertheilen. In den letzten 6 Monaten des Jahres 1681 wurden 11 SO naturali-
sirt, und 1690 belief sich die Zahl der eingewanderten Franzosen schon auf
80,006, die sich meistens in London niederließen. Die Bewohner von Amiens,
Cambrai und Tournai bildeten in Edinburg ein eigenes Quartier, die Pikardie.
Später erhielten die Offiziere und Soldaten, welche den Prinzen von Oranien
nach Irland begleitet hatten, in Irland Güter geschenkt, und bildeten um Dublin
eine die Stadt schützende Kolonie.

Bei der englischen Revolution v. 1688 waren die französischen Refugies, die
Ludwig XIV. bekämpften, indem sie einen in Frankreichs Solde stehenden König
stürzten, und in England dem Protestantismus den Sieg verschafften, dem
Prinzen von Oranien eine nicht unbedeutende Hilfe. Unter den 12,000 Mann
seiner kleinen Armee waren nicht weniger als drei Jnfantcrieregimentcr Franzosen
und 720 Nesugiks, alte Soldaten, die unter Conto und Turenne gefochten, als Of¬
fiziere. Ein Franzose, Goulon, befehligte die Artillerie, Schonberg, ein Deutscher
vou Herkunft, aber zuletzt Marschall von Frankreich, leitete die Operationen.
Der greise Veteran war Wilhelms vertrauter Rathgeber, und gab ihm den
Rath, nicht direct nach London, sondern nach Torbay zu segeln, da der Befreier
Englands in die Hauptstadt seines zukünftigen Reiches mit einem halb aus Hol¬
ländern und halb aus Franzosen bestehenden Heere nicht einziehen dürfe. Als er
später in Irland befehligte, gab er die ihm von dem Parlament bewilligten
100,000 Pfd. zur Bezahlung der Truppen her, und fiel endlich siegend an der
Bohne, indem er in der Hitze der Verfolgung unter TyrconnelS Dragoner gerieth.
Als er auf dem Schlachtfelde das von Ludwig XIV. dem flüchtige" Jacob II. zu
Hilfe geschickte französische Corps unter Lauzun erblickte, sagte er zu den Refu-
gies: "Meine Herren, dort sind unsre Feinde! Vorwärts!", und diese stürzten
sich mit unwiderstehlicher Wuth auf den Feind, und entschieden die Schlacht. Ein
ähnlicher Fall kam in der Schlacht von Almanza vor. Der bekannte Cevennen-
häuptling, Jean Cavalier, war nach der Kapitulation mit seinen Camisarden in
englisch-holländische Dienste getreten, und führte ein ans seinen Verbannungsgc-nossen
gebildetes Regiment als Oberst an. Bei Almanza sah es sich einem katholischen Re¬
giment gegenüber, das mit an den Verfolgungen in den Cevennen Theil genommen
hatte. Ohne einen Befehl abzuwarten, stürzt es sich voller Wuth auf dasselbe und es
entsteht ein solches Gemetzel, das nur 300 von den Franzosen entkommen. Marschall
Berwick, der Zeuge dieses Auftritts war, konnte nie ohne Schaudern von dem schreck¬
lichen Blutbade sprechen. Cavalier starb als englischer Generalmajor in Chelsea.


In England herrschte zwar Karl II., ein Regent, der Ludwig XIV. aus¬
nehmend günstig gesinnt war, aber zum Glück für ihn selbst und für sein Land
war er von der öffentlichen Meinung weniger unabhängig, als der französische
Monarch. Er konnte daher nicht umhin, durch das Edict von Hamptoncourt den
französischen Einwanderern Naturalisationspatente und ausgedehnte Vorrechte zu
ertheilen. In den letzten 6 Monaten des Jahres 1681 wurden 11 SO naturali-
sirt, und 1690 belief sich die Zahl der eingewanderten Franzosen schon auf
80,006, die sich meistens in London niederließen. Die Bewohner von Amiens,
Cambrai und Tournai bildeten in Edinburg ein eigenes Quartier, die Pikardie.
Später erhielten die Offiziere und Soldaten, welche den Prinzen von Oranien
nach Irland begleitet hatten, in Irland Güter geschenkt, und bildeten um Dublin
eine die Stadt schützende Kolonie.

Bei der englischen Revolution v. 1688 waren die französischen Refugies, die
Ludwig XIV. bekämpften, indem sie einen in Frankreichs Solde stehenden König
stürzten, und in England dem Protestantismus den Sieg verschafften, dem
Prinzen von Oranien eine nicht unbedeutende Hilfe. Unter den 12,000 Mann
seiner kleinen Armee waren nicht weniger als drei Jnfantcrieregimentcr Franzosen
und 720 Nesugiks, alte Soldaten, die unter Conto und Turenne gefochten, als Of¬
fiziere. Ein Franzose, Goulon, befehligte die Artillerie, Schonberg, ein Deutscher
vou Herkunft, aber zuletzt Marschall von Frankreich, leitete die Operationen.
