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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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gleichen Dinge nicht durchsetzen könne, und weil sie das wußte, setzte sie ihrer
Thätigkeit selbst Schränke", die a" sich der Bewegung nicht hinderlich gewesen
wären, wenn nur die damals regierenden liberalen Ministerien mehr Energie und
mehr Sinn für die deutsche Sache entwickelt hätten.

Von Zeit zu Zeit bedient sich Herr Butan der angenehmen Abwechselung
wegen auch der demokratischen Vorwürfe, wo er glaubt, daß diese gangbarer sind.
So bespricht er Seite 331 den Waffenstillstand von Malmö' und berichtet, daß in
Frankfurt die Suspension desselben mit 238 gegen 221 Stimmen beschlossen wäre;
in Parenthese setzt er hinzu: "Die Minderheit wurde durch die Preußen so stark".
Damit will er zweierlei sagen, erstens daß er eigentlich den Waffenstillstand mi߬
billige, er, der sich doch vorher in gar nicht zweifelhaften Ausdrücken über die
Schleswig-holsteinische Sache ausgesprochen; außerdem will er die preußischen Ab¬
geordneten als particularistisch gesinnt darstellen. So kann er sich auch S. 3SS
nicht enthalten, Bassermann wegen seiner Gestalten zu verhöhnen, weil das einmal
ein gangbares demokratisches Stichwort geworden ist, obgleich er selber viel tollere
Gestalten sieht.

Es ist ermüdend, dem einzelnen zu folgen. Wir wollen nur noch auf einen
einzelnen, sehr charakteristischen Zug hindeuten. S. S73 werden die dem Olmützer
Vertrag vorangehenden Ereignisse referirt. "Der Kaiser von Oestreich kam den
11. October zu Bregenz mit den Königen von Baiern und Würtemberg zusam¬
men, und sie vereinigten sich dahin, der Autorität des Bundestages volle Geltung
zu verschaffen. Preußen entsandte dagegen den Grafen Brandenburg nach Warschau
zu dem Kaiser von Nußland, welche Misston aber nicht den erwünschten Erfolg
gehabt zu haben scheint. Der Bundestag sah sich zu ExecutionSmaßregeln ver¬
anlaßt. Das preußische Cabinet war in beiden Fällen mit dem Zweck der Ma߬
regeln einig, bestritt aber der Frankfurter Versammlung das Recht dazu u. s. w."
Diese Erzählung sieht sehr unschuldig aus, und doch versteckt sich dahinter eine
nicht geringe Perfidie. Wer die Thatsachen nicht kennt, sollte ans dieser Darstel¬
lung vermuthen, die Coalitionsstaaten hätten lediglich das deutsche Interesse im
Auge gehabt, und Preußen habe den Erbfeind, habe die Russen herbeirufen wollen.
Daß, bevor Graf Brandenburg nach Warschau ging, der Kaiser von Oestreich
bereits dagewesen war, davon sagt Herr Butan kein Wort, und doch ist das grade
die Hauptsache. Wir wollen das zerfahrene, unbestimmte, kurz in jeder Beziehung
unbegreifliche Verhalten der preußischen Regierung nicht im geringsten beschöni¬
gen, aber man darf doch nicht die Thatsachen entstellen. Die Streitsache, um
die es sich damals handelte, war weniger die Union, die im wesentlichen von
Preußen bereits ausgegeben war, als vielmehr Schleswig-Holstein und Hessen.
Ju der erstern Angelegenheit, die unstreitig die wichtigere war, hatte nun grade
der Kaiser vou Nußland sich am entschiedensten gegen Preußen ausgesprochen.
Er hatte Preußen gradezu mit Krieg bedroht, wenn es sich der Erledigung dieser


gleichen Dinge nicht durchsetzen könne, und weil sie das wußte, setzte sie ihrer
Thätigkeit selbst Schränke», die a» sich der Bewegung nicht hinderlich gewesen
wären, wenn nur die damals regierenden liberalen Ministerien mehr Energie und
mehr Sinn für die deutsche Sache entwickelt hätten.

Von Zeit zu Zeit bedient sich Herr Butan der angenehmen Abwechselung
wegen auch der demokratischen Vorwürfe, wo er glaubt, daß diese gangbarer sind.
So bespricht er Seite 331 den Waffenstillstand von Malmö' und berichtet, daß in
Frankfurt die Suspension desselben mit 238 gegen 221 Stimmen beschlossen wäre;
in Parenthese setzt er hinzu: „Die Minderheit wurde durch die Preußen so stark".
Damit will er zweierlei sagen, erstens daß er eigentlich den Waffenstillstand mi߬
billige, er, der sich doch vorher in gar nicht zweifelhaften Ausdrücken über die
Schleswig-holsteinische Sache ausgesprochen; außerdem will er die preußischen Ab¬
geordneten als particularistisch gesinnt darstellen. So kann er sich auch S. 3SS
nicht enthalten, Bassermann wegen seiner Gestalten zu verhöhnen, weil das einmal
ein gangbares demokratisches Stichwort geworden ist, obgleich er selber viel tollere
Gestalten sieht.

Es ist ermüdend, dem einzelnen zu folgen. Wir wollen nur noch auf einen
einzelnen, sehr charakteristischen Zug hindeuten. S. S73 werden die dem Olmützer
Vertrag vorangehenden Ereignisse referirt. „Der Kaiser von Oestreich kam den
11. October zu Bregenz mit den Königen von Baiern und Würtemberg zusam¬
men, und sie vereinigten sich dahin, der Autorität des Bundestages volle Geltung
zu verschaffen. Preußen entsandte dagegen den Grafen Brandenburg nach Warschau
zu dem Kaiser von Nußland, welche Misston aber nicht den erwünschten Erfolg
gehabt zu haben scheint. Der Bundestag sah sich zu ExecutionSmaßregeln ver¬
anlaßt. Das preußische Cabinet war in beiden Fällen mit dem Zweck der Ma߬
regeln einig, bestritt aber der Frankfurter Versammlung das Recht dazu u. s. w."
Diese Erzählung sieht sehr unschuldig aus, und doch versteckt sich dahinter eine
nicht geringe Perfidie. Wer die Thatsachen nicht kennt, sollte ans dieser Darstel¬
lung vermuthen, die Coalitionsstaaten hätten lediglich das deutsche Interesse im
Auge gehabt, und Preußen habe den Erbfeind, habe die Russen herbeirufen wollen.
Daß, bevor Graf Brandenburg nach Warschau ging, der Kaiser von Oestreich
bereits dagewesen war, davon sagt Herr Butan kein Wort, und doch ist das grade
die Hauptsache. Wir wollen das zerfahrene, unbestimmte, kurz in jeder Beziehung
unbegreifliche Verhalten der preußischen Regierung nicht im geringsten beschöni¬
gen, aber man darf doch nicht die Thatsachen entstellen. Die Streitsache, um
die es sich damals handelte, war weniger die Union, die im wesentlichen von
Preußen bereits ausgegeben war, als vielmehr Schleswig-Holstein und Hessen.
Ju der erstern Angelegenheit, die unstreitig die wichtigere war, hatte nun grade
der Kaiser vou Nußland sich am entschiedensten gegen Preußen ausgesprochen.
Er hatte Preußen gradezu mit Krieg bedroht, wenn es sich der Erledigung dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/293>, abgerufen am 01.10.2024.