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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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sturzpartei, die es fürchte, durch consequente Verleumdungen in der öffentlichen
Meinung discreditirt worden.

Wenn Seite i92 von der Bewegung von -I8i8 in sehr verächtlichen Aus¬
drücken gesprochen wird, so wäre an sich weniger dagegen zu sagen, wenn man
nur nicht immer daran denken müßte, daß der Tadel nicht l'los die schwächlichen
Männer der Bewegung trifft, sondern auch diejenigen, die vor ihr wichen, und
da sollte doch jeder zunächst an seinen eigenen Busen schlagen.

Seite 496 erfahren wir mit einiger Ueberraschung, daß es der gegenwär¬
tigen preußischen Regierung noch immer nicht gelungen ist, sich den Beifall des
Verfassers zu ermerbeu. "Sie läßt sich noch immer von Gothaneru und Demo-
kraten durch die Vorspiegelung eines Kleiudcutschlands, dessen alleiniges Haupt
Preußen sein solle, versuchen."

Daß nnter diesen VvrauSsetzuugc" der gegenwärtige Machthaber in Frank¬
reich im allgemeine" deu Wünsche" des Herrn Prof. Butan entspricht, läßt sich
schon von vornherein erwarten. Zum Ueberfluß wird die rettende That S. 496
ausdrücklich gelobt.

Seite sit und Si2 werde" die Möglichkeiten untersucht, unter denen die
Frankfurter Nationalversammlung etwas hätte durchsetzen könne". "Hätte", sagt
Hr. Butan, "die Versammlung gewollt und vermocht, Preußen als Gro߬
staat aufzulösen und in el"e Reihe deutscher Provinzen zu zerlegen, Oestreich aber
auf seine alten, zum Reich gehörigen Lande zu beschränken; hätte sie den so
geschwächte" Großstaaten zusamme"geschmolzene Gruppen neugebildeter Neichskreise
an die Seite gesetzt; hätte sie während ihres Bestehens alle Landtage der Einzel¬
staaten suspeiidirt; hätte sie von vornherein alle Heerkraft der deutsche" La"de
für Buudessache erklärt, vou den Einzelstaate" losgetrennt und ganz in eigene
Hände genommen, ebenso allen diplomatischen Verkehr mit dem Auslande und die
gesammte Handels- und Zollpolitik; hätte sie decretirt, daß alle Binnenzölle in
ganz Deutschland aufgehört hätte" und i" eine" für das Neichsbudget zu erhe¬
bende" Zoll an den deutschen Grenzen verwandelt würden; hätte sie keine Be¬
fugnis; der Bundesgewalt durch Beamte der Einzelstaaten besorge" lasse", sondern
für alles Bundesorgane gebildet; hätte sie das gewollt und gekonnt, so war der
damalige Einheitsgedanke in seiner liberalen Auffassung möglich, d. h. ein Versuch
damit. Ob sie zu so großen Dingen wirklich mächtig genug war, ob ein solches
Auftreten nicht einen entschiedenen Widerstand, namentlich von Seiten der Armeen,
später vielleicht auch des Auslandes, hervorgerufen haben würde, muß dahinge¬
stellt bleiben. Die Versammlung selbst traute sich wol noch höhere Macht zu."
-- Mau steht, in semen politischen Phantasien ist der Verfasser noch weit kühner,
als die Demokraten. Was aber den letzten Punkt betrifft, so irrt er sich. Die
Majorität der Versammlung war keineswegs so verblendet über ihre Macht, als
er ihr schuld gibt. Sie wußte sehr wohl, daß sie durch einfache Decrete der-


sturzpartei, die es fürchte, durch consequente Verleumdungen in der öffentlichen
Meinung discreditirt worden.

Wenn Seite i92 von der Bewegung von -I8i8 in sehr verächtlichen Aus¬
drücken gesprochen wird, so wäre an sich weniger dagegen zu sagen, wenn man
nur nicht immer daran denken müßte, daß der Tadel nicht l'los die schwächlichen
Männer der Bewegung trifft, sondern auch diejenigen, die vor ihr wichen, und
da sollte doch jeder zunächst an seinen eigenen Busen schlagen.

Seite 496 erfahren wir mit einiger Ueberraschung, daß es der gegenwär¬
tigen preußischen Regierung noch immer nicht gelungen ist, sich den Beifall des
Verfassers zu ermerbeu. „Sie läßt sich noch immer von Gothaneru und Demo-
kraten durch die Vorspiegelung eines Kleiudcutschlands, dessen alleiniges Haupt
Preußen sein solle, versuchen."

Daß nnter diesen VvrauSsetzuugc» der gegenwärtige Machthaber in Frank¬
reich im allgemeine» deu Wünsche» des Herrn Prof. Butan entspricht, läßt sich
schon von vornherein erwarten. Zum Ueberfluß wird die rettende That S. 496
ausdrücklich gelobt.