Der greise Veteran war Wilhelms vertrauter Rathgeber, und gab ihm den
Rath, nicht direct nach London, sondern nach Torbay zu segeln, da der Befreier
Englands in die Hauptstadt seines zukünftigen Reiches mit einem halb aus Hol¬
ländern und halb aus Franzosen bestehenden Heere nicht einziehen dürfe. Als er
später in Irland befehligte, gab er die ihm von dem Parlament bewilligten
100,000 Pfd. zur Bezahlung der Truppen her, und fiel endlich siegend an der
Bohne, indem er in der Hitze der Verfolgung unter TyrconnelS Dragoner gerieth.
Als er auf dem Schlachtfelde das von Ludwig XIV. dem flüchtige» Jacob II. zu
Hilfe geschickte französische Corps unter Lauzun erblickte, sagte er zu den Refu-
gies: „Meine Herren, dort sind unsre Feinde! Vorwärts!", und diese stürzten
sich mit unwiderstehlicher Wuth auf den Feind, und entschieden die Schlacht. Ein
ähnlicher Fall kam in der Schlacht von Almanza vor. Der bekannte Cevennen-
häuptling, Jean Cavalier, war nach der Kapitulation mit seinen Camisarden in
englisch-holländische Dienste getreten, und führte ein ans seinen Verbannungsgc-nossen
gebildetes Regiment als Oberst an. Bei Almanza sah es sich einem katholischen Re¬
giment gegenüber, das mit an den Verfolgungen in den Cevennen Theil genommen
hatte. Ohne einen Befehl abzuwarten, stürzt es sich voller Wuth auf dasselbe und es
entsteht ein solches Gemetzel, das nur 300 von den Franzosen entkommen. Marschall
Berwick, der Zeuge dieses Auftritts war, konnte nie ohne Schaudern von dem schreck¬
lichen Blutbade sprechen. Cavalier starb als englischer Generalmajor in Chelsea.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96497"/>
          <p xml:id="ID_1102"> In England herrschte zwar Karl II., ein Regent, der Ludwig XIV. aus¬<lb/>
nehmend günstig gesinnt war, aber zum Glück für ihn selbst und für sein Land<lb/>
war er von der öffentlichen Meinung weniger unabhängig, als der französische<lb/>
Monarch. Er konnte daher nicht umhin, durch das Edict von Hamptoncourt den<lb/>
französischen Einwanderern Naturalisationspatente und ausgedehnte Vorrechte zu<lb/>
ertheilen. In den letzten 6 Monaten des Jahres 1681 wurden 11 SO naturali-<lb/>
sirt, und 1690 belief sich die Zahl der eingewanderten Franzosen schon auf<lb/>
80,006, die sich meistens in London niederließen. Die Bewohner von Amiens,<lb/>
Cambrai und Tournai bildeten in Edinburg ein eigenes Quartier, die Pikardie.<lb/>
Später erhielten die Offiziere und Soldaten, welche den Prinzen von Oranien<lb/>
nach Irland begleitet hatten, in Irland Güter geschenkt, und bildeten um Dublin<lb/>
eine die Stadt schützende Kolonie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1103"> Bei der englischen Revolution v. 1688 waren die französischen Refugies, die<lb/>
Ludwig XIV. bekämpften, indem sie einen in Frankreichs Solde stehenden König<lb/>
stürzten, und in England dem Protestantismus den Sieg verschafften, dem<lb/>
Prinzen von Oranien eine nicht unbedeutende Hilfe. Unter den 12,000 Mann<lb/>
seiner kleinen Armee waren nicht weniger als drei Jnfantcrieregimentcr Franzosen<lb/>
und 720 Nesugiks, alte Soldaten, die unter Conto und Turenne gefochten, als Of¬<lb/>
fiziere. Ein Franzose, Goulon, befehligte die Artillerie, Schonberg, ein Deutscher<lb/>
vou Herkunft, aber zuletzt Marschall von Frankreich, leitete die Operationen.<lb/>
Der greise Veteran war Wilhelms vertrauter Rathgeber, und gab ihm den<lb/>
Rath, nicht direct nach London, sondern nach Torbay zu segeln, da der Befreier<lb/>
Englands in die Hauptstadt seines zukünftigen Reiches mit einem halb aus Hol¬<lb/>
ländern und halb aus Franzosen bestehenden Heere nicht einziehen dürfe. Als er<lb/>
später in Irland befehligte, gab er die ihm von dem Parlament bewilligten<lb/>
100,000 Pfd. zur Bezahlung der Truppen her, und fiel endlich siegend an der<lb/>
Bohne, indem er in der Hitze der Verfolgung unter TyrconnelS Dragoner gerieth.<lb/>
Als er auf dem Schlachtfelde das von Ludwig XIV. dem flüchtige» Jacob II. zu<lb/>
Hilfe geschickte französische Corps unter Lauzun erblickte, sagte er zu den Refu-<lb/>
gies: &#x201E;Meine Herren, dort sind unsre Feinde! Vorwärts!", und diese stürzten<lb/>
