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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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zu welcher sich Herr Butan hält, bekannt ist, so konnte darin für uns nichts
Ueberraschendes liegen. Zwar müssen wir offen gestehen, daß uns unter allen
möglichen politischen Parteien diejenige des Herrn Butan am wenigsten zusagt.
Trotz seiner leidenschaftlichen Erbitterung gegen den Liberalismus gehört er nicht
zu irgend einer der bestimmten positiven Nuancen der Reaction; er hat kein
eignes politisches Princip, an dem er die Principien des Liberalismus widerlegen
könnte: er schwärmt nicht für die ständische Monarchie, nicht für den Absolutis¬
mus, nicht für das Kirchenthum, nicht für die Adelsherrschaft, nicht für die
Zunftverfassung; er nennt sich sogar, wenn wir nicht irren, einen Constitutionellen,
er gehört nnr zu jenen Philistern der conservativen Partei, die außer sich gerathen,
wenn es überhaupt irgend einmal laut zugeht, und die in ihrer Erbitterung dar¬
über gar keine Grenze kennen.

Aber wir glaubten, daß sich jetzt der heftige Kampf der Gegensätze etwas
gelegt hätte, und daß, wenn man sich in ruhigen Zeiten hinsetzt, um für ein
größeres Publicum ein historisches Werk zu schreiben, man unmöglich in der
Stimmung der c-Lolssia militans sein kann, wie es einem Journalisten in der
Zeit der Aufregung wol begegnet. Darum waren wir nicht im geringsten auf
den Ton gefaßt, in dem dieses Buch gehalten ist. Man kann sich nichts Giftigeres
und Kleinlicheres denken, als die Sprache, die hier gegen eine Partei geführt
wird, deren Verhalten man aus den verschiedenartigsten Gründen angreifen mag,
gegen deren innere Würdigkeit aber und deren Berechtigung innerhalb der deutschen
Entwickelung uur die Marodeurs der politischen Extreme Einwand erheben
dürften. -- Allein wir lassen alle diese allgemeinen Bemerkungen, die doch zu
keinem Resultat führen würden, und gehen sogleich auf das einzelne über.

Bereits Seite 367 sängt Herr Butan an, das Gefühl von der Ohnmacht
Deutschlands nach außen hin als eine Fiction der Demagogen, denen es blos
am Aufregen von Unzufriedenheit gelegen war, darzustellen. In dieser Beziehung
dürfte ihm nicht blos ein Blick auf die Thatsachen -- denn ein solcher würde
einem erhitzten Ange unmöglich sein -- sondern ein Blick auf die Helden seiner
eigenen.Partei eines Bessern belehren, z.B. auf den Fürsten Schwarzenberg, der
sehr gewaltige Anstrengungen gemacht hat, um diese Schwäche Deutschlands
nach außen, die er ebensowol durchschaute, wie jeder, der überhaupt Augen
zum Sehen hat, dnrch eine Umgestaltung seiner Verfassung aufzuheben.
Man mag gegen die Mittel eifern, die zur Erstarkung der deutschen Politik
in Bewegung gesetzt wurden, das Vorhandensein der Schwäche aber kann nur
die Unwissenheit oder die Böswilligkeit leugnen.

Seite 372 werden die Versuche berichtet, die Herr v. Radowitz im Auftrage
des Königs von Preußen anstellte, um die Bundesverfassung zu kräftigen. Herr
Butan bemerkt dabei in Parenthese: "Fühlte vielleicht das feine politische Tast-
vermögen östreichischer Diplomaten unbewußte preußische Rückhaltsgedanken


zu welcher sich Herr Butan hält, bekannt ist, so konnte darin für uns nichts
Ueberraschendes liegen. Zwar müssen wir offen gestehen, daß uns unter allen
möglichen politischen Parteien diejenige des Herrn Butan am wenigsten zusagt.
Trotz seiner leidenschaftlichen Erbitterung gegen den Liberalismus gehört er nicht
zu irgend einer der bestimmten positiven Nuancen der Reaction; er hat kein
eignes politisches Princip, an dem er die Principien des Liberalismus widerlegen
könnte: er schwärmt nicht für die ständische Monarchie, nicht für den Absolutis¬
mus, nicht für das Kirchenthum, nicht für die Adelsherrschaft, nicht für die
Zunftverfassung; er nennt sich sogar, wenn wir nicht irren, einen Constitutionellen,
er gehört nnr zu jenen Philistern der conservativen Partei, die außer sich gerathen,
wenn es überhaupt irgend einmal laut zugeht, und die in ihrer Erbitterung dar¬
über gar keine Grenze kennen.

Aber wir glaubten, daß sich jetzt der heftige Kampf der Gegensätze etwas
gelegt hätte, und daß, wenn man sich in ruhigen Zeiten hinsetzt, um für ein
größeres Publicum ein historisches Werk zu schreiben, man unmöglich in der
Stimmung der c-Lolssia militans sein kann, wie es einem Journalisten in der
Zeit der Aufregung wol begegnet. Darum waren wir nicht im geringsten auf
den Ton gefaßt, in dem dieses Buch gehalten ist. Man kann sich nichts Giftigeres
und Kleinlicheres denken, als die Sprache, die hier gegen eine Partei geführt
wird, deren Verhalten man aus den verschiedenartigsten Gründen angreifen mag,
gegen deren innere Würdigkeit aber und deren Berechtigung innerhalb der deutschen
Entwickelung uur die Marodeurs der politischen Extreme Einwand erheben
dürften. — Allein wir lassen alle diese allgemeinen Bemerkungen, die doch zu
keinem Resultat führen würden, und gehen sogleich auf das einzelne über.