Seite sit und Si2 werde» die Möglichkeiten untersucht, unter denen die
Frankfurter Nationalversammlung etwas hätte durchsetzen könne». „Hätte", sagt
Hr. Butan, „die Versammlung gewollt und vermocht, Preußen als Gro߬
staat aufzulösen und in el»e Reihe deutscher Provinzen zu zerlegen, Oestreich aber
auf seine alten, zum Reich gehörigen Lande zu beschränken; hätte sie den so
geschwächte» Großstaaten zusamme»geschmolzene Gruppen neugebildeter Neichskreise
an die Seite gesetzt; hätte sie während ihres Bestehens alle Landtage der Einzel¬
staaten suspeiidirt; hätte sie von vornherein alle Heerkraft der deutsche» La»de
für Buudessache erklärt, vou den Einzelstaate» losgetrennt und ganz in eigene
Hände genommen, ebenso allen diplomatischen Verkehr mit dem Auslande und die
gesammte Handels- und Zollpolitik; hätte sie decretirt, daß alle Binnenzölle in
ganz Deutschland aufgehört hätte» und i» eine» für das Neichsbudget zu erhe¬
bende» Zoll an den deutschen Grenzen verwandelt würden; hätte sie keine Be¬
fugnis; der Bundesgewalt durch Beamte der Einzelstaaten besorge» lasse», sondern
für alles Bundesorgane gebildet; hätte sie das gewollt und gekonnt, so war der
damalige Einheitsgedanke in seiner liberalen Auffassung möglich, d. h. ein Versuch
damit. Ob sie zu so großen Dingen wirklich mächtig genug war, ob ein solches
Auftreten nicht einen entschiedenen Widerstand, namentlich von Seiten der Armeen,
später vielleicht auch des Auslandes, hervorgerufen haben würde, muß dahinge¬
stellt bleiben. Die Versammlung selbst traute sich wol noch höhere Macht zu."
— Mau steht, in semen politischen Phantasien ist der Verfasser noch weit kühner,
als die Demokraten. Was aber den letzten Punkt betrifft, so irrt er sich. Die
Majorität der Versammlung war keineswegs so verblendet über ihre Macht, als
er ihr schuld gibt. Sie wußte sehr wohl, daß sie durch einfache Decrete der-


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[0292] sturzpartei, die es fürchte, durch consequente Verleumdungen in der öffentlichen Meinung discreditirt worden. Wenn Seite i92 von der Bewegung von -I8i8 in sehr verächtlichen Aus¬ drücken gesprochen wird, so wäre an sich weniger dagegen zu sagen, wenn man nur nicht immer daran denken müßte, daß der Tadel nicht l'los die schwächlichen Männer der Bewegung trifft, sondern auch diejenigen, die vor ihr wichen, und da sollte doch jeder zunächst an seinen eigenen Busen schlagen. Seite 496 erfahren wir mit einiger Ueberraschung, daß es der gegenwär¬ tigen preußischen Regierung noch immer nicht gelungen ist, sich den Beifall des Verfassers zu ermerbeu. „Sie läßt sich noch immer von Gothaneru und Demo- kraten durch die Vorspiegelung eines Kleiudcutschlands, dessen alleiniges Haupt Preußen sein solle, versuchen." Daß nnter diesen VvrauSsetzuugc» der gegenwärtige Machthaber in Frank¬ reich im allgemeine» deu Wünsche» des Herrn Prof. Butan entspricht, läßt sich schon von vornherein erwarten. Zum Ueberfluß wird die rettende That S. 496 ausdrücklich gelobt. Seite sit und Si2 werde» die Möglichkeiten untersucht, unter denen die Frankfurter Nationalversammlung etwas hätte durchsetzen könne». „Hätte", sagt Hr. Butan, „die Versammlung gewollt und vermocht, Preußen als Gro߬ staat aufzulösen und in el»e Reihe deutscher Provinzen zu zerlegen, Oestreich aber auf seine alten, zum Reich gehörigen Lande zu beschränken; hätte sie den so geschwächte» Großstaaten zusamme»geschmolzene Gruppen neugebildeter Neichskreise an die Seite gesetzt; hätte sie während ihres Bestehens alle Landtage der Einzel¬ staaten suspeiidirt; hätte sie von vornherein alle Heerkraft der deutsche» La»de für Buudessache erklärt, vou den Einzelstaate» losgetrennt und ganz in eigene Hände genommen, ebenso allen diplomatischen Verkehr mit dem Auslande und die gesammte Handels- und Zollpolitik; hätte sie decretirt, daß alle Binnenzölle in ganz Deutschland aufgehört hätte» und i» eine» für das Neichsbudget zu erhe¬ bende» Zoll an den deutschen Grenzen verwandelt würden; hätte sie keine Be¬ fugnis; der Bundesgewalt durch Beamte der Einzelstaaten besorge» lasse», sondern für alles Bundesorgane gebildet; hätte sie das gewollt und gekonnt, so war der damalige Einheitsgedanke in seiner liberalen Auffassung möglich, d. h. ein Versuch damit. Ob sie zu so großen Dingen wirklich mächtig genug war, ob ein solches Auftreten nicht einen entschiedenen Widerstand, namentlich von Seiten der Armeen, später vielleicht auch des Auslandes, hervorgerufen haben würde, muß dahinge¬ stellt bleiben. Die Versammlung selbst traute sich wol noch höhere Macht zu." — Mau steht, in semen politischen Phantasien ist der Verfasser noch weit kühner, als die Demokraten. Was aber den letzten Punkt betrifft, so irrt er sich. Die Majorität der Versammlung war keineswegs so verblendet über ihre Macht, als er ihr schuld gibt. Sie wußte sehr wohl, daß sie durch einfache Decrete der-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/292>, abgerufen am 23.07.2024.