sich mit unwiderstehlicher Wuth auf den Feind, und entschieden die Schlacht. Ein<lb/>
ähnlicher Fall kam in der Schlacht von Almanza vor. Der bekannte Cevennen-<lb/>
häuptling, Jean Cavalier, war nach der Kapitulation mit seinen Camisarden in<lb/>
englisch-holländische Dienste getreten, und führte ein ans seinen Verbannungsgc-nossen<lb/>
gebildetes Regiment als Oberst an. Bei Almanza sah es sich einem katholischen Re¬<lb/>
giment gegenüber, das mit an den Verfolgungen in den Cevennen Theil genommen<lb/>
hatte. Ohne einen Befehl abzuwarten, stürzt es sich voller Wuth auf dasselbe und es<lb/>
entsteht ein solches Gemetzel, das nur 300 von den Franzosen entkommen. Marschall<lb/>
Berwick, der Zeuge dieses Auftritts war, konnte nie ohne Schaudern von dem schreck¬<lb/>
lichen Blutbade sprechen.  Cavalier starb als englischer Generalmajor in Chelsea.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0322] In England herrschte zwar Karl II., ein Regent, der Ludwig XIV. aus¬ nehmend günstig gesinnt war, aber zum Glück für ihn selbst und für sein Land war er von der öffentlichen Meinung weniger unabhängig, als der französische Monarch. Er konnte daher nicht umhin, durch das Edict von Hamptoncourt den französischen Einwanderern Naturalisationspatente und ausgedehnte Vorrechte zu ertheilen. In den letzten 6 Monaten des Jahres 1681 wurden 11 SO naturali- sirt, und 1690 belief sich die Zahl der eingewanderten Franzosen schon auf 80,006, die sich meistens in London niederließen. Die Bewohner von Amiens, Cambrai und Tournai bildeten in Edinburg ein eigenes Quartier, die Pikardie. Später erhielten die Offiziere und Soldaten, welche den Prinzen von Oranien nach Irland begleitet hatten, in Irland Güter geschenkt, und bildeten um Dublin eine die Stadt schützende Kolonie. Bei der englischen Revolution v. 1688 waren die französischen Refugies, die Ludwig XIV. bekämpften, indem sie einen in Frankreichs Solde stehenden König stürzten, und in England dem Protestantismus den Sieg verschafften, dem Prinzen von Oranien eine nicht unbedeutende Hilfe. Unter den 12,000 Mann seiner kleinen Armee waren nicht weniger als drei Jnfantcrieregimentcr Franzosen und 720 Nesugiks, alte Soldaten, die unter Conto und Turenne gefochten, als Of¬ fiziere. Ein Franzose, Goulon, befehligte die Artillerie, Schonberg, ein Deutscher vou Herkunft, aber zuletzt Marschall von Frankreich, leitete die Operationen. Der greise Veteran war Wilhelms vertrauter Rathgeber, und gab ihm den Rath, nicht direct nach London, sondern nach Torbay zu segeln, da der Befreier Englands in die Hauptstadt seines zukünftigen Reiches mit einem halb aus Hol¬ ländern und halb aus Franzosen bestehenden Heere nicht einziehen dürfe. Als er später in Irland befehligte, gab er die ihm von dem Parlament bewilligten 100,000 Pfd. zur Bezahlung der Truppen her, und fiel endlich siegend an der Bohne, indem er in der Hitze der Verfolgung unter TyrconnelS Dragoner gerieth. Als er auf dem Schlachtfelde das von Ludwig XIV. dem flüchtige» Jacob II. zu Hilfe geschickte französische Corps unter Lauzun erblickte, sagte er zu den Refu- gies: „Meine Herren, dort sind unsre Feinde! Vorwärts!", und diese stürzten sich mit unwiderstehlicher Wuth auf den Feind, und entschieden die Schlacht. Ein ähnlicher Fall kam in der Schlacht von Almanza vor. Der bekannte Cevennen- häuptling, Jean Cavalier, war nach der Kapitulation mit seinen Camisarden in englisch-holländische Dienste getreten, und führte ein ans seinen Verbannungsgc-nossen gebildetes Regiment als Oberst an. Bei Almanza sah es sich einem katholischen Re¬ giment gegenüber, das mit an den Verfolgungen in den Cevennen Theil genommen hatte. Ohne einen Befehl abzuwarten, stürzt es sich voller Wuth auf dasselbe und es entsteht ein solches Gemetzel, das nur 300 von den Franzosen entkommen. Marschall Berwick, der Zeuge dieses Auftritts war, konnte nie ohne Schaudern von dem schreck¬ lichen Blutbade sprechen. Cavalier starb als englischer Generalmajor in Chelsea.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/322
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/322>, abgerufen am 03.07.2024.