Bereits Seite 367 sängt Herr Butan an, das Gefühl von der Ohnmacht
Deutschlands nach außen hin als eine Fiction der Demagogen, denen es blos
am Aufregen von Unzufriedenheit gelegen war, darzustellen. In dieser Beziehung
dürfte ihm nicht blos ein Blick auf die Thatsachen — denn ein solcher würde
einem erhitzten Ange unmöglich sein — sondern ein Blick auf die Helden seiner
eigenen.Partei eines Bessern belehren, z.B. auf den Fürsten Schwarzenberg, der
sehr gewaltige Anstrengungen gemacht hat, um diese Schwäche Deutschlands
nach außen, die er ebensowol durchschaute, wie jeder, der überhaupt Augen
zum Sehen hat, dnrch eine Umgestaltung seiner Verfassung aufzuheben.
Man mag gegen die Mittel eifern, die zur Erstarkung der deutschen Politik
in Bewegung gesetzt wurden, das Vorhandensein der Schwäche aber kann nur
die Unwissenheit oder die Böswilligkeit leugnen.

Seite 372 werden die Versuche berichtet, die Herr v. Radowitz im Auftrage
des Königs von Preußen anstellte, um die Bundesverfassung zu kräftigen. Herr
Butan bemerkt dabei in Parenthese: „Fühlte vielleicht das feine politische Tast-
vermögen östreichischer Diplomaten unbewußte preußische Rückhaltsgedanken


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[0288] zu welcher sich Herr Butan hält, bekannt ist, so konnte darin für uns nichts Ueberraschendes liegen. Zwar müssen wir offen gestehen, daß uns unter allen möglichen politischen Parteien diejenige des Herrn Butan am wenigsten zusagt. Trotz seiner leidenschaftlichen Erbitterung gegen den Liberalismus gehört er nicht zu irgend einer der bestimmten positiven Nuancen der Reaction; er hat kein eignes politisches Princip, an dem er die Principien des Liberalismus widerlegen könnte: er schwärmt nicht für die ständische Monarchie, nicht für den Absolutis¬ mus, nicht für das Kirchenthum, nicht für die Adelsherrschaft, nicht für die Zunftverfassung; er nennt sich sogar, wenn wir nicht irren, einen Constitutionellen, er gehört nnr zu jenen Philistern der conservativen Partei, die außer sich gerathen, wenn es überhaupt irgend einmal laut zugeht, und die in ihrer Erbitterung dar¬ über gar keine Grenze kennen. Aber wir glaubten, daß sich jetzt der heftige Kampf der Gegensätze etwas gelegt hätte, und daß, wenn man sich in ruhigen Zeiten hinsetzt, um für ein größeres Publicum ein historisches Werk zu schreiben, man unmöglich in der Stimmung der c-Lolssia militans sein kann, wie es einem Journalisten in der Zeit der Aufregung wol begegnet. Darum waren wir nicht im geringsten auf den Ton gefaßt, in dem dieses Buch gehalten ist. Man kann sich nichts Giftigeres und Kleinlicheres denken, als die Sprache, die hier gegen eine Partei geführt wird, deren Verhalten man aus den verschiedenartigsten Gründen angreifen mag, gegen deren innere Würdigkeit aber und deren Berechtigung innerhalb der deutschen Entwickelung uur die Marodeurs der politischen Extreme Einwand erheben dürften. — Allein wir lassen alle diese allgemeinen Bemerkungen, die doch zu keinem Resultat führen würden, und gehen sogleich auf das einzelne über. Bereits Seite 367 sängt Herr Butan an, das Gefühl von der Ohnmacht Deutschlands nach außen hin als eine Fiction der Demagogen, denen es blos am Aufregen von Unzufriedenheit gelegen war, darzustellen. In dieser Beziehung dürfte ihm nicht blos ein Blick auf die Thatsachen — denn ein solcher würde einem erhitzten Ange unmöglich sein — sondern ein Blick auf die Helden seiner eigenen.Partei eines Bessern belehren, z.B. auf den Fürsten Schwarzenberg, der sehr gewaltige Anstrengungen gemacht hat, um diese Schwäche Deutschlands nach außen, die er ebensowol durchschaute, wie jeder, der überhaupt Augen zum Sehen hat, dnrch eine Umgestaltung seiner Verfassung aufzuheben. Man mag gegen die Mittel eifern, die zur Erstarkung der deutschen Politik in Bewegung gesetzt wurden, das Vorhandensein der Schwäche aber kann nur die Unwissenheit oder die Böswilligkeit leugnen. Seite 372 werden die Versuche berichtet, die Herr v. Radowitz im Auftrage des Königs von Preußen anstellte, um die Bundesverfassung zu kräftigen. Herr Butan bemerkt dabei in Parenthese: „Fühlte vielleicht das feine politische Tast- vermögen östreichischer Diplomaten unbewußte preußische Rückhaltsgedanken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/288>, abgerufen am 23.07.2